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Patrick Graichen und Robert Habeck verstehen sich gut.

© dpa/Kay Nietfeld

Graichen und die Trauzeugen-Affäre: Deutschlands wichtigster Energiewende-Bürokrat hat sich selbst angezählt

Der wichtigste Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, steht wegen Vetternwirtschaft in der Kritik. Was wird jetzt aus Robert Habecks maßgeblichem Mann für Energiewende und Klimaschutz?

Von Jakob Schlandt

Der Chef hat Charme und kokettiert mit seiner weichen Seite, sein wichtigster Staatssekretär bringt die notwendige Härte mit. So lässt sich die Arbeitsteilung zwischen dem Grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Patrick Graichen gut beschreiben. Nun ist sie gefährdet – weil Graichen bei der Vergabe eines wichtigen Postens an seinen Trauzeugen entscheidend beteiligt war.

Eine gewisse Kompromisslosigkeit braucht es wohl, wenn man die Klimaschutztransformation durchsetzen möchte. Nachdem die Vorgängerregierung Verträge unterschrieb und Klimagesetze verabschiedete, ohne deren reale Einhaltung in die Wege zu leiten, ist der 51-jährige Graichen nun fürs Liefern verantwortlich – nebenbei das zentrale grüne Wahlversprechen.

Gasnetze stilllegen, fossile Heizungen zurückdrängen, den Erneuerbaren-Ausbau stark beschleunigen: All das trifft auf Widerspruch, von legitimen Bedenken bis zu grundsätzlicher Ablehnung. Graichen tritt Zweiflern gleichsam schroff entgegen. Im eigenen Ministerium ebenso wie bei Behörden, die er überwacht.

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Lobbyisten berichten von barscher Ablehnung durch Graichen

Erfahrene Lobbyisten berichten vielfach, derart barsche Ablehnung hätten sie noch nicht erlebt. Gemocht zu werden, ist offenbar keine Priorität von Graichen.

An seiner hohen Fachkompetenz gibt es indes kaum Zweifel. Zunächst sammelte er gut zehn Jahre lang Erfahrung im Umweltministerium. Von 2012 bis 2021 arbeitete er dann beim stiftungsfinanzierten Thinktank Agora Energiewende, ab 2014 als Chef.

Über zwei Jahrzehnte hat er ein enges Netz an Gleichgesinnten aufgebaut, auf die er sich inhaltlich und menschlich verlassen kann.

Dass einige dieser guten Drähte familiär sind, ist keine Neuigkeit. Beim von der Bundesregierung seit langer Zeit mit Aufträgen bedachten Öko-Institut arbeiten – ebenfalls seit Jahren – sein Bruder und seine Schwester.

Das war ein Fehler und ich bedauere diesen Fehler sehr.

Patrick Graichen über seine Beteiligung an der Postenvergabe an seinen Trauzeugen

Letztere ist mit dem grünen Parlamentarischen Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner verheiratet. „Familia Nostra“ nannte CDU-Generalsekretär Mario Czaja diese Verbindungen kürzlich. Doch Graichen kann nichts dafür, dass seine Geschwister im gleichen Umfeld arbeiten – und die Verbindung war stets transparent. Aus der Auftragsvergabe ans Öko-Institut hält er sich von Anfang an heraus.

Graichen und Habeck haben eine selbstverschuldetes Problem

Doch seit Donnerstag ist klar, dass Graichen und damit auch Habeck ein großes, selbstverschuldetes Problem haben, das die schrillen Vergleiche der Opposition im Nachhinein bestätigt. Graichen war maßgeblich, als Teil einer dreiköpfigen „Findungskommission“, daran beteiligt, einen wichtigen Posten an seinen langjährigen Freund und Trauzeugen zu vergeben.

Die Kommission schlug den Ex-Abgeordneten Michael Schäfer als neuen Chef der Deutschen Energie-Agentur vor. Nun wird die Vergabe neu gestartet. Formalrechtlich sei alles in Ordnung gewesen, behauptet das Ministerium, das erst reagierte, als längst Medienrecherchen liefen.

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Der Vorwurf der Vetternwirtschaft ist – anders als bei der alten Familienkonstellation – nun schlicht nicht mehr bestreitbar. Graichen sagt, er habe versäumt, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen: „Das war ein Fehler und ich bedauere diesen Fehler sehr.“

Ob das noch reicht? Selbst bei denen, die es mit Graichen gut meinen, wird gerätselt, wie ihm das passieren konnte. Er war schließlich vorgewarnt durch Berichte über seine Familienverbindungen. Aber das „war nur ein Aussetzer“. Graichen sei für Habeck unverzichtbar, meinen einige im grünen Umfeld.

Andere deuten den Vorgang symptomatisch, als Resultat einer Wagenburg-Mentalität. Wir, die Guten, gegen die da draußen. Das sei nicht nur ein Problem, wenn es zu Vetternwirtschaft kommt, sondern auch, weil abweichende Meinungen nicht mehr durchdringen. Das politische – und, wie sich zeigte, auch persönliche – Vorwarnsystem werde mit dieser Haltung weitgehend außer Kraft gesetzt, Fehler auf jeder Ebene seien die Folge.

Ist Graichen trotzdem unterm Strich noch ein Plus für Habeck? Ja, lautet die öffentliche Antwort des Ministers im Moment. Er stärkt ihm den Rücken, lobt überbordend seine Rolle als entscheidender Manager der Regierung in der Gaskrise. Aber Deutschlands wichtigster Energiewende-Bürokrat hat sich selbst angezählt.

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