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Die SPD-Politikerin Saswan Chebli ist Kolumnistin des Tagesspiegel.

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Über den Umgang mit Fehlern: Wovon wir reden und was wir tun

Politiker sind mit beispiellosen Herausforderungen konfrontiert. Gut, wenn sie sich selbstkritisch hinterfragen. Doch was macht Hubert Aiwanger?

Eine Kolumne von Sawsan Chebli

Jedes klug geführte Unternehmen pflegt eine „Fehlerkultur“, die unvermeidliche Fehlleistungen nicht bestraft, sondern als Lernchancen nutzt. Zwar müssen, ähnlich wie für Ärzt:innen oder Flugpersonal, auch für Politiker:innen höchste Ansprüche an Fehlervermeidung gelten, die nicht immer erfüllt und manchmal krass verfehlt werden.

Doch Politik ist kein technischer oder kaufmännischer Betrieb. Sie kämpft vielmehr mit beispiellosen Herausforderungen, für die es keine Simulatoren, keinen Probelauf oder bewährte Routinen gibt. Und keine einfachen Lösungen, die Regierende uns liefern könnten wie Pizzen per Klick vom Bringdienst. Etwas weniger Selbstgerechtigkeit und etwas mehr Demut wären wohl angebracht.

Shitstorms führen zu Stillstand

Dass Kritik immer mehr durch Verächtlichmachung ersetzt wird, erlebe auch ich immer wieder in den Sozialen Medien. Immer mehr geht es um Vernichtung und blinde Zerstörung. Worte werden bewusst missverstanden, Sätze aus dem Zusammenhang gerissen. Sofort springen wir alle drauf.

Auch ich habe hinzulernen müssen. Viele Politiker:innen sagen mir, dass sie sich zu bestimmten Themen nicht mehr äußern, weil jede Unbedachtheit übelste Beschimpfungen und Bedrohungen auslöst. Furcht vor Shitstorms aber führt zu Mutlosigkeit und Stillstand der Politik. Dies kann in niemandes Interesse liegen.

Als Gesellschaft müssen wir lernen, Verzeihliches von Unverzeihlichem besser zu unterscheiden und auch den Umgang mit Fehlern in unsere Bewertung einfließen lassen. 

Saswan Chebli, SPD-Politikerin und Tagesspiegel-Kolumnistin

Politik soll offen kommunizieren, doch macht sie dabei Fehler, sind wir gnadenlos. Wenn uns Menschen und keine Maschinen regieren sollen, darf Menschliches nicht als Schwäche gelten. Als Gesellschaft müssen wir lernen, Verzeihliches von Unverzeihlichem besser zu unterscheiden und auch den Umgang mit Fehlern in unsere Bewertung einfließen lassen.

Im politischen Neuland unserer Zeit ist ein gewisses Mehr an „trial and error“ unvermeidlich und auch der einzig erfolgversprechende Weg.

Aiwanger hat nichts gelernt

Gilt all dies auch für den stellvertretenden Ministerpräsidenten von Bayern, Hubert Aiwanger? Meine persönliche Bereitschaft zu verzeihen ist hoch, und zwar unabhängig davon, ob es politisch in meine Welt passt oder nicht, denn kein Mensch ist fehlerfrei. Nur zeigen Aiwangers heutigen Äußerungen, seine Politik und sein Umgang mit den Vorwürfen, dass er nicht aus der Geschichte gelernt hat. Das ist der Skandal.

Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass in Deutschland ein Politiker mit einer solchen Geschichte, aber vor allem einem solchen Umgang damit, im Amt bleiben darf. Viele Juden haben den Deutschen das „nie wieder“ nie wirklich abgenommen, jetzt ist offensichtlich, dass es wertlos ist.

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