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am 25. April 1983 präsentierte „Stern“-Reporter Gerd Heidemann die angeblichen Tagebuchaufzeichnungen von Adolf Hitler der Weltpresse.

© dpa/Chris Pohlert

Gefälschte Hitler-Tagebücher: Aus dem Giftschrank ins Bundesarchiv

Die Veröffentlichung der angeblichen Hitler-Tagebücher hatte den „Stern“ in seine schwerste Krise gestürzt. Nun übergibt Bertelsmann die 60 Bände dem Koblenzer Bundesarchiv.

Am 25. April 1983 wollte das Hamburger Magazin „Stern“ die vermeintlichen Tagebücher von Adolf Hitler als große Sensation der Weltöffentlichkeit vorstellen. Doch der Medien-Coup wurde zum Desaster: Die Sensation erwies sich als eine der größten Fälschungsgeschichten, von dem sich der „Stern“ nie ganz erholte. 40 Jahre danach kündigte der Bertelsmann-Verlag an diesem Montag an, dass die 60 Bände der von Konrad Kujau gefälschten Hitler-Tagebücher dem Koblenzer Bundesarchiv übergeben werden sollen.

„Die Übergabe der gefälschten ,Hitler-Tagebücher‘ an das Bundesarchiv garantiert eine fachgerechte Sicherung und Nutzbarkeit dieses Quellenbestands aus der bundesrepublikanischen Geschichte der 1980er-Jahre“, sagte Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe. „Wir freuen uns, dass das Bundesarchiv, das vor 40 Jahren bereits die Fälschung der Tagebuch-Kladden zweifelsfrei nachweisen konnte, nun auch deren Archivierung übernehmen wird.“

Bertelsmann hatte das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) im August 2022 mit der unabhängigen wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des „Stern“ beauftragt. Zuvor hatte es neue Vorwürfe gegen den „Stern“-Gründer Henri Nannen zu seiner Rolle im Nationalsozialismus gegeben. Die Untersuchung soll nach Angaben von Bertelsmann „einen objektivierenden, wissenschaftlichen und nachhaltigen Beitrag zur jüngst wieder aufgekommenen Diskussion um die Person des langjährigen „Stern“-Chefredakteurs leisten.“

Vor den Karren von Holocaust-Leugnern gespannt

Im Februar war der Forschungsauftrag um eine Untersuchung des Umgangs mit den gefälschten „Hitler-Tagebüchern“ erweitert worden. Auslöser waren diesmal Recherchen des NDR. In der Sendung „Reschke Fernsehen“ hatte Moderatorin Anja Reschke dem „Stern” vorgeworfen, dass er sich der vermeintlichen Sensation wegen vor den Karren von Holocaust-Leugnern hätte spannen lassen. So sei Fälscher Kujau tiefer in ein neonazistisches Umfeld verstrickt gewesen als bislang bekannt. 

Der NDR hat die kompletten 60 Bände der vermeintlichen Tagebücher mit Kommentierungen durch den FU-Politikwissenschaftler Hajo Funke auf der Webseite von NDR.de zugänglich gemacht. Die gefälschte Handschrift von Hitler wurde dabei mittels Künstlicher Intelligenz digitalisiert. Unter dem Titel „Die echten falschen ,Hitler-Tagebücher’“ können die gefälschten Aufzeichnungen auch in Buchform nachgelesen werden. (März Verlag, 672 Seiten, 28 Euro). „Diese Tagebücher sind Ausdruck von Holocaustleugnung. Sie wollten Hitler von den schlimmsten Verbrechen der Nazis freisprechen“, kommentierte Funke die Tagebücher, die er als klaren Akt von Geschichtsfälschung bezeichnete.  

Für Michael Hollmann, den Präsidenten des Bundesarchivs, zeigen die Tagebücher „einen dreisten Versuch, den brutalen Verbrechen des Nationalsozialismus einen menschlichen Anstrich zu geben, der in den 1980er-Jahren in der Gesellschaft auf Resonanz traf“. Die Dokumente werden nach ihrer Übergabe im Bereich der Abteilung ‚Bundesrepublik Deutschland‘ am Standort Koblenz auf Dauer aufbewahrt und im Rahmen unseres gesetzlichen Auftrags zugänglich gemacht werden, kündigte der Archiv-Leiter an.

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