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Die Zahl der von der Polizei registrierten Straftaten im vergangenen Jahr ist einem Bericht zufolge um 5,5 Prozent auf 5,94 Millionen gestiegen.

© dpa/Moritz Frankenberg

Update

Faeser fordert hartes Durchgreifen gegen Gewalt: „Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen“

Seit Tagen wird über die Kriminalstatistik diskutiert. Polizeivertreter sorgen sich um die Beamten, die Union fordert Maßnahmen bei der Migration – doch Experten kritisieren die Datengrundlage.

Mehr Kriminalität, hoher Anteil ausländischer Tatverdächtiger: Der neue Polizeibeauftragte des Bundes hat mit Blick auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2023 davor gewarnt, die Beamten in Uniform aus dem Blick zu verlieren. „Die PKS zeigt, wie herausfordernd der Polizeiberuf ist. Die steigenden Zahlen im Bereich der Gewalttaten sind nicht nur Zahlen in der Statistik“, sagte Uli Grötsch (SPD) dem Magazin „stern“ vom Dienstag.

„Sie machen auch was mit den Menschen in den Uniformen. Deshalb ist ein Ausgleich zum harten Arbeitsalltag notwendig“, fuhr Grötsch fort. „Dabei denke ich etwa an mehr Raum für Supervision und modernere Arbeitsformen.“

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte die Statistik offiziell am Dienstag in Berlin vor. „Wir sind ein starker Rechtsstaat mit einer hervorragenden Polizei“, sagte Faeser. Sie forderte ein härteres Durchgreifen gegen Gewalt. Der starke Zuwachs der Gewaltkriminalität sei nicht hinnehmbar. Mit Blick auf den hohen Anteil der Ausländerkriminalität sagte Faeser: „Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen.“ Man müsse allerdings „ohne Scheu und ohne Ressentiments“ über das Thema sprechen. Laut „Bild“ sagte die Innenministerin in der Pressekonferenz auch: „Steigende Migration hat zu mehr Straftaten geführt.“

Innenministerin Nancy Faeser stellte am Dienstag offiziell die Kriminalstatistik für das Jahr 2023 vor.
Innenministerin Nancy Faeser stellte am Dienstag offiziell die Kriminalstatistik für das Jahr 2023 vor.

© REUTERS/LISI NIESNER

Die Zahl der von der Polizei registrierten Straftaten im vergangenen Jahr ist einem Bericht zufolge um 5,5 Prozent auf 5,94 Millionen gestiegen. Das geht demnach aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 hervor, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag offiziell vorstellt und aus der die „Welt am Sonntag“ vorab zitiert hatte.

Die angespannte Sicherheitslage und die Kriminalitätsentwicklung zeigen, dass unverzüglich in mehr Personal, mehr Befugnisse und schnellere digitale Abläufe investiert werden muss.

 Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Die Zahl der Tatverdächtigen stieg dem Bericht zufolge im Vergleich zum Vorjahr um 7,3 Prozent auf 2,246 Millionen. Von diesen besaßen demnach 923.269 keinen deutschen Pass, das sind rund 41 Prozent. 

Die steigende Zahl von Gewalt- und Eigentumsdelikten muss aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Konsequenzen haben. „Die angespannte Sicherheitslage und die Kriminalitätsentwicklung zeigen, dass unverzüglich in mehr Personal, mehr Befugnisse und schnellere digitale Abläufe investiert werden muss“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke, der Nachrichtenagentur dpa.

„Wir brauchen mehr Geld für Prävention, eine schnellere Strafverfolgung und moderne, wirkungsstarke Sicherheitsbehörden“, fügte er hinzu und verwies in diesem Zusammenhang auf den gestiegenen Anteil junger Tatverdächtiger.

Hier seien neben der Bundesregierung und dem Bundestag auch die Finanz- und Innenminister der Länder in der Pflicht. „Die Zunahme der Gewaltkriminalität mit mehr jungen Tatverdächtigen, einem gestiegenen Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger und erheblich mehr Wohnungseinbruchdiebstählen verdeutlicht, dass der Kampf um Wohlstand begonnen hat und das Recht des Stärkeren populärer wird“, sagte Kopelke weiter.

Union fordert bessere Steuerung von Migration

Angesichts der Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger hat die Union die Regierungskoalition zum Handeln in der Migrationspolitik aufgerufen. „Wir haben da ein Problem – das hat auch mit Migration zu tun“, sagte Unionfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“.

Auf dieser Basis zu sagen, Deutschland sei unsicher geworden, halte ich für Unsinn.

Martin Thüne, Kriminologe aus Kiel, will die PKS durch eine bessere Erhebung ersetzen

„Wir müssen Migration besser steuern, wir müssen wissen, wer in unser Land kommt“, fügte sie hinzu. Deutschland stoße mit seiner „Integrationsfähigkeit“ an seine „Grenzen“, sagte Lindholz weiter. Integration und Prävention kosteten „immens viel Kapazitäten, die wir realistisch gesagt gar nicht haben“, fügte sie hinzu.

„So viele Personen stehen gar nicht zur Verfügung.“ Integration und Prävention könne bei Einzelnen geleistet werden, aber „nicht in der breiten Masse“, sagte Lindholz weiter.

„Problematische Datengrundlage“: Experten kritisieren Kriminalstatistik

Experten wie Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht und Kriminologie, warnen derweil davor, der PKS zu viel Bedeutung beizumessen. Die Statistik spiegele nur eine polizeiliche Bewertung wider, es fehle die Betrachtung der Justiz, sagte er in einem ARD-Interview.

„Es kann auch sein, dass es mehr Anzeigen gibt, aber nicht mehr Täter.“ Diese führe dazu, dass die Kriminalstatistik „massiv überinterpretiert“ werde, sagte Singelnstein.

Der Kieler Kriminologe Martin Thüne will die PKS in ihrer jetzigen Form abschaffen und durch eine bessere Datengrundlage ersetzen. Generell sei die Polizeiliche Kriminalstatistik „eine problematische Datengrundlage“, sagte Thüne der „Frankfurter Rundschau“ (Mittwochsausgabe). „Auf dieser Basis zu sagen, Deutschland sei unsicher geworden, halte ich für Unsinn.“ Er plädiere stark dafür, „dieses PKS-System radikal infrage zu stellen, sich zusammenzusetzen und etwas Neues zu entwickeln“.

Vorschläge dazu gebe es seit Jahrzehnten. Thüne verwies darauf, dass die Statistik „in der Öffentlichkeit polarisiert“. Es würden daraus Maßnahmen abgeleitet, „die auf dieser Datengrundlage besser nicht abgeleitet werden sollten“, fügte er hinzu. „Die PKS ist unvollständig, verzerrt, potenziell manipulierbar und ungewichtet“, so das Urteil des Wissenschaftlers.

Bei der Erfassung ausländischer Tatverdächtiger ist die Statistik nach Ansicht Thünes „systematisch verzerrt“. Als ein Problem nannte er, dass „zumindest in der öffentlichen und politischen Debatte die Zahl von ausländischen Tatverdächtigen regelmäßig ins Verhältnis gesetzt wird zur ausländischen Wohnbevölkerung – also zum Beispiel 40 Prozent an den Tatverdächtigen bei nur 15 Prozent in der Gesamtbevölkerung“.

Dabei würden aber viele Taten von Tatverdächtigen erfasst, die gar nicht in Deutschland lebten. „Das sind reisende Tätergruppen, das sind Touristen, das sind Stationierungskräfte, das sind Pendler“, so Thüne. Deswegen werde der Anteil an den Tätern immer größer sein als der Anteil an der Wohnbevölkerung. (lem, fki, AFP)

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