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Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

© Reuters/Louisa Off

Update

Aiwanger zur Flugblatt-Affäre: „Ich soll politisch und persönlich fertiggemacht werden“

In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz hat Bayerns Vize-Ministerpräsident Stellung zur Flugblatt-Affäre genommen. Einen Rücktritt lehnt er ab, entschuldigt sich aber.

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Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat sich in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten entschuldigt. Er bereue zutiefst, wenn er durch sein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehen Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen ihn aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe, sagte Aiwanger am Donnerstag in München. Von einem möglichen Rücktritt war in seinem kurzen Statement keine Rede.

Er sprach auch von einer „politischen Kampagne“ gegen ihn. „Ich habe den Eindruck, ich soll politisch und persönlich fertiggemacht werden“, sagte Aiwanger. Er sei nie ein Antisemit oder Menschenfeind gewesen.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang kritisierte Aiwangers Statement. Sie sagte auf einem Volksfest in Nürnberg, Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht auf eine Landesregierung mit Anstand. Dazu gehöre, „dass man sich ehrlich entschuldigt, dass man alle Informationen auf den Tisch legt und dass dann auch Konsequenzen daraus gezogen werden“. Das vermisse sie bisher - „beim stellvertretenden Ministerpräsidenten, aber ehrlicherweise auch beim Ministerpräsidenten“, sagte Lang mit Blick auf Aiwanger und Regierungschef Markus Söder.

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, reagierte ebenfalls enttäuscht auf Aiwangers „kurze Erklärung“. Sie komme sehr spät und sei in Wirklichkeit keine. „Erst bekundet Aiwanger Reue, dann stellt er sich doch wieder als Opfer dar. Geklärt ist bislang nicht viel, die Konsequenzen sind offen.“ Jetzt seien Haltung und Führung von Ministerpräsident Söder gefragt. Von dem „sonst so lauten“ Söder sei wenig zu hören. Das schade der Demokratie insgesamt. „Die Causa Aiwanger ist nicht vorbei“, betonte Mast.

25 Fragen zu den Vorwürfen

Aiwanger hatte bereits am Samstag schriftlich zurückgewiesen, als Schüler in den 1980er ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der zusammen mit den Freien Wählern regiert, hatte Aiwanger am Dienstag aufgefordert, 25 Fragen zu den Vorwürfen zeitnah schriftlich zu beantworten. In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt.

Gegen den Chef der Freien Wähler waren zuletzt weitere Vorwürfe zu seiner Schulzeit laut geworden waren. Auf Aiwangers Account im Online-Netzwerk X (früher Twitter) wurde am späten Mittwochabend folgende Nachricht veröffentlicht: „Es wird immer absurder. Eine andere Person behauptet, ich hätte Mein Kampf in der Schultasche gehabt. Wer lässt sich solchen Unsinn einfallen!?“ In aller Regel verfasst der Freie-Wähler-Chef sämtliche Posts selbst. Ob das auch diesmal der Fall war, dafür gab es zunächst keine Bestätigung.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte zuvor eine nicht namentlich genannte frühere Mitschülerin Aiwangers zitiert, dieser habe oft Adolf Hitlers „Mein Kampf“ in der Schultasche mit sich geführt. Sie könne dies bestätigen, weil sie das Buch selbst in der Hand gehalten habe.

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Nach Informationen der „Bild-Zeitung“ hatte Aiwanger am Donnerstag mehrere Termine in seiner Funktion als Minister abgesagt. Die SPD fordert bereits seinen Rücktritt.

Im bayerischen Landtag wird es am Donnerstag kommender Woche (7. September) eine Sondersitzung zu dem Thema geben. Landtagspräsidentin Ilse Aigner werde auf Antrag von Grünen, SPD und FDP den sogenannten Zwischenausschuss einberufen, teilte der Landtag am Donnerstag mit.

„Das, was täglich Stück für Stück das Licht der Welt erblickt, ist eine Geisteshaltung, die nur noch eine Konsequenz haben kann: Rücktritt“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Donnerstag.

Mittlerweile schüttelten Anhänger der Freien Wähler in den anderen Bundesländern „nur noch mit dem Kopf und sind fassungslos über Aiwanger“, fügte er hinzu. Bliebe der Chef der Freien Wähler noch länger im Amt, „wird das auch für Markus Söder mehr und mehr zum Problem“, sagte Wiese.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf, mit Blick auf eine weitere Zusammenarbeit mit Aiwanger Stellung zu beziehen.

„Es liegt jetzt bei Markus Söder, ob er Regierungschef einer staatstragenden, in der Mitte stehenden Partei sein will, oder ob er jemanden im Kabinett haben will, der zum rechten Populismus hin offen ist“, sagte Habeck der „Augsburger Allgemeinen“ vom Donnerstag. „Das ist eine Frage der politischen Haltung, nicht der politischen Taktik“, fügte er hinzu.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wiederholte eine Formulierung von CDU-Parteichef Merz und sagte, es handele sich um eine „höchst unappetitliche Geschichte“ und forderte von Aiwanger auch eine Erklärung zu einer Aussage von Mittwoch. 

Dem Sender Welt-TV hatte der Freie-Wähler-Chef am Rande eines Termins gesagt: „Es ist auf alle Fälle so, dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann, was als 15-Jähriger hier mir vorgeworfen wird.“ Er betonte allerdings: „Aber auf alle Fälle, ich sag' seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte: kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund.“ Er könne „für die letzten Jahrzehnte alle Hände ins Feuer legen“.

Dobrindt sagte nun mit Blick auf Aiwanger: „Ich finde, er sollte über diesen Satz, (...) vielleicht noch mal etwas Erklärendes hinzufügen.“ Der Landesgruppenchef ergänzte: „Dieser Satz ist nicht nur für mich, glaube ich, sondern für viele andere auch verstörend, weil er Interpretationen zulässt. Da muss er erst mal für Klarheit sorgen.“

Der Landesvorstand der Freien Wähler in Bayern, der Vorstand der Landtagsfraktion und die Kabinettsmitglieder der Freien Wähler in dem Bundesland erklärten indes, „geschlossen“ hinter Aiwanger zu stehen, wie der bayerische Landesverband der Freien Wähler am Mittwoch mitteilte. Sie „wehren sich gegen alle Diffamierungsversuche und Spekulationen“ rund um Aiwanger, hieß es. (Tsp, dpa, AFP)

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