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Friedrich Merz hat mit seinen Zahnarzt-Äußerungen schon wieder für internen Knatsch gesorgt.

© Imago/dts Nachrichtenagentur

Immer wieder Ärger mit Merz: Der hausgemachte Streit über die Richtung der Union

Zuletzt hat er die Regierung in der Migrationspolitik ein wenig vor sich hertreiben können. Nun hat CDU-Chef Merz wieder einen Anlass zur Selbstbeschäftigung geboten. Der Frust ist groß.

Am Morgen danach ist kommunikative Schadensbegrenzung angesagt. Die CDU-Parteispitze vereinbart, sich nicht zu äußern, sondern den Gesundheitsexperten der Bundestagsfraktion vorzuschicken.

Friedrich Merz hat recht: Hunderttausende abgelehnte Asylbewerber sind ausreisepflichtig“, sagt also Tino Sorge der „Rheinischen Post“: „Dennoch können sie zum Nulltarif das deutsche Gesundheitssystem nutzen.“ Der Sprecher des Vorsitzenden teilt in sozialen Medien Artikel, die darauf verweisen, dass auch abgelehnte Asylberber nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland die Basis-Krankenversorgung erhalten.

Ausgesessen ist das, was Merz am Vorabend in einer Fernseh-Talkrunde gesagt hat, damit nicht. Schließlich hat er die 18-Monatsfrist da nicht erwähnt, unterhalb derer nur im Notfall behandelt wird.

Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.

Friedrich Merz, CDU-Chef, über Asylbewerber

Und es gibt auch keine 300.000 abgelehnte Asylbewerber im Land mehr, sondern laut Bundesinnenministerium Ende Juni rund 279.000, von denen 225.000 wegen Abschiebungshindernissen geduldet sind und gar nicht in ihr Heimatland zurückgebracht werden können.

Merz sagte: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ Damit hat er vor allem suggeriert, dass die Versorgung der einheimischen Bevölkerung unter den gestiegenen Flüchtlingszahlen leidet.

Unter den erzürnten Kritikern aus den Regierungsparteien ist selbst der Kanzler. „Mit heißer Luft und Populismus“, schreibt Olaf Scholz auf Twitter, „wird nur die Stimmung im Land aufgeheizt.“ Die Verärgerung, die es auch in der eigenen Partei zuhauf gibt, zielt nicht auf das Thema selbst.

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Es ist weitgehend Konsens unter den Christdemokraten, dass zur Reduzierung der Migrationszahlen auch die sogenannten „Pull-Faktoren“ angegangen werden müssen, die CDU und CSU auch bei den im europäischen Vergleich hohen Sozialleistungen verorten.

Unter den zwölf Punkten, die die Union gerne in einem „Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik“ sähe, findet sich auch die Rückkehr zu Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber.

Am Wochenende sprach sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dafür aus, dass beim Bürgergeld ein Unterschied gemacht werden müsse zwischen einheimischen Beziehern und etwa jenen aus der Ukraine, die noch nie ins System eingezahlt hätten.

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Deshalb sagt etwa die hessische Bundestagsabgeordnete Katja Leikert: „Es ist richtig, dass Merz über die Kosten spricht – die Menschen im Land stellen doch längst diese Rechnungen an, wenn etwa ihr Schwimmbad am Ort schließen muss.“

Der Ton aber macht die Musik. So ärgert sich ein CDU-Bundesvorstandsmitglied vor allem über die „Wortwahl, die sich einfügt in frühere Äußerungen“. Das zeigt, dass auch die Äußerung über die „kleinen Paschas“ im Zusammenhang mit der Neuköllner Silvesternacht noch nicht vergessen sind.

Frust in der Partei über Merz’ unbedachte Äußerungen

Vor allem aber herrscht Frust darüber, dass man die Regierung gerade so schön in der Defensive hatte und nach den unbedachten Äußerungen nun selbst wieder Abwehrkämpfe, interne Haltungsdiskussionen und Abgrenzungsdebatten gegenüber der AfD führen muss. Auch aus der wahlkämpfenden Schwesterpartei in Bayern ist zu hören, dass die Aussage, die die Debatte weg von der Sache hin zur Tonalität dreht, nicht als hilfreich empfunden wird.

Mit diesem fürchterlichen Populismus gewinnt man keine Wahlen, besonders keine Bundestagswahlen, sondern verschreckt Wähler der Mitte.

Ein CDU-Bundestagsabgeordneter

„Die Aussage war ein typischer Merz“, klagt auch ein Bundestagsabgeordneter, der nicht namentlich genannt werden möchte: „Er setzte gute und wichtige Punkte während des Talks, machte seinen Auftritt aber durch einen populistischen Aussetzer zunichte.“

Der Parlamentarier befürchtet sogar, dass es „wahrscheinlich kein Aussetzer war, sondern eine geplante Provokation wie bei der Aussage zur Alternative mit Substanz“.

Er sei „entsetzt“ darüber: „Mit diesem fürchterlichen Populismus gewinnt man keine Wahlen, besonders keine Bundestagswahlen, sondern verschreckt Wähler der Mitte.“

Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hatte bereits am Vorabend getwittert, dass die CDU „nicht negative Stimmungen weiter anheizen und gar Falsches verbreiten“ dürfe.

Die Belastungsgrenze ist vielerorts schon lange erreicht, auch in unserem Gesundheitssystem. Zu einer Kurskorrektur bei der Migrationspolitik gehört auch eine Debatte hierüber.

Steffen Bilger, CDU-Vorstandsmitglied aus Baden-Württemberg.

Andere betonen in der Union betonen eher die Notwendigkeit, sich auch mit dem unbequemen Thema der Sozialleistungen auseinandersetzen.

„Die Belastungsgrenze ist vielerorts schon lange erreicht, auch in unserem Gesundheitssystem“, sagt beispielsweise das Vorstandsmitglied Steffen Bilger aus Baden-Württemberg: „Zu einer Kurskorrektur bei der Migrationspolitik gehört auch eine Debatte hierüber.“

Der hausgemachte Streit über die Richtung der Partei und deren Vorsitzenden geht rund ein Jahr vor der geplanten Nominierung des Unionskanzlerkandidaten in die nächste Runde.

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