zum Hauptinhalt
Die Vorsitzenden der Links-Partei, Janine Wissler und Martin Schirdewan, fordern Maßnahmen, um den Rechtspopulismus einzudämmen.

© Imago/Mike Schmidt

Umfrage-Erfolge der AfD: Linke fordert grundlegenden Politikwechsel der Ampel

Die Linke appelliert an die Koalition: Die hohen Zustimmungswerte für die AfD seien ein „dramatisches Alarmsignal für Demokratie und soziale Gerechtigkeit“.

Seit Wochen steigen die Umfragewerte der AfD, sie kratzt an der 20-Prozent-Marke, liegt teilweise vor der SPD und konnte erstmals sogar eine Landratswahl für sich entscheiden. Wegen des aktuellen Erfolgs der Populisten fordern die Parteivorsitzenden der Linken, Janine Wissler und Martin Schirdewan, von der Bundesregierung einen grundlegenden Politikwechsel hin zu sozialen Themen, um den Rechtspopulismus einzudämmen.

Das schreiben die Parteichefs in einem Positionspapier mit dem Titel „Dem Rechtsruck entgegentreten“, das sie am Samstag dem 26-köpfigen Parteivorstand zur Abstimmung vorlegen wollen und über das das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berichtet. Die hohen Zustimmungswerte für die AfD seien ein „dramatisches Alarmsignal für Demokratie und soziale Gerechtigkeit“, schreiben sie darin.

Wissler und Schirdewan sehen die „extreme Rechte“ längst als „eine bundes- und europaweite Herausforderung“ und nicht mehr als „lokales Problem bestimmter Regionen, auch wenn es unterschiedliche starke Ausprägungen gibt“, heißt es in der Beschlussvorlage. Sie fordern deshalb eine „umfassende Unterstützung für die Zivilgesellschaft“ und kritisieren unterfinanzierte Strukturen, zu kurze Förderzeiträume und ständig von Kürzungen bedrohte Projekte.

Offenbar hat man bei der Ampel im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst.

Martin Schirdewan, Co-Chef der Linken

„Projekte der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, Opferberatungen und zivilgesellschaftliche Demokratiebündnisse sowie Initiativen müssen mit einem echten Demokratiefördergesetz stärker und langfristig finanziell unterstützt werden“, heißt in dem Papier.

Das Demokratiefördergesetz wurde bereits im Dezember vom Kabinett beschlossen und Mitte März in erster Lesung im Bundestag behandelt, aber noch nicht beschlossen. Die Linken-Spitze sieht den Hauptbremser in der FDP und schreibt dazu im Positionspapier: „Die FDP blockiert immer noch das überfällige Demokratiefördergesetz und will die schikanöse Extremismus-Klausel wiederbeleben, die ausgerechnet antirassistische und antifaschistische Initiativen unter Generalverdacht stellt“.

Linken-Parteichef Martin Schirdewan mahnte gegenüber dem RND, es sei dringend nötig, die engagierte Zivilgesellschaft langfristig zu unterstützen. „Denn alle Mittel, die im Rahmen des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Rassismus aufgelegt wurden, laufen in diesem beziehungsweise spätestens im nächsten Jahr aus, ebenso die Mittel aus dem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“, kritisierte Schirdewan.

Dabei handelt es sich nach seinen Worten vor allem um Projekte gegen Verschwörungserzählungen und Desinformation, die den ideologischen Nährboden der Rechten bilden würden.

„Dass es SPD und Grüne noch nicht einmal geschafft haben, wenigstens bei den Ausgaben für die Verteidigung der Demokratie, die parteigewordene Investitionsblockade FDP aus dem Weg zu räumen, wirft die Frage auf, auf welchem Feld diese Koalition eigentlich überhaupt noch für eine fortschrittliche Politik steht“, so Schirdewan.

Neben dauerhafter staatlicher Förderung von Initiativen gegen Rechtsextremismus fordert die Linke von der Bundesregierung, nicht länger „Rechten, Konservativen und ihren Kampagnen“ hinterherzulaufen, sondern „offensiv soziale Themen anzugehen“, „um der großen Mehrheit der Menschen Verlässlichkeit im nötigen Umbau unserer Gesellschaft in Richtung Klimagerechtigkeit zu bieten“.

Linke sieht Fundament des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Gefahr

In der Beschlussvorlage heißt es: „Dort, wo Schulen marode sind, das Krankenhaus schließt und die Verwaltung nicht funktioniert“ stehe das Fundament gesellschaftlichen Zusammenhalts zur Disposition.

Schirdewan sagte dazu, die Bundesregierung sei gerade dabei, in der Sackgasse auch noch aufs Gas zu treten. Die Mischung aus angedrohter Kürzungspolitik, wachsender Verunsicherung und rechtsextremen Sprücheklopfern mit vermeintlich einfachen Antworten sei brandgefährlich.

„Offenbar hat man bei der Ampel im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst. Statt dem rechten Kulturkampf immer wieder nachzugeben, muss die Regierung klare Kante zeigen und endlich massiv in eine gemeinsame Zukunft und soziale Sicherheit investieren“, betonte der Parteichef.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte am Mittwochabend der These widersprochen, dass das Umfragehoch der AfD auf den monatelangen Koalitionsstreit beim Heizungsgesetz zurückzuführen ist. In der ARD-Talkshow „Maischberger“ sagte Lindner, es hätte die AfD noch viel mehr gestärkt, den ursprünglichen Gesetzentwurf ohne Debatte durch den Bundestag zu peitschen. „Das Heizungsgesetz jetzt korrigiert zu haben, (...) ist ein Beitrag dazu, die AfD wieder kleiner zu machen.“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte zuvor davor gewarnt, das Umfragehoch der AfD als ostdeutsches Phänomen zu stigmatisieren. „In vielen Bundesländern gibt es eine ähnliche Tendenz, in West und Ost“, sagte der Linken-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Empörung und Alarmismus würden da wenig helfen – „das führt nicht dazu, zu reflektieren, was gesellschaftlich falsch läuft“. Die Thüringer AfD zeigt nach Auffassung von Ramelow, „wie sich die AfD zu einer modernen faschistischen Partei wandelt“.

In einer repräsentativen Umfrage für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) kam die AfD aktuell auf einen neuen Höchstwert von 34 Prozent in Thüringen. Vom Landesamt für Verfassungsschutz wird die Partei mit ihrem Chef Björn Höcke als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet. (lem)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false