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2021 wurden Mehlwürmer in der EU als Lebensmittel zugelassen.

© Michael Fahrig

Novel Food: Gutes für den Mehlwurm

Charlotte Rafaluk-Mohr und Claudia Keil entwickeln gesundheitsförderndes Futter für Insekten, die auf unserem Teller landen.

Von Marion Kuka

Mehlwürmer gehen durch die Medien, seit sie 2021 in der EU als neuartiges Lebensmittel zugelassen wurden. Ebenso wie Heuschrecken und Grillen gelten sie als Proteinquelle der Zukunft. „Insekten sind die nachhaltigste Lösung, wenn wir tierisches Protein konsumieren wollen“, sagt die Biologin Charlotte Rafaluk-Mohr. Sie benötigen wenig Platz und Wasser, wachsen schnell und produzieren kaum Kohlenstoffdioxid. Bei der Langen Nacht der Wissenschaften im vergangenen Jahr servierte die Wissenschaftlerin zusammen mit Kolleginnen und Kollegen am Institut für Biologie gebratene Heuschrecken, Cake-Pops aus kommerziell erhältlichem Insektenmehl und Schoko-Crispies mit Grillen.

Aber womit füttern wir die Insekten, die wir in Zukunft essen wollen? Gemeinsam mit der Biologin Claudia Keil von der Technischen Universität Berlin, die auf Lebensmittelchemie und Toxikologie spezialisiert ist, arbeitet Charlotte Rafaluk-Mohr an einem nachhaltigen Futtermittelkonzept. Mehlwürmer, die Larven des gelben Mehlkäfers Tenebrio molitor, fressen am liebsten Weizenkleie. Da sie kein Wasser trinken, benötigen sie auch feuchte Nahrung wie Obst und Gemüse. „Wir planen, Gemüsereste aus regionaler Produktion zu hochwertigem Futter zu verarbeiten, beispielsweise durch Fermentation. Dabei vermehren wir probiotische Mikro­organismen, die eine gesunde Verdauung fördern“, erklärt Claudia Keil.

Da Insekten in Gänze verarbeitet werden, gelangen – anders als bei Huhn, Schwein und Rind – auch ihr Darmtrakt und die darin enthaltenen Bakterien in das Endprodukt. „Anstatt den Mehlwürmern deshalb Antibiotika ins Futter zu mischen, stabilisieren wir ihre Darmflora auf natürliche Weise und machen sie widerstandsfähiger gegen äußere Einflüsse“, erläutert Charlotte Rafaluk-Mohr. „Auch Spurenelemente wie Eisen, Zink, Kupfer und Selen aus bestimmten Gemüsesorten können zur Gesundheit der Tiere beitragen, wenn wir in die Massenproduktion gehen.“

Das Konzept richtet sich nach den Bedürfnissen der Industrie. „Die Futterfrage steht auf der Agenda des Verbandes der Insektenproduzenten in Europa (IPIFF)“, sagt Claudia Keil. „Als Nutztiere müssen Mehlwürmer mit zugelassenen Futtermitteln gezüchtet werden. Einige Züchter implementieren bereits Reststoffe wie Weizenkleie, Biertreber oder Kartoffelschalen, viele arbeiten jedoch noch mit Hühnerfutter.“ Derzeit seien Insektenprodukte im Supermarkt noch relativ teuer, aber es lohne sich, die Produktions- und Verarbeitungskette zu verbessern, um diese Ressource zukunftsfähig zu gestalten.

Doch würden wir wirklich häufiger Burger-Buletten aus Grillen grillen, wenn sie billiger wären? „Was wir essen, ist eine Frage der Gewohnheit“, sagt Charlotte Rafaluk-Mohr. „In vielen Kulturen sind Insekten bereits ein übliches Nahrungsmittel.“ Um Menschen dazu zu bringen, etwas Neues zu probieren, müsse es ihnen bekannt und sicher vorkommen. „Mehlwürmer sind dafür gut geeignet“, fügt die Biologin hinzu. „Sie lassen sich gut tarnen, man kann sie zum Beispiel zu Mehl für Tacos vermahlen.“ Für die Zukunft hofft sie, dass der Fleischkonsum sinkt und die Menschen mehr klimafreundliche Alternativen entdecken.

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