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Die Pandora-Papers sorgten weltweit für großes Aufsehen.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com/Mykola Tys

Hessen kauft Pandora-Papers : Geringer Einsatz, großes Ergebnis?

Hessen meldet den Ankauf von riesigen Datenmengen zur Fahndung nach Steuerkriminellen. Das Geschäft könnte sich lohnen, wie das Beispiel Panama-Papers zeigt.

Erst waren es die Steuerdaten-CDs aus der Schweiz, dann die Panama-Papers – nun sind es Daten aus den im Oktober 2021 geleakten Pandora-Unterlagen. Zum dritten Mal kauft die deutsche Finanzverwaltung Dokumente an, um Steuerkriminelle ausfindig machen zu können. Der hessische Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) teilte am Montag mit, dass sein Land „die Pandora Papers gekauft“ habe und nun allen deutschen Steuerbehörden und auch solchen im Ausland für Ermittlungen zur Verfügung stelle.

Nachdem ein internationales Journalistennetzwerk vor zwei Jahren die von Whistleblowern zugespielten Daten ausgewertet hatten, war nur ein Teil der Dokumente veröffentlicht worden. Hauptaugenmerk damals galt Prominenten, deren Namen und mutmaßlich unsaubere Geschäfte sich in den fast zwölf Millionen Dokumenten aus Steueroasen fanden.

Nun wird es um die weniger illustren Namen gehen – Wohlhabende und Unternehmen, die über Briefkastenfirmen oder Stiftungen in Ländern wie Panama, den Seychellen oder den Britischen Jungferninseln Steuervermeidung oder Steuerhinterziehung betrieben haben. Auch Banken und andere Finanzverwalten müssen - wie bei den Panama Papers – damit rechnen, ins Visier der Steuerfahnder zu geraten, wenn sie Kunden dubiose oder illegale Möglichkeiten offeriert hatten, Steuerzahlungen zu umgehen.

Erste Hinweise auf prüfungswürdige Fälle sind erkennbar

Michael Boddenberg, hessischer Finanzminister

Konkrete Zahlen nannte Boddenberg zunächst nicht – weder die Kaufsumme (die Transaktion erfolgt zusammen mit dem Zollfahndungsdienst des Bundes) ist daher bekannt noch gibt es Schätzungen, mit welchen Einnahmen der Fiskus nun rechnen kann. Zur Kaufsumme hieß es aus dem Ministerium lediglich, man habe für die Informationen einen sechsstelligen Betrag aufgewendet. Aus ermittlungstaktischen Gründen könne man keine konkreteren Angaben machen.

Aber es gibt Erfahrungen aus den Auswertungen angekaufter Panama-Papers-Dokumente seit 2017. Auch da war Hessen das Land, das sich der Sache angenommen hatte und über das Finanzamt Kassel II allen Steuerbehörden Zugriff gab. Gekauft wurden die Daten zusammen mit dem Bundeskriminalamt, seither ist die Zuständigkeit für Steuerkriminalität auf Bundesebene auf den Zoll und damit auf das Bundesfinanzministerium übergegangen.

Das Land Hessen beteiligte sich damals mit 300.000 Euro. Bei den Schweizer Steuer-CDs, deren Erwerb 2006 begann, treibende Kraft war seit 2010 die Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen unter dem Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), hatten sich neben dem Bund auch andere Bundesländer beteiligt.  

72 Millionen Ertrag bei Panama-Papers

Im Februar 2021 zog Boddenberg eine Bilanz der bis dahin durchgeführten Verfahren auf Basis der Panama-Dokumente. Demnach waren in gut drei Jahren insgesamt 72 Millionen Euro eingenommen worden. Davon entfielen in Deutschland gut 38 Millionen auf nachgezahlte Steuern sowie 19 Millionen auf Strafgelder. Der Rest kam im Ausland zusammen.

Doch dürften die Summen sogar höher liegen. Denn es gibt keine Berichtspflicht – will heißen: Das federführende Finanzamt in Kassel weiß zwar, wer anfragt und eventuell Verfahren führt. Doch wie die ausgehen, erfahren die dortigen Steuerfahnder nicht immer.

Was die Pandora-Dokumente in den kommenden Jahren ergeben, ist unklar. Mit einem Datenvolumen von 3,8 Terabyte, so die Mitteilung aus Wiesbaden, und insgesamt 10,4 Millionen Dokumenten ist das Pandora-Unternehmen noch umfangreicher als die Panama-Papers. Diese hatten laut Boddenberg 3,2 Terabyte umfasst.

Die britische Connection

Die Pandora-Unterlagen sind bei insgesamt 14 Finanzfirmen in Steueroasen gesammelt worden. Ein Drittel der Dokumente stammt von zwei Offshore-Firmen in dem britischen Überseegebiet der Jungferninseln. Über solche Orte verteilt sich ein verzweigtes Netzwerk von Offshore-Finanzfirmen, das Zentrum des Systems ist die Londoner City. Nicht wenige der Geschäfte, die an heimischen Steuerbehörden vorbei getätigt werden, beziehen sich auf das Vereinigte Königreich.

Nicht selten geht es dabei um Immobilien-Transaktionen. In dem Zusammenhang tauchte auch die „Firma“ der britischen Königsfamilie, der Crown Estate, in den Pandora-Dokumenten auf. Auch der frühere britische Premier Tony Blair kaufte demnach offenbar über eine Briefkastenfirma ein Anwesen in London. In größerem Umfang nutzte die Familie des aserbaidschanischen Machthabers Îlham Alijew Offshore-Konten für Immobilien-Deals auf der Insel.

Wie weit deutsche Milliardäre und Millionäre dieses Netzwerk nutzten, wird nun die Auswertung in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Zu „prüfungswürdigen Fällen“ gebe es erste Hinweise, sagte Boddenberg am Montag.

Konrad Duffy von der Organisation „Finanzwende“ begrüßte das Vorgehen Hessens. „Ein guter Schritt“, sagte er dem Tagesspiegel. Besser wäre es seiner Meinung nach allerdings, wenn solche Dokumente nicht über Leaks und Journalisten-Recherchen aufkämen, sondern der Staat mehr Geld und Personal einsetzen würde, um selbst Aufklärung zu schaffen. Mit Blick auf die Offshore-Steueroasen fordert Duffy, den EU-Austritt Großbritanniens zu nutzen, um dubiose Finanzplätze, die mit dem Land verbunden seien, auf die Schwarze Liste der EU zu nehmen. 

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