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Das wird teuer: eine Frau beim Vermessen der Dioptrien-Werte.

© IMAGO/Zoonar.com/Kasper Ravlo

Exklusiv

Konzeptpapier zur Gesundheitspolitik: Linkspartei fordert Gratis-Brillen für alle

Weg mit Eigenanteilen und Rezeptgebühr, Gratis-Behandlungsstellen an den Autobahnen, bessere Versorgung für Arme und mehr: Das fordert jetzt die Linkspartei.

Kostenlos eine neue Brille mindestens alle drei Jahre, die Abschaffung von Eigenanteilen und Rezeptgebühr und mehr: Die Linkspartei hat in einem neuen Positionspapier gesundheitspolitische Forderungen entwickelt. Sie sollen am Montag vorgestellt werden und liegen dem Tagesspiegel vorab vor. Es wurde geschrieben von Co-Parteichefin Janine Wissler und Gerhard Trabert, der bei der Wahl des Bundespräsidenten 2022 als Parteiloser für die Linke kandidierte. Er steht nun auf Platz vier der Linken-Liste zur Europawahl.

„Die Vergabe von Terminen und die Wartedauer in der Praxis dürfen nicht vom Geldbeutel abhängen. Die Zwei-Klassen-Versorgung ist ungerecht und zementiert die Unterschiede in der Gesellschaft aufgrund der finanziellen Möglichkeiten der Menschen“, sagte Wissler dazu dem Tagesspiegel.

Janine Wissler, Co-Vorsitzende der Linkspartei, im Bundestag.
Janine Wissler, Co-Vorsitzende der Linkspartei, im Bundestag.

© dpa/Britta Pedersen

„Eine Krankenversicherung, die vom Durchschnitts- bis zum Spitzenverdiener finanziert wird, wäre eine echte Bürgerversicherung und würde die Gesellschaft beim Zugang zur Gesundheitsversorgung nicht spalten.“ Ganze Stadtteile würden bei der Gesundheitsversorgung benachteiligt, weil ihre Bewohner nicht auf der Sonnenseite der Stadt wohnen. Diese Stigmatisierung und Benachteiligung sei unerträglich.


Das sind die Forderungen

1 Eine Gratis-Brille mindestens alle drei Jahre

„Wir wollen, dass alle Menschen mindestens alle drei Jahre einen Anspruch auf die Zahlung einer neuen Brille haben“, heißt es in dem Papier. Schließlich würden dafür alle paar Jahre hunderte Euro fällig.

2 Abschaffung von Eigenanteilen und Rezeptgebühr

„Die Eigenanteile in der Gesundheitsversorgung sind ungerecht“, schreiben Wissler und Trabert. Die Rezeptgebühr sei nicht nur für Menschen, die Bürgergeld bekommen, eine Belastung. Medizinisch unnötige Behandlungen zu finanziellen Zwecken für privat Versicherte müssten der Vergangenheit angehören.

3 Bessere Betreuung rund um die Geburt

Es brauche mehr Hebammen und Geburtshelfer „mit guten und abgesicherten Arbeitsbedingungen“, heißt es in dem Papier. Ziel ist es, jeder Schwangeren eine medizinisch überwachte Geburt garantieren zu können.

4 Bessere Gesundheitsversorgung in ärmeren Vierteln

„Gerade in benachteiligten Stadtvierteln sind bessere Angebote zur Gesundheitsversorgung nötig. In reichen Vierteln gibt es viel mehr Ärzte“, schreiben Wissler und Trabert. Diese ungleiche Verteilung sei zutiefst ungerecht.

5 Gleiche Bedingungen im Wartezimmer und bei der Terminvergabe

Für Privatversicherte dürfe nicht mehr abgerechnet werden als für Kassenpatient*innen, fordern Wissler und Trabert. „Dann ist auch Schluss mit der ungerechten Bevorzugung von Privatpatient*innen, die nicht lange auf einen Arzttermin warten müssen, während sich Kassenpatient*innen oft Wochen oder Monate gedulden müssen.“

6 Kostenfreie Beratungs- und Behandlungsstellen auf der Autobahn

Die Linkspartei sorgt sich auch um Menschen, die LKWs und Busse durch Deutschland steuern, aber keine Krankenversicherung haben, die in Deutschland greift. Für sie fordert die Partei bundesweit kostenfreie und unbürokratisch nutzbare Gesundheitsberatungs- und Behandlungsstellen an Autobahnraststätten, und zwar mindestens alle 300 Kilometer.

7 Zugang zum Gesundheitssystem auch ohne Krankenversicherung

Hunderttausende Menschen seien in Deutschland nicht krankenversichert, die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen, schreiben Wissler und Trabert. Besonders betroffen seien Menschen in der Obdachlosigkeit, Saisonkräfte und Wanderarbeiter, aber auch Freiberufler und Selbständige. Die Linkspartei fordert auch in diesen Fällen Zugang zum Gesundheitssystem.


Die Frage der Finanzierung wird von Wissler und Trabert nur indirekt diskutiert. „Wir führen eine solidarische Gesundheitsversicherung ein. Alle zahlen ein, auch die Spitzenverdiener“, heißt es in dem Papier.

Gerhard Trabert, Sozialmediziner und Europa-Kandidat der Linkspartei.
Gerhard Trabert, Sozialmediziner und Europa-Kandidat der Linkspartei.

© dpa/Britta Pedersen

Die Armut wachse in Deutschland und Europa, sagte Trabert dem Tagesspiegel. „Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden und durchdachte Strategien zur Armutsbekämpfung umsetzen. Die finanziellen Mittel, um Armut und ihre gesundheitlichen Folgen zu reduzieren, wären vorhanden, wenn das Problem ernsthaft angegangen würde. Die prekäre Lebenssituation von Kriegs- und Armutsflüchtlingen ist in vielen Bereichen, aber besonders bei der Gesundheitsversorgung menschenunwürdig. Privatpatienten hätten meistens Vortritt“, heißt es in dem Papier, sowie: „Wer arm ist, stirbt früher.“

Gerhard Trabert ist Arzt und Autor. Er engagiert sich seit langem für die Gesundheitsversorgung armer Menschen. Von 2005 bis 2013 war er Delegierter der Nationalen Armutskonferenz Deutschlands für die Europäische Armutskommission.

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