zum Hauptinhalt
 Am 13. und 14. Februar 1945 wurde Dresden bei drei Bomberangriffen der Alliierten stark zerstört. Alljährlich gedenken die Dresdner mit verschiedenen Veranstaltungen daran.

© imago images/Sylvio Dittrich

Gedenken an die Bombardierung 1945: Dresdner Mahnmal-Posse um eine verschwundene Inschrift

Mitten am Tag wird in Dresden die Inschrift eines Mahnmals entfernt, das an die Opfer der Bombenangriffe von 1945 erinnert. Zunächst will niemand dafür verantwortlich sein.

Alles begann mit einer Flex. Am helllichten Tag machte sich ein Mann mit dem Werkzeug auf dem stark frequentierten Dresdner Altmarkt Anfang Januar an einer Bank aus Sandstein zu schaffen, so berichtete es das lokale Nachrichtenportal „Tag24“.

Es war nicht irgendeine Bank, sondern die zentrale Gedenkstätte für die Opfer der Dresdner Bombardements vom 13. und 14. Februar 1945, bei denen viele tausend Menschen durch Luftangriffe der Alliierten ihr Leben verloren. Mitten in der Dresdner Innenstadt raspelte also der Unbekannte mit seiner Flex die Inschrift des Mahnmals kurzerhand weg.

Der Lärm und die Staubwolke, die dabei entstand, rief laut „Tag24“ einen aufmerksamen Passanten auf den Plan. Der ältere Mann konfrontierte den Fremden und fragte ihn, was er da mache. Der Stadt habe die Inschrift nicht gefallen, soll dieser geantwortet haben. Was dann folgte, war ein öffentlicher Sturm der Entrüstung, der bald auch das Rathaus der sächsischen Landeshauptstadt erreichen sollte.

Der 13. Februar und die jährlich wiederkehrende Debatte

Es gibt wohl kaum ein Datum, das in Dresden jedes Jahr aufs Neue so sehr polarisiert wie der 13. Februar. Umfassende Luftangriffe alliierter Bomber legten das Zentrum der Elbmetropole auf etwa fünf Quadratkilometern in Schutt und Asche.

Für Spekulationen sorgt seither die Höhe der Opferzahl, die insbesondere von Rechtsextremen instrumentalisiert und zu hoch angesetzt wird – bei angeblich Hunderttausenden Toten. Historiker schätzen sie hingegen auf maximal 25.000 Opfer.

Jahr für Jahr stellt sich vielen Dresdnern und Dresdnerinnen die Frage, wie es gelingen kann, angemessen an die zahlreichen Opfer der schrecklichen Bomben-Nächte zu erinnern, ohne die deutsche Schuld am Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg aus den Augen zu lassen.

Rechtsextremisten nutzen das Datum alljährlich für ihre Zwecke. Mit NS-relativierenden Parolen wie „Bombenholocaust“ ziehen sie durch Dresden. Lange galt das braune Gedenken als der größte Neonazi-Aufmarsch Europas.

Mahnmal-Entfernung und was darauf folgte

Ist man sich dieses Hintergrunds bewusst, dürfte es wenig verwundern, dass das brachiale Entfernen der Mahnmal-Inschrift auf dem Altmarkt für Aufregung sorgte. Natürlich stellten sich viele die Frage: Wer ist dafür verantwortlich, wer hat das in Auftrag gegeben? Gar nicht so einfach zu beantworten, denn das Rathaus schwieg zunächst. Trotz wilder Gerüchte aus der rechten Ecke, die Stadt selbst wolle das Gedenken auslöschen.

Doch Presse- und Bürgeranfragen blieben von der Stadt unbeantwortet. In einer Sitzung des Ältestenrats einige Tage später erklärte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) gar den anwesenden Fraktionsvertretern, man wisse noch nicht, wer für die Entfernung verantwortlich sei.

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP)
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP)

© dpa/Sebastian Kahnert

Am selben Abend sorgte die Stadt dann doch noch für Aufklärung. Zumindest halbwegs. „Die Umgestaltung der Erinnerungsstätte für die Opfer der Luftangriffe des 13. und 14. Februar 1945 geschieht planmäßig“, hieß es in einer Mitteilung. Weitere Details würden erst am nächsten Tag bekannt gegeben. Eine „Katastrophe“ sei die städtische Kommunikation bei einem derart sensiblen Thema, kritisierten gleich mehrere Fraktionsspitzen und Stadträte.

„Nicht angemessen“

Am Folgetag, dem Dienstag vergangener Woche, dann endlich die lang erwartete Erklärung aus dem Rathaus: Das Mahnmal in seiner ursprünglichen Form sei „nicht angemessen“ gewesen. Schon 2018 sei man sich einig gewesen, dass die Bank mit der Inschrift „keine geeignete Form für die Erinnerungsstelle“ sei. Oft hätten Menschen vor der Inschrift gesessen oder sie sei beschmiert worden.

Das Areal mit dem Mahnmal gehört nach Angaben der Stadt dem Besitzer der Tiefgarage unter dem Altmarkt, der den Handwerker mit der Flex auch engagiert hatte – allerdings ohne die Verwaltung darüber in Kenntnis zu setzen. So sei es zu der Kommunikationspanne gekommen, erklärte die Stadt und räumte gleichzeitig Fehler ein. Am vergangenen Freitag wurde schließlich eine Metallstele auf dem Altmarkt errichtet, die die Inschrift der Bank ersetzen soll.

Rechtsextremisten instrumentalisieren Mahnmal-Posse

Dresden wäre nicht Dresden, wäre die Geschichte damit beendet. Am Wochenende brachten sächsische Akteure der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ mit Kleber kurzerhand eine eigene Gedenktafel auf der Sandsteinbank an. Der Original-Text der ehemaligen Inschrift war darauf zu lesen. Mit einer Ausnahme: Der Satz „Damals kehrte der Schrecken des Krieges, von Deutschland aus in die Welt getragen, auch in unsere Stadt zurück“ fehlte. Die Polizei prüfte laut dem Nachrichtenportal „Tag24“ eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.

Am Sonntagnachmittag rissen wütende Dresdner allerdings die improvisierte Gedenktafel der Rechtsextremen ab und entsorgten sie hinter einer Baustellenabsperrung. Ein Video der Abreiß-Aktion wurde unter anderem von den „Freien Sachsen“ geteilt – mit Konsequenzen.

Der sachsen-anhaltische AfD-Politiker Jan Wenzel Schmidt sprach auf der Plattform X von einer Schändung des Mahnmals. Für Hinweise zur Identifizierung aller „Täter“ versprach er 1000 Euro Belohnung. Ein privater Fahndungsaufruf, der nun ebenfalls von der sächsischen Polizei geprüft wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false