zum Hauptinhalt
Geht es nach CDU und CSU, dann ist das erst kürzlich reformierte  Bürgergeld bald wieder Geschichte.

© dpa/Jens Kalaene/Bearbeitung Tagesspiegel

Grundsicherung statt Bürgergeld: Wie sinnvoll ist der neue Sozialkurs der Union?

CDU und CSU wollen weg vom Bürgergeld und schlagen eine „Grundsicherung“ vor, bei der Totalverweigerer keine Stütze mehr bekommen sollen. Ob das der richtige Weg ist, bewerten drei Experten.

Von
  • Verena Bentele
  • Michael Eilfort
  • Karl-Josef Laumann

Die CDU plant umfassende Änderungen am Bürgergeld. Dazu hat sie vor Kurzem das Konzept einer „Neuen Grundsicherung“ vorgelegt. Es sieht härtere Anforderungen für Bezieher des bisherigen Bürgergeldes vor, um diese schneller und effektiver in Arbeit zu bringen.

Unter anderem sollen sogenannte Totalverweigerer kein Bürgergeld mehr erhalten und das Vermögen der Bedürftigen soll künftig wieder für Berechnungen herangezogen werden.

Für dieses Konzept gab es unter anderem Kritik aus der SPD. Parteichef Lars Klingbeil sagte: „Die Höhe des Bürgergeldes ist durch einen Verfassungsgerichtsbeschluss festgelegt.“ Es sei richtig, dass der Staat Menschen in Not eine Absicherung gebe. Der Union warf Klingbeil vor, wirtschaftliche Stabilität und soziale Absicherung gegeneinander auszuspielen.

Verabschiedet sich die CDU mit ihrer neuen Grundsicherung von einer Sozialpolitik, die sich an christlichen Werten orientieren will? Und wie viel Einsparungen könnten mit diesem Konzept im Vergleich zum Bürgergeld erreicht werden? Experten geben Antworten auf diese Fragen. Alle Folgen der Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Union läutet den Wahlkampf ein – mit populistischen Mitteln

Der neue Sozialkurs der Union gefährdet den sozialen Frieden und kann die Gesellschaft spalten. Die CDU stiftet eine Neiddebatte an, die Ärmste und Arme gegeneinander ausspielt. Bürgergeldempfänger werden zum Feindbild der Arbeitenden mit wenig Einkommen erklärt.

Dieser Sozialkurs der CDU ist rückschrittlich und teils sogar gesetzeswidrig. Es kann keine politisch gesetzte Begrenzung der Regelsätze geben, denn das Existenzminimum ist verfassungsrechtlich geschützt.

Dass die Union zudem alle Schutzbarrieren beim Wohnraum und bei Ersparnissen beseitigen will, nimmt vor allem älteren Arbeitnehmern sowie Selbstständigen, die sich beruflich neu orientieren müssen, die soziale Absicherung.

Ebenfalls unsinnig ist die Vermittlung in Arbeit um jeden Preis. Dieses Vorgehen hatte in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass viele Menschen in prekären Jobs und kurz darauf wieder beim Jobcenter landeten.

Ohne Qualifizierung kann es keine erfolgreiche Vermittlung in Arbeit geben. Die CDU stellt sich gegen Erkenntnisse aus der Praxis. Und wofür? Ich habe den Eindruck, dass hier bereits der Wahlkampf eingeläutet wird – mit populistischen Mitteln.


Solidarität ist keine Einbahnstraße

Schon wegen des knapperen Geldes wäre ein „Weiter so“ beim Bürgergeld nicht gut. Es fließt als Grundsicherung zu Recht an wirklich Bedürftige, aber auch an nicht so Bedürftige. Für Sozialverbände, die sich gerne für „Erfolge“ zulasten Dritter feiern lassen, ist es nie hoch genug.

Die Dritten, von denen es getragen wird, sind jedoch auch Bürger, die arbeiten, Steuern zahlen und Sozialabgaben leisten. Die stellen sich Fragen, wenn Fehlanreize offensichtlich sind und der Eindruck entstehen kann, nehmende Bürger seien mitunter die Smarten und Gebende die Dummen.

Fördern und Fordern gehören zusammen.

Michael Eilfort, Vorstand der wirtschaftsliberalen Stiftung Marktwirtschaft

Solidarität ist keine Einbahnstraße, eine Grundsicherung kein bedingungsloses Grundeinkommen. Wer Hilfe braucht, muss sie bekommen – hat indes die Pflicht, sich mindestens darum zu bemühen, Bedürftigkeit durch eigene Anstrengungen zu reduzieren oder zu überwinden.

Manche können schlicht nicht (mehr) zum eigenen Auskommen beitragen. Aber für die, die nicht wollen und ein schlechtes Beispiel geben, braucht es Sanktionen. Fördern und Fordern gehören – wieder – zusammen.


Schlechte Sozialpolitik akzeptiert Arbeitslosigkeit

Gute Sozialpolitik macht eine Gesellschaft stark und widerstandsfähig. Sie garantiert Sicherheit für die Wechselfälle des Lebens, vor denen keiner gefeit ist.

Sie achtet darauf, dass Eigenverantwortung und Solidarität in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Solidarität ist ohne Eigenverantwortung nicht zu bezahlen. Und Eigenverantwortung ohne Solidarität unsozial. Deshalb muss ein Grundsicherungssystem in Zeiten von Arbeitskräftemangel an erster Stelle in Arbeit integrieren.

Schlechte Sozialpolitik akzeptiert in dieser Situation Arbeitslosigkeit. Deshalb braucht es eine verbindliche Kooperation zwischen Hilfebedürftigen und Jobcentern, die von beiden Seiten konsequent einzuhalten ist. Ich will, dass die Jobcenter den Fokus auf das Vermitteln in Arbeit legen.

Es spricht nichts dagegen, neben einem Sprach- oder Integrationskurs auch arbeiten zu gehen. Im Gegenteil: So gelingt Teilhabe an der Gesellschaft. Hier setzt das Bürgergeldsystem aktuell falsche Anreize. Das ist in Zeiten von Arbeitskräftemangel nicht vermittelbar

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false