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Ministerpräsident Dietmar Woidke auf der Cottbus-Demo gegen Rechts.

© imago/Rainer Weisflog

„Ich stehe hier und habe Tränen in den Augen“: Was Politiker zu den Demos gegen rechts sagen

Von Politik und Verbänden kommt Unterstützung für den Protest gegen Rechtsextremismus. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke äußerte sich besonders emotional.

| Update:

Bundesweit gingen am Sonntag erneut Zehntausende Menschen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Straße. In München kamen so viele, dass die Veranstaltung abgebrochen werden musste.

Auch in vielen weiteren deutschen Städten fanden Kundgebungen und Demonstrationen gegen rechts und gegen die AfD statt, unter anderem in Chemnitz, Dresden, Flensburg, Bonn und Neubrandenburg.

Überall im Osten sind Menschen für Demokratie auf der Straße, die wir 1989 erkämpft haben. Ermutigend!

Katrin Göring-Eckardt, Bundestagsvizepräsidentin (Grüne)

In Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im September neue Landtage gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD in allen drei Ländern teilweise mit deutlichem Abstand stärkste Kraft werden.

Breite Unterstützung aus der Politik

Politiker quer durch viele Parteien äußerten sich lobend zu den Protesten. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD). „Diese Menschen machen uns allen Mut. Sie verteidigen unsere Republik und unser Grundgesetz gegen seine Feinde. Sie verteidigen unsere Menschlichkeit“, erklärte er in einer am Sonntag in Berlin veröffentlichten Video-Botschaft. „Die Zukunft unserer Demokratie hängt nicht von der Lautstärke ihrer Gegner ab - sondern von der Stärke derer, die die Demokratie verteidigen.“ Nötig sei ein Bündnis aller Demokratinnen und Demokraten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Montag): „Das Herz unserer Demokratie schlug an diesem Wochenende auf unseren Straßen und Plätzen.“ Das Signal an die mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland mit einer Einwanderungsgeschichte sei: „Wir gehören zusammen.“

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte die Protestaktionen. Er sei erfreut, dass die bekanntgewordenen Pläne von AfD-Vertretern und anderen Rechtsextremen zu Massenvertreibungen die Menschen im Land wachgerüttelt hätten, sagte er am Sonntag „Welt TV“.

Er habe in den vergangenen Monaten eher das Gefühl gehabt, dass es in Deutschland eine große schweigende Mehrheit gebe. Für die Jüdinnen und Juden vermittele sich nun ein Bild, „das wieder Vertrauen in die demokratischen Verhältnisse in der Bundesrepublik schaffen kann“. „Ich habe immer das Gefühl gehabt, man sieht die Prognosen und Wahlergebnisse der AfD, aber das lockt niemanden hinter dem Ofen hervor“, sagte Schuster der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). Er hoffe nun, dass die Menschen auch im Alltag - am Arbeitsplatz, in der Familie, im Bekanntenkreis, im Sportverein - Zivilcourage zeigen.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) lobte den breiten Protest und zeigte sich auf der Demo in Cottbus besonders emotioal. „Ich stehe hier oben und habe Tränen in den Augen“, sagte Woidke. „Die Lausitz steht auf für Demokratie, die Lausitz steht auf gegen Rechtsextremismus und gegen Rassismus.“ Cottbus ist eine Hochburg der Rechten.

Woidke warnte vor den Folgen von Extremismus. „Keiner kann heute mehr sagen, er hätte nicht gewusst, was diese Extremisten mit diesem Land vorhaben, was sie mit Menschen vorhaben, die anderer Herkunft sind, anderer Religion sind oder aber die anderer Meinung sind. Wehret den Anfängen!“ Die wichtigste Zutat für die gute weitere Entwicklung der Region sei „Weltoffenheit, Toleranz, Freiheit und Demokratie“.

Özdemir: Ampel muss aufhören, „wie die Kesselflicker zu streiten“

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat die bundesweiten Proteste gegen Rechtsextremismus begrüßt. Aus der Mitte der Gesellschaft sagten die Leute: „Jetzt reicht’s“, sagte der Grünen-Politiker in dem am Sonntag veröffentlichten „Interview der Woche“ des Deutschlandfunk.

Die Demonstrationen habe er auch so verstanden, dass sie sich an die Ampel-Koalition richteten, sagte der Landwirtschaftsminister. „Wir müssen unser Geschäft tun. Es geht nicht nur darum, dass die demokratische Mitte mobilisiert, sondern es geht auch darum, dass die Ampel aufhört - auch die demokratische Opposition von CDU/CSU - dass wir uns wie Kesselflicker streiten und damit Leute in die Arme der AfD treiben.“

Der Streit in der Ampel und das Beschäftigen mit sich selbst untergrüben das Vertrauen darin, dass die Regierung Probleme löse. „Wir sind erwachsene Menschen. Es gibt einfach keine Entschuldigung. Wir können das besser machen. Wir müssen es jetzt auch besser machen.“

Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz: Robert Habeck (Grüne).
Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz: Robert Habeck (Grüne).

© dpa/Michael Kappeler

Auch Vizekanzler Robert Habeck wertete die Demonstrationen als ermutigendes Zeichen für die Demokratie. „Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen“, sagte der Grünen-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“. Es sei beeindruckend zu sehen, wenn jetzt viele Menschen „auf die Straße gehen und Flagge zeigen für unsere Demokratie“.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), die aus Thüringen stammt, schrieb auf X: „Halle, Magdeburg, Spremberg, Luckenwalde, Eberswalde, Jena, Leipzig, Dresden, Erfurt, Potsdam. Überall im Osten sind Menschen für Demokratie auf der Straße, die wir 1989 erkämpft haben. Ermutigend! Freu mich über alle, die raus gegangen sind, aber besonders im Osten.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte auf X: „Wir leben im besten Staat, den es je auf deutschem Boden gab. Es ist wunderbar, wenn so viele Menschen für seine Prinzipien auf die Straße gehen. Denn vergessen wir nicht: Weimar scheiterte nicht an einzelnen Regeln der Verfassung. Weimar scheiterte an zu wenig Demokraten.“

„Es ist sehr ermutigend, dass tausende Menschen in ganz Deutschland friedlich gegen Rechtsextremismus demonstrieren“, schrieb CDU-Chef Friedrich Merz auf X. „Wir zeigen gemeinsam ein Stoppschild gegen jede Form von Extremismus und Rassismus, gegen Hass, Hetze und Geschichtsvergessenheit.“

Janine Wissler, Co-Vorsitzende der Partei Die Linke, sagte auf X: „Großartig! 50.000 Menschen demonstrieren in #Frankfurt gegen die Gefahr von rechts, gegen Rassismus und die #noafd. Schon vor Beginn war der Römerberg so voll, dass keiner mehr auf den Platz kam. Paulsplatz, Mainkai, alle Straßen um den Römer voller Menschen.“ 

Integrationsbeauftragte fordert gesamtgesellschaftliches Bündnis

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, bezeichnete die Demonstrationen als „gut und wichtig“, forderte zugleich aber weiteren Einsatz. „Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Bündnis“, sagte die SPD-Politikerin „Zeit Online“. „Und das bedeutet mehr als ein paar Mal auf die Straße zu gehen.“

Alle müssten für die vielfältige Gesellschaft einstehen. „Das heißt, das Gespräch suchen: im Verein, am Arbeitsplatz, in der Familie und unter Freunden. All den rassistischen Sprüchen widersprechen, von denen immer behauptet wird, die wären gar nicht so gemeint.“

Das Internationale Auschwitz Komitee dankte den Menschen, die im ganzen Land protestierten.„Überlebende des Holocaust sind all denjenigen, die in diesen Tagen gegen den Hass und die Lügenwelt der Rechtsextremen auf die Straße gehen mehr als dankbar. Sie empfinden diese Demonstrationen als ein machtvolles Zeichen der Bürgerinnen und Bürger und eine Belebung der Demokratie, auf die sie lange gehofft und gewartet haben“, teilte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner am Samstagabend mit.

Auslöser für die Proteste sind die Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten.

Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. (dpa/KNA/Tsp)

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