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David Guetta war vor fünf Jahren schon einmal Headliner des Festivals auf dem Olympiagelände.

© action press/Rainer Keuenhof

Lollapalooza Festival : Feuer, Beats und Gartenzwerge

Trotz Hitze und niedrigen Star-Aufkommens war die Stimmung am ersten Tag des Lollapalooza Festivals auf dem Olympiagelände gut. Die Headliner Mumford & Sons und David Guetta setzten auf Überwältigung.

Ein schüchterner Hüpfer, ein Rückwärtssalto, eine Arschbombe – die Teenager im Oympiabad bieten eine unterhaltsame Sprungshow von der obersten Plattform. Beobachtet werden sie nicht nur von den anderen Kids am Beckenrand, sondern auch von einem guten Dutzend Zaungästen des Lollapalooza-Festivals, die einen Premiumplatz hinter dem Sprungturm haben.

In deren Bewunderung dürfte sich auch ein bisschen Abkühlungsneid mischen, brennt die Sonne doch schon den ganzen Samstag gnadenlos auf das Olympiagelände herab. Man kann den Rasenflächen quasi beim Verdörren zuschauen. Oder zur Main Stage South rübergehen, um zu staunen, wie Zara Larsson und ihre Band die 30 Grad-Hitze ignorieren und einen dynamischen, gut gelaunten Auftritt hinzulegen.

Nur wenige prominente Namen

Die 25-Jährige hat als Kind die schwedische Version der Castingshow „Got Talent“ gewonnen, wo sie mit Whitney-Houston-Covern beeindruckte. In Berlin packt sie davon keine aus, bringt die Menge dafür aber mit „Lay All Your Love On Me“ von Abba in Bewegung – und ihrem eigenen Hit „Lush Life“. Larsson gehört wie die im Anschluss auf der anderen Hauptbühne auftretende Ava Max zu den vielen weiblichen Acts im notorisch männerlastigen Programm der Berliner Ausgabe des 1991 gegründeten US-Franchise-Festivals. Diesmal ist es paritätisch besetzt, wobei die Headliner-Plätze weiterhin den Männern gehören.

Die US-Sängerin Ava Max kam ohne Band, dafür mit vier Tänzerinnen nach Berlin.

© action press/Rainer Keuenhof / www.rainerkeuenhof.de

US-Sängerin Ava Max steht am Samstag in der ersten Zeile des Line-Ups, was angesichts ihrer doch noch recht überschaubaren Bekanntheit etwas überrascht – angesichts des insgesamt sehr geringen Promi-Aufkommens an den beiden Tagen aber ins Bild passt. Ohne Band, dafür teils von vier Tänzerinnen unterstützt, wirkt Ava Max ein wenig verloren auf der Riesenbühne. Ihr Dance-Pop ist solide gemacht, allerdings auch recht epigonal und austauschbar. Dass sie „Barbie Girl“ in ihr Set mischt, kommt fast schon verzweifelt anbiedernd rüber.

Alligatoah mit Spaß-Rap-Rock

Das kann man von der Berliner Rapperin Wa22ermann nicht behaupten, die ihr Publikum auf der kleinen Weingarten-Bühne immer wieder zum Springen auffodert und fragt, ob es noch Energie hat. Was eindeutig der Fall ist. Eine Kreuzberger Block-Party mit Trap-Beats und Rave-Momenten. Souverän bringt die Newcomerin ihre Zeilen übers Abhängen in Kreuzberg, lahme Typen und getunte Autos ins Ziel. Bisher gibt es von Wa22ermann, die auf der Bühne von DJ Sirin unterstützt wird, erst eine EP und eine Handvoll Singles wie „Maybachufer“ oder „Gogos“ – machen neugierig auf ihr Debütalbum.

West-Berlin die Hood, die dich krank oder bekannt macht.

Rapperin Wa22ermann im Song „Gogos“.

Der bekannteste deutsche Name dieser Lolla-Berlin-Ausgabe ist Alligatoah. Verglichen mit dem Vorjahr, in dem noch einheimische Stars wie Apache 207, Seeed, Nina Chuba, Kraftklub, AnnenMayKantereit oder Casper im Programm waren, ein mageres Angebot. Womit nichts gegen Alligatoah gesagt sei, der auf der nach Festival-Gründer Perry Farrell benannten Bühne im Olympiastadion auftritt.

Sein 2022 veröffentlichtes sechstes Album „Rotz & Wasser“ zeigt ihn auf dem Cover mit einem großen, zerbeulten Paket im Arm. Ein Fließband mit eben solchen Paketen läuft nun über die Stadionbühne. Alligatoah selbst steht ebenfalls drauf, während er ein melancholisches E-Gitarren-Solo spielt. Mit Trenchcoat überm Anzug, Truckerkappe und Walkmann sieht er aus wie ein verwirrter Verschwörungstheoretiker – für seltsamen Humor ist er ja bekannt.

Genussvoll zelebriert er ihn etwa mit der Rock-Rap-Nummer „Fick ihn doch“, in der er denunziatorische Spießbürger angreift und am Ende drei mannshohe Gartenzwerge hinter sich Feuer spucken lässt. Wobei der 33-Jährige durchaus auch ernstere Töne anschlägt. Bei „Nebenjob“ etwa steht er allein mit der Akustikgitarre vor dem Vorhang und singt aus der Sicht eines unterbezahlten Paketboten: „Ich hab’ ein’n Job neben dem Nebenjob, oh ja/ Ich hab’ kein Leben doch ich lebe noch, oh ja“.

Abfüllstation für Wasser

An das ausgebeutete Prekariat zu erinnern, gehörte schon zu den politischsten Momenten des ersten Festivaltags, zu dem laut Veranstalter 60.000 Menschen kamen. Immerhin rief Ski Aggu („Friesenjunge“) noch zum Zusammenstehen gegen die AfD auf. Doch weder der Krieg in der Ukraine, noch die Klimakrise spielten eine Rolle. Apropos Klima: Das Lollapalooza-Festival rühmt sich für sein Nachhaltigkeitskonzept, zu dem auch Müllvermeidung gehört. Betrachtet man die randvollen Mülleimer, gibt es da wohl noch Optimierungsbedarf. Immerhin: Es gibt eine Wasserabfüllstation, an der die Besucher*innen ihre mitgebrachten Flaschen auffüllen können, was auch angesichts der Hitze begrüßenswert ist.

Marcus Mumford von der britischen Band Mumford & Sons beim Lollapalooza Festival Berlin.

© dpa/Britta Pedersen

Die Sonne ist gerade untergegangen, als Mumford & Sons auf die Main Stage North kommen und sofort ein paar Raketen in den Himmel schießen lassen. Einen ihrer größten Hits, „Little Lion Man“, feuern sie als Zweites hinterher. So macht man das als routinierte Festivalband, die vor sechs Jahren übrigens schon mal beim Lollapalooza Berlin dabei war. Ihren Sound hat der Kritiker Thomas Groß einmal treffend als Stadion-Folk bezeichnet.

Dass der immer noch funktioniert, demonstrieren die Briten, die seit 2018 kein neues Album herausgebracht haben, an diesem Abend in Vollendung: Marcus Mumford schlägt energisch in seine Stahlsaiten-Gitarre, es gibt mal ein Banjo-Intro, mal ein Kontrabass-Fundament, mal kleine Verzögerungen, aber früher oder später steuert alles Richtung Ekstase und Überwältigung. Mumford singt die Refrains stets auf höchstem Erregungslevel, tritt den Four-to-the-Floor-Beat in eine vor ihm stehende Bassdrum. Kein Entkommen möglich.

Bei „Lover Of The Light“ wechselt er ans Schlagzeug und nur die dreiköpfige Bläsergruppe verhindert, dass er den Song mit seinem aufdringlichen Spiel zerkloppt. Der ruhige Beginn von „Believe“ gibt der Menge eine kurze Atempause, bis die E-Gitarre losjault, Mumford fleht: „Say something, say something“ – Feuerfontänen inklusive.

Doch der wahre Feuermeister kommt erst noch: David Guetta legt zum Finale auf der anderen Hauptbühne auf. Er hat doppelt so viele Fontänen-Speier dabei, außerdem beeindruckende Videoprojektionen sowie eine Lasershow. Der französische DJ, vor fünf Jahren bereits Lolla-Headliner, bringt das bis weit hinten gefüllte Feld zum Tanzen, immer wieder auch zum Mitsingen, wenn er sein Mischpult leiser dreht.

Der EDM-Übervater hält das Tempo hoch, remixt Hits wie „Memories“ und spielt auch „I Gotta Feeling“ kurz an. Er turnt dazu im weißen Shirt wie ein Fitnesstrainer hinter seinem riesigen DJ-Pult herum. Die Partystimmung ist da, doch der Lärmschutz stoppt sie – zum Glück gibt’s in der Stadt genügend Clubs zum Weiterfeiern.

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