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Dmitri Medwedew attackiert Deutschland nach dem Taurus-Leak bei der Bundeswehr.

© dpa/EKATERINA SHTUKINA

Dmitri Medwedews Propaganda zum Taurus-Leak: Deutsche Verteidigungspolitiker warnen vor russischem „Informationskrieg“

Der Putin-Vertraute Medwedew wirft Deutschland Kriegsvorbereitungen vor. Die Verteidigungsexperten im Bundestag vermuten dafür unterschiedliche Motive.

Seinen Spionage-Erfolg schlachtet das russische Regime genüsslich aus. „Deutschland bereitet sich auf den Krieg gegen Russland vor“, sagte Dmitri Medwedew, der stellvertretende Leiter des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, bei Telegram.

Russlands ewige Gegner, die Deutschen, schreibt Medwedew an die Abonnenten seines Kanals, verwandelten sich erneut in ewige Feinde. „Schauen Sie sich an, mit welcher Gründlichkeit und mit welchen Details die Fritzen Schläge auf unser Territorium unter Benutzung von Raketen erhöhter Reichweite diskutieren.“

Zuvor hatten russische Staatsmedien einen 38 minütigen Mitschnitt einer Video-Konferenz veröffentlicht. In dem Gespräch diskutieren der Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz und weitere drei Bundeswehr-Offiziere, wie die ukrainische Armee deutsche Taurus-Marschflugkörper einsetzen könnte, sollte sich die Bundesregierung dazu entschließen, diese zu liefern. Die Runde diskutiert dabei auch intensiv, wie deutsche Soldaten der Ukraine dabei helfen können, mit dem Marschflugkörper die Kertsch-Brücke zur Krim zu zerstören.

Berlin war auf Attacken vorbereitet

Nach Bekanntwerden der wohl authentischen Aufnahme hatte man in Berlin mit russischen Propaganda-Attacken gerechnet. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht die Abhöraffäre bei der Bundeswehr als Teil eines „Informationskrieges“, den Russlands Präsident Wladimir Putin gegen Deutschland führe. „Es handelt sich um einen hybriden Angriff zur Desinformation – es geht um Spaltung, es geht darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben“, sagte Pistorius am Sonntag in Berlin.

„Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen.“ Deshalb müsse man besonnen reagieren, sagte Pistorius weiter, „aber nicht weniger entschlossen“. Grundsätzlich müsse sich Deutschland auf „jede Form von Krieg“ einstellen, sagte er mit Blick auf das russische Vorgehen.

Rätselraten über Russlands Motive

Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter vermutet, dass Medwedew mit seiner Warnung vor einem deutschen Angriff Einfluss auf die deutsche Politik nehmen will. „Bei all dem muss man sich im Klaren sein, dass es um russische Propaganda geht, die die deutsche Bevölkerung verunsichern soll“, sagte Hofreiter dem Tagesspiegel. „Russland will damit die Landesverräter von der AfD und andere außenpolitisch Verwirrte stärken.“

CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter vermutet hingegen primär innenpolitische Motive für den Leak. Russland versuche damit, die Aufmerksamkeit von den Trauerbekundungen für den gestorbenen russischen Oppositionellen Alexei Nawalny abzuziehen. Zudem versuche Medwedew das Feindbild des Westens im Vorfeld der Scheinwahlen zu prägen. „Das ist also Propaganda, die vor allem nach innen gerichtet ist, davon sollten wir uns in Deutschland keinesfalls beeinflussen lassen.“

Plädoyer für Gelassenheit

Auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann warb dafür, die russischen Verbalattacken weitgehend zu ignorieren. „Was immer wir tun oder nicht tun, wird Russland gegen uns ins Feld führen, daher bleibt es wichtig, dass wir uns nicht nach deren Stimmungslage richten, sondern unser Ziel verfolgen, die Ukraine uneingeschränkt zu unterstützen“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages.

Zugleich kritisierte Strack-Zimmermann Olaf Scholz für seine Ablehnung von Taurus-Lieferungen. Der Kanzler müsse jetzt erkennen, dass seine Zurückhaltung Putin gegenüber nicht „belohnt“ werde. „Das Gegenteil ist der Fall. Er greift uns per Cyber gezielt an.“

Agnieszka Brugger, Vize-Fraktionschefin der Grünen, bezeichnete die Aussagen von Medwedew als „üble und unwahre Propaganda“. „Einmal mehr zeigt sich, dass Deutschland ein zentraler Ort ist, an dem der Kreml mit Desinformation, Destabilisierung und Spionage versucht, unsere Gesellschaft zu spalten und Angst zu schüren“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Den Gefallen, dieses zynische und böse Kalkül aufgehen zu lassen, sollten und werden wir Putin ganz sicher nicht tun.“

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