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Benin-Bronzen aus dem Rautenstrauch Joest Museum in Köln, das als eines von fünf deutschen Museen seine Bestände 2022 an Nigeria übereignet hat.

© picture alliance / NurPhoto/Ying Tang

Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria: Ist da noch was zu retten?

Die Bundesregierung hofft, dass sie mit dem neuen Präsidenten Nigerias über den Verbleib des Kulturerbes nochmal verhandeln kann. Der Fall wird international mit Anspannung verfolgt.

Es war die umfangreichste Restitution afrikanischer Kunst, die je stattgefunden hat. Mehr als 1100 Bronzen, Reliefplatten und Skulpturen aus fünf deutschen Museen gab die Bundesregierung an Nigeria zurück.

Bei einem feierlichen Staatsakt Ende vergangenen Jahres, hatten Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) die ersten 20 Bronzen auch physisch zurückgebracht und die Hoffnung geäußert, dass die Raubkunst perspektivisch im neu zu bauenden Edo Museum of West African Art (EMOWAA) ausgestellt würde.

Nun aber verfügte der scheidende nigerianische Präsident Muhammadu Buhari, dass die Benin-Bronzen dem Oba von Benin gehören sollen. Ein Erlass hierzu wurde bereits am 23. März veröffentlicht. In der Erklärung heißt es, dass der Anspruch „unter Ausschluss jeder anderen Person und Institution“ gelte, und zwar für alle bereits zurückgegebenen und noch folgenden Sammlungsobjekte.

In Deutschland wird das von nicht wenigen als Katastrophe und blauäugige Außenpolitik eingestuft. Im Privatbesitz des Oba würden die Objekte tatsächlich verschwinden, so die Befürchtung. Geäußert hatte sie zunächst die emeritierte Schweizer Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin in der „FAZ“.

Warten auf den Regierungswechsel

Im Auswärtigen Amt ist man bemüht, dies zu relativieren. Die Verantwortung für die restituierten Objekte liege allein bei Nigeria, so eine offizielle Stellungnahme von Annalena Baerbock am Sonntag. Die Rückgabe der Bronzen sei nicht an Bedingungen geknüpft gewesen, heißt es weiter. Auch der Präsident der Staatlichen Museen Hermann Parzinger bekräftigt: „Die Rückgabe wurde vollzogen aufgrund eines eindeutigen Unrechtskontextes. Es ist eine innernigerianische Angelegenheit, wie die Regierung mit den zurückgegebenen Objekten umgeht.“

Gedenkkopf eines Königs. Eine der Benin-Bronzen, die im Dezember 2022 in Abuja feierlich an Nigeria zurückgegeben wurden.
Gedenkkopf eines Königs. Eine der Benin-Bronzen, die im Dezember 2022 in Abuja feierlich an Nigeria zurückgegeben wurden.

© imago/photothek/IMAGO/Florian Gaertner

Zudem betonte man von diplomatischer Seite, dass das präsidiale Dekret bislang noch nicht offiziell in Kraft getreten sei. Nigeria hat kürzlich gewählt. Es sei der neue Präsident Bola Tinubu, der ab Ende Mai die Geschäfte übernimmt, der klären muss, wie mit den aus Deutschland restituierten Objekte weiter verfahren wird.

Auch in Nigeria gibt es zahlreiche Stimmen, die vor einer voreiligen Verurteilung des Abkommens warnen. Der Oba, Nachfahre des früheren Königs von Benin, dessen Reich am transatlantischen Sklavenhandel verdiente, fordert zwar seit Jahren die Rückgabe der Benin-Bronzen.

Ob er an einer öffentlichen Präsentation der Werke, einem Austausch mit Deutschland, einer Aufarbeitung der Geschichte der Artefakte, die auch von den Verstrickungen seiner Familie erzählt, interessiert ist, ist unklar. Bekannt ist, dass der König im Clinch mit dem Gouverneur von Edo State, Godwin Obaseki, liegt, der wiederum den Aufbau des EMOWAA vorantreibt.

Die Verantwortung für die restituierten Objekte liegt allein bei Nigeria.

Annalena Baerbock, Außenministerin

Trotzdem werde die Königsfamilie von vielen als die legitime Besitzerin der Bronzen und Artefakte wahrgenommen, betont Nadine Siegert, Leiterin des Goethe-Instituts in Lagos. Denn 1897 wurden die Bronzen von den Briten aus dem ehemaligen Königspalast geraubt. Sie kehren nun also erst einmal in den Familienbesitz zurück.

Mit der Überschreibung an den Oba sei auch nicht automatisch die Befürchtung verbunden, die Bronzen würden dann auf dem Kunstmarkt landen. Im Gegenteil: Teile der Bevölkerung misstrauen genauso den Regierungsinstitutionen – den einzigen offiziellen Partnern, mit denen die Bundesregierung verhandeln kann.

Der Fall wird international mit Anspannung verfolgt

Zu diesen Regierungsinstitutionen gehören auch die staatlichen Museen oder die National Commission for Museums and Monuments (NCMM), eben jene Kulturbehörde Nigerias, der die Bundesregierung das Eigentum an den Benin-Bronzen im Winter 2022 übertragen hat und mit der sie auch künftig gerne zusammenarbeiten würde. Vor Ort ist keineswegs so klar zu differenzieren, wer also der verlässlichste Partner ist. In Museumskreisen sehen einige das präsidiale Dekret als „Chance“, die Besitzverhältnisse wirklich zu klären, so Siegert.

Bundesaussenministerin Annalena Baerbock im Rahmen der Zeremonie zur Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria in Abuja im Dezember 2022.
Bundesaussenministerin Annalena Baerbock im Rahmen der Zeremonie zur Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria in Abuja im Dezember 2022.

© imago/photothek/IMAGO/Florian Gaertner

Die Anspannung ist auf allen Seiten spürbar. Auch wenn es von offizieller Seite heißt, Deutschland habe nicht mitzubestimmen, wie Nigeria mit diesem kulturellen Erbe umgehe, so ist die Übergabe begleitet von engen Beratungsgesprächen, von einem Benin-Dialog, von Vereinbarungen, von Pressemitteilungen, die von „Transparenz“, „Kooperation“, von einem „Ausloten zur Lagerung und Ausstellung von Benin-Bronzen“ sprechen.

Die Bundesregierung investiert zudem fünf Millionen Euro in das geplante Edo Museum of West African Art, immerhin die Hälfte der zu erwartenden Gesamtkosten. Noch bei den Übergabevereinbarung 2022, wurde der Wunsch geäußert, die zurückgegebenen Artefakte mögen zeitnah in einem Pavillon ausgestellt werden, der die Vorhut des vom Architekten David Adjaye geplanten EMOWAA-Komplexes ist.

Ob die Bronzen je dort zu sehen sein werden, ob und wie viele in Archiven landen, ob manche oder gar alle doch eher in dem vom Oba seit Jahren angekündigten Bau eines Royal Museums oder im Nationalmuseum in Benin-City zu sehen sein werden, all dies gilt es nun abzuwarten.

Die deutsche Regierung finanziert ein Museum

Auch international wird der Fall mit Anspannung verfolgt. Die ehemaligen Kolonialmächte wie Großbritannien und Frankreich beobachten Nigerias Handhabung der Artefakte genau. In Großbritannien könnten sich Häuser wie das Victoria & Albert Museum oder auch das British Museum in ihrer konservativen, restriktiven Politik bestätigt fühlen. In Frankreich, das sich nach außen progressiv gibt, könnten Restitutionen mit Bedingungen verknüpft werden.

Dieser Dimensionen sind sich auch die zahlreichen Museumsleiter und -leiterinnen in anderen afrikanischen Ländern bewusst. So wurde die Nachricht über das Schicksal der Benin-Bronzen bei der kürzlich stattfindenden internationalen Museumskonferenz in Dakar, teilfinanziert mit deutschen Mitteln, in den Pausen auf den Gängen intensiv diskutiert. Für viele gilt es einen eigenen emanzipierten Umgang mit restituierten Objekten zu finden, die Türen für künftige Rückgaben dabei aber nicht zuzuschlagen.

Für alle, die gehofft hatten, dass die Restitution schnell auf ein von Unrecht erlöstes Verhältnis mit Nigeria hinausläuft, ist diese Nachricht wohl erst einmal ein gesundes Erwachen. Die Gemengelage ist zu komplex. Vielleicht hätte zu den feierlichen Worten beim Staatsakts zur Übergabe der Bronzen, genau diese Komplexität klarer kommuniziert werden müssen.

Ob die Restitution am Ende zu einem Erfolg im Sinne der deutschen Regierung wird, hängt nun stark von der neuen nigerianischen Regierung ab und deren Willen, alle Gesprächspartner mit den kontroversen Bedürfnissen an einen Tisch zu bringen.

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