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Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit

© dpa/Photothek/Janine Schmitz

Erfolgreich in der Krise: Politische Aufsteiger des Jahres 2022

Es war ein nervenaufreibendes Jahr – doch es hat auch politische Gewinner hervorgebracht. Wer ist aufgestiegen? Eine Auswahl.

Krieg, Krise – und noch immer Corona: Das zurückliegende Jahr war für die Politik eine enorme Herausforderung. Wer hat es geschafft, als Gewinner aus 2022 hervorzugehen?


Andrea Nahles (SPD)

Die Boxerweisheit „They never come back“ – „Sie kehren niemals zurück“ gilt nicht für die Politik, zumindest nicht für Andrea Nahles. Die frühere SPD-Partei- und Fraktionschefin ist gut drei Jahre nach ihrem Rücktritt Anfang Juni 2019 zurück auf der ganz großen politischen Bühne, trat am 1. August ihr Amt als Chefin der Bundesagentur für Arbeit an und mischt wieder mit in den Debatten der Republik. Nahles ist für diesen Job qualifiziert wie wenige andere: Seit die damalige Juso-Chefin 1998 in den Bundestag einzog, macht sie Arbeits- und Sozialpolitik, war später Bundesarbeitsministerin.

Nach ihrem Rückzug aus der Politik hatte Nahles der SPD einen großen Gefallen getan: Sie kommentierte deren Agieren nicht von der Seitenlinie. Nun kann die 52-Jährige wieder selbst Politik gestalten – etwa in diesen Tagen mit dem Vorschlag, Fachkräfte aus dem Ausland nicht nur zu holen, sondern auch zu halten.


Annalena Baerbock (Grüne)

Annalena Baerbock ist wieder obenauf. Als Kanzlerkandidatin der Grünen erlebte sie 2021 eine politische Achterbahnfahrt, an deren Ende sie Olaf Scholz und Robert Habeck den Vortritt lassen musste.

Zum Ende ihres ersten Jahres als Außenministerin gaben nun 26 Prozent in einer repräsentativen Online-Umfrage an, die 42-Jährige habe sie am meisten positiv überrascht. Der ersten Frau an der Spitze des Auswärtigen Amts ist es gelungen, Deutschland mit neuem Stil und Sprache zu repräsentieren.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne)

© Imago/Thomas Koehler

Es bleiben viele Bilder. Baerbock barfuß am Strand von Palau, Baerbock beim Melonenschleppen in Niger, Baerbock mit schusssicherer Weste in der Ukraine. Auch ihre Auftritte vor den UN und mit Russlands Außenminister brachten ihr parteiübergreifend Lob.

Doch es gibt auch Mäkeleien. Bei den Iran-Protesten zögerte sie lange mit Sanktionen, noch immer fehlt eine neue China-Strategie. Diplomatie besteht nicht nur aus Worten, sondern muss auch politisch unterfüttert werden – sonst könnte sich Baerbocks Achterbahnfahrt 2023 fortsetzen.


Johannes Vogel (FDP)

Die FDP war bis vor wenigen Jahren eine ziemliche One-Man-Show, für viele war der Vorsitzende Christian Lindner das einzige bekannte Gesicht der Partei. Seit einiger Zeit arbeiten die Liberalen daran, andere Politiker aus ihren Reihen bekannter zu machen.

Einer davon: Johannes Vogel. Seit 2021 ist er Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Während Wolfgang Kubicki und andere die traditionelle Parteilinie vertreten, bricht Vogel dosiert mit den Stereotypen.

Der FDP-Politiker Johannes Vogel

© dpa/Michael Kappeler

Im Tagesspiegel plädierte er vor Kurzem beispielsweise für eine bessere Radinfrastruktur in Städten – auch, um das Auto stehenzulassen. In der Partei gilt er als Hoffnungsträger. Sein größter Erfolg bislang war wohl der Landtagswahlkampf der FDP 2017 in Nordrhein-Westfalen, den er als Generalsekretär mitverantwortet hat. Damit hatte die Landes-FDP der Bundespartei den Weg zurück ins Parlament geebnet.


Hendrik Wüst (CDU)

2022 war Hendrik Wüsts Jahr. Der 47-jährige Jurist war zunächst nur als Nachfolger von Armin Laschet als Ministerpräsident in NRW ins Amt gekommen.

Doch bei der Landtagswahl im Mai holte er das Amt auch aus eigener Kraft. Die CDU landete auf Platz 1, Wüst schmiedete die erste schwarz-grüne Koalition in NRW. Als Ministerpräsident des bevölkerungsstärksten Bundeslandes ist er ein möglicher Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2025.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)

© dpa/Boris Roessler

Er gilt als Hoffnungsträger, auch wenn seine Reden keine Begeisterungsstürme in der Partei hervorrufen. Wüst präsentiert sich als Mann der Mitte. Er zählt zu einer jungen Generation von CDU-Politikern, die für die parteiinterne Frauenquote kämpften, sich von Kulturkampfparolen tunlichst fernhalten und viel über Klimaschutz reden.

Doch wenn in NRW sein Weg noch nicht zu Ende sein soll, muss Wüst jetzt beweisen, dass er das Bundesland mit seiner selbst ernannten „Zukunftskoalition“ auch regieren kann.


Lars Klingbeil (SPD)

In dem einen Jahr seit seiner Wahl zum Ko-Vorsitzenden der SPD hat Lars Klingbeil viel programmatischen Ehrgeiz entwickelt. Der 44-jährige Niedersachse hatte sich schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine vorgenommen, die Außen- und Sicherheitspolitik der SPD neu aufzustellen.

Seit Olaf Scholz die Zeitenwende ausgerufen hat, setzt der pragmatische Politiker eigene Akzente und stemmt sich gegen die in der SPD verbreitete Tendenz, vor lauter Sehnsucht nach einer besseren Welt die harten sicherheitspolitischen Aufgaben zu missachten.

SPD-Chef Lars Klingbeil

© dpa/Kay Nietfeld

Nun will Klingbeil das Verhältnis der SPD zur Bundeswehr verbessern, schreibt Deutschland die Rolle einer Führungsmacht zu. Nicht jedem in der Partei gefällt seine wertegeleitete Realpolitik, doch diese könnte nicht nur die SPD, sondern auch die deutsche Sicherheitskultur positiv verändern.


Klaus Müller (Grüne)

Kälter hätte das Wasser nicht sein können, in das Klaus Müller am 21. Februar geworfen wurde. Drei Tage vor Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ernannte der Beirat der Bundesnetzagentur Müller zu ihrem neuen Präsidenten. Eigentlich ist es „nur“ der Vorsitz einer Bundesbehörde mit 3000 Mitarbeitern, doch weil der Kreml Gas, Öl und Kohle als Waffe gegen den Westen einsetzt, steht Müller direkt im Zentrum der Krise.

Klaus Müller (Grüne), Präsident der Bundesnetzagentur

© dpa/Rolf Vennenbernd

Seine Behörde übernimmt treuhänderisch den Gasversorger Gazprom Germania und muss Gasnotfallpläne erstellen. Für diese Aufgabe interpretiert er seine Rolle anders als seine Vorgänger. Im Akkord gibt er Interviews, ruft die Öffentlichkeit unermüdlich zum Sparen auf und setzt politische Impulse.

Klaus Müller ist, wenn man so will, zum Christian Drosten der Energiekrise geworden. Sein langes Vertrauensverhältnis zu Wirtschaftsminister Robert Habeck hilft ihm für seine Aufgabe, die ihn auch 2023 fordern dürfte.

Hier lesen Sie, wer dieses Jahr zu den politischen Verlierern gehört hat.

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