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Hubertus Heil und Andrea Nahles besuchen eine Berliner Baufirma.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Hubertus Heil und Andrea Nahles besuchen Berliner Baufirma: „Wir brauchen die Leute mit Migrationsgeschichte“

Immer mehr Betriebe schlagen Alarm: Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, Fachkräfte fehlen allenorts. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gelobt Besserung.

Zwar ist fast Mitte Oktober, doch er läuft immer noch, der „Sommer der Ausbildung“. Im Rahmen dieses im Mai gestarteten Projekts absolvierten Arbeitsminister Hubertus Heil und seine Vorgängerin Andrea Nahles, die heutige Leiterin der Bundesagentur für Arbeit, am Dienstag einen gemeinsamen Ortstermin:

Bei tatsächlich fast spätsommerlichem Wetter besuchten die alten Partei-Freund:innen die Baufirma K.Rogge im Industriegebiet in Charlottenburg Nord.

Klaus-Dieter Müller, Geschäftsführer des Unternehmens mit rund 170 Mitarbeiter:innen stand den Arbeits-Expert:innen Rede und Antwort zur aktuellen Situation seiner Branche - und monierte allen voran ein Defizit beim Nachwuchs. 16 bis 20 Auszubildende hat die Firma jeweils gleichzeitig, stellt jährlich bis zu neun neue ein.

„Wir wissen, dass es Abbrüche gibt, es ist ein harter Job. Nicht jedem ist es in die Wiege gelegt, täglich um halb sieben Uhr morgens auf der Baustelle zu stehen.“ Am liebsten würde er doppelt so viele junge Menschen ausbilden, sagt Müller.

„Viele verlassen uns ja noch während oder nach der Ausbildung, wenn mir von 40 die Hälfte bliebe, dann wäre das top.“ Ein besonderer Kritikpunkt des gelernten Stuckateurmeisters in Richtung Schulischer Ausbildung: Die zielgerichtete Unterstützung von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte fehle.

Motivierte und begabte Leute scheitern oft wegen mangelnder Sprachkenntnisse an ihrer handwerklichen Ausbildung. Was wir brauchen ist fachsprachlicher Sprachunterricht.

Klaus-Dieter Müller, Geschäftsführer K.Rogge

„Es gibt zwar Sprachunterricht, aber keinen fachsprachlichen Unterricht. Das ist immer wieder ein Grund dafür, dass motivierte und begabte Leute an ihrer handwerklichen Ausbildung scheitern.“ Erst jüngst habe seine Firma zwei Auszubildende dadurch verloren, dass diese den Anschluss in der Berufsschlüsse verpasst hätten.

„Praktisch hätten sie das locker gepackt, sprachlich hat es dann nicht gereicht. Das sind enorme Verluste in unserer Branche, der demographische Wandel schlägt sich bei uns extrem nieder, wir brauchen die Leute mit Migrationsgeschichte, ich kenne niemanden, der etwas anderes sagt.“

Die Anerkennung ausländischer Zeugnisse nimmt immer noch viel Zeit in Anspruch

Ein weiteres Problem, dass häufig im Zusammenhang mit zugewanderten Arbeitskräften auftaucht, ist die Anerkennung ausländischer Zeugnisse, die sich oft schier endlos zieht. Da müsse jetzt aufs Gas gedrückt werden, reagierte Hubertus Heil rigoros im Hinblick auf das bereits allzu lang bekannte Ärgernis.

„Diese Lahmarschigkeit können wir uns in Deutschland einfach nicht mehr leisten, da brauchen wir eine neue Gesetzgebung.“ Ab 2025 gehen peu à peu rund 18 Millionen Babyboomer in Rente.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC könnten bis 2035 fast 1,8 Millionen Fachkräfte fehlen - und schon jetzt ist die Situation angespannt.

Es gebe deutlich mehr Bewerbungsplätze als Bewerber:innen, sagte Andrea Nahles. Und die Situation verschlimmere sich, der Überhang der Nachfrage wachse stetig. Ein weiteres Problem seien die vielen jungen Menschen zwischen 20 und 30, die noch unversorgt seien.

Um diesem beizukommen sei eine „behütete Belagerung“ von Nöten, zitierte Hubertus Heil zitierte den früheren Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit. „Uns dürfen nur möglichst wenig junge Leute durch die Ritzen fallen.“

Datenschutz darf nicht der Zukunft von jungen Leuten entgegenstehen.

Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister

Dafür benötige der Bund aber Hilfe, appellierten Heil und Nahles eindringlich an die Länder. Außer in Hamburg un Bremen sei bislang noch nirgends möglich, die Daten der Schüler:innen weiterzugeben, damit die Bundesagentur die „Unversorgten“ konkret ansprechen könne.

„Das kann nicht sein, Datenschutz darf nicht der Zukunft von jungen Leuten entgegenstehen“, echauffierte sich Heil. „Vierzehn Länder müssten doch einfach nur ein Gesetz abschreiben.“

Aufgrund der aktuellen Situation bereite sich die Bundesagentur für Arbeit auf deutlich mehr Arbeit in den Jobcentern, mehr ergänzende Leistungen und Aufstocker:innen vor, erklärte Andrea Nahles. „Die Rezession wird kommen, aber wir können sie abmildern.“

Die Chefin der Agentur für Arbeit hatte neben all den trüben Zukunftsaussichten jedoch auch eine positive Nachricht zu vermelden: „Noch nie haben so viele Menschen wie jetzt in Deutschland sozialversicherungspflichtig gearbeitet.“

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