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Blick in die Ausstellung „Luc Tuymans – Edith Clever“ in der Akademie der Künste am Pariser Platz.

© Stefan Pchalek

„Riegers Runde“: Mehr hören und fühlen in der Kunst

Der feste Stand auf Granit und Marmor ist im Moment gar nicht gefragt. Was bedeutet es wohl, wenn immer mehr Ausstellungsräume mit Teppich ausgelegt sind?

Eine Kolumne von Birgit Rieger

In der vergangenen Woche, beim Schlendern durch die Ausstellungen während der Berlin Art Week, fiel mir ein neues Phänomen auf: der Teppich. 

Viele Ausstellungsräume sind mit weichen Bodenbelägen belegt. Das ist meiner Meinung nach mehr als ein Trend im Ausstellungsdesign. Der Teppich dämpft die Schritte, verändert die Akustik, das Körpergefühl, die Atmosphäre im Raum. Er verhindert den festen Ich-weiß-was-hier-los-ist-Tritt.

Der Teppich schafft Intimität

In der Akademie der Künste am Pariser Platz ist in der Gemeinschaftsausstellung von Maler Luc Tuymans und Schauspiel-Legende Edith Clever ein Raum mit einem dicken Teppich belegt. Die kundige Künstlerin, die im Rahmen einer Tour durch die Ausstellung führte, forderte die Besucher:innen sogar auf, sich auf den Teppich zu setzen, mit den Händen über das Gewebe zu streichen. Während aus dem anderen Raum die „Klangdusche“ von Edith Clevers Theaterstimme herüberwehte. Der Teppich sorgt für die Intimität eines Wohnzimmers, raubt die Distanz, schafft eine Art Gemeinschaftsgefühl.

Und man sitzt bereits, als man erfährt, dass das dekorative florale Teppichmuster in hellen Blau- und Grautönen, von einem Stuhl stammt, auf dem mal jemand ermordet wurde. Tuymans bezieht sich in seinen Bildern oft auf gewaltvolle Ereignisse aus der Geschichte so auch hier in der Akademie der Künste.

Man muss nicht einmal besonders aufmerksam sein, um zu bemerken, dass sich im aktuellen Ausstellungsgeschehen der Fokus verschiebt. Vom Sehen hin zum Hören und zum Klang, sowie zur Performance und zum Körper. Der Teppich scheint das Mittel der Wahl, um akustisch und taktil die Wahrnehmung zu beeinflussen.

Im Palais Populaire hat die Künstlerin La Chola Poblete als „Artist of the Year“ zwei ihrer Ausstellungsräume mit Teppich ausgelegt, einmal rot, einmal gelb. Und als wären ihre Skulpturen aus Brotteig nicht schon verstörend genug, fordert das Teppichzimmer regelrecht zum Zwiegespräch auf.

Auch im Schinkel Pavillon, wo es um Krieg und Repression geht, liegt im Untergeschoss Teppich. Auf einem Sitzsack liegend schaut man an der Decke einen Film über Bomben im Libanon. Achten Sie also gut auf die Teppiche. Sie umgehen den Verstand und zielen direkt auf die Sinne.

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