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Von der Showbühne ins Gefängnis: Mossack (Gary Oldman, li.) und Fonseca (Antonio Banderas) vertraten 25 000 Firmen.

© Claudette Barius/Netflix

Komödie über die „Panama Papers“: Die Sanftmütigen sind angeschissen

Steven Soderbergh seziert mit der Finanzsatire „The Laundromat“ den Skandal um die Panama-Papiere im Schonwaschgang.

Von Andreas Busche

Benjamin Franklin guckt missbilligend. Vielleicht ist es aber auch bloß Einbildung, der sogenannte Kuleschow-Effekt. Der russische Filmemacher hatte in den zwanziger Jahren mit einem Experiment nachgewiesen, das dasselbe Bild in unterschiedlichen Zusammenhängen beim Betrachter andere Assoziationen auslöst. Wahrscheinlich blickt der Gründervater in der Eröffnungseinstellung von Steven Soderberghs „The Laundromat“ (Die Geldwäscherei) einfach nur staatsmännisch von der Hundert-Dollar-Note. Langsam zoomt die Kamera aus dem Geldschein heraus, löst sich von dem Augenpaar. Stellt das Bild gewissermaßen in einen größeren Zusammenhang.

Soderbergh hat für Netflix eine Komödie über die „Panama Papers“ gedreht und im Grunde ist schon die Vorstellung, das Datenleak, das im April 2016 ein weltweites System von Briefkastenfirmen, Prominenten, Sport- und Popstars und nicht zuletzt Politikern aufdeckte, die beträchtliche Summen am Fiskus vorbeigeschleust haben, ließe sich anhand von Banknoten erzählen, ein Paradox. Der französische Transzendentalist Robert Bresson zeichnete in seinem letzten Film „Das Geld“ (1983) die menschliche Gier noch entlang des Weges eines Geldscheins durch die Hände seiner verschiedenen Besitzer nach.

Wer Reich ist, braucht kein Geld mehr

Transzendent ist an den „Panama Papers“ gar nichts, die Sache ist im Grunde sogar hochgradig banal. Geld wechselt im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht mehr in materieller Form seine Besitzer. Die Hundert-Dollar-Note, die den Erfinder, Verleger und Staatsgründer Benjamin Franklin verewigt, ist ein Anachronismus – und im Alltag zudem selten geworden. Wer solvent ist (eine Null mehr oder weniger macht da keinen Unterschied), benutzt heutzutage kein Bargeld. Und die übrigen Amerikaner sind meist zu arm, um große Scheine aus dem Geldautomaten zu ziehen.

So wie das Rentnerehepaar Ellen und Joe Martin (Meryl Streep und John Cromwell). Sie haben sich den Urlaub am Lake George in Upstate New York mühsam erspart, aber dann bringt eine Bugwelle das Ausflugsboot zum Kentern. Joe ertrinkt mit 20 weiteren Passagieren. Die Spur der Versicherung, die die Reederei abgeschlossen hat, verliert sich in der Karibik, auf der Insel Nevis. „Wo zum Kuckuck ist Nevis?“ fragt Ellen entgeistert.

Revue durch die internationale Schattenfinanz

Wer heute eine Finanzsatire dreht, muss sich an Adam McKays „The Big Short“ messen, einer so brillanten wie ätzenden Analyse des Immobiliencrashs von 2008, in der Margot Robbie in der Badewanne sitzend in eineinhalb Minuten den Hypothekenanleihenmarkt erklärt. Auch Soderbergh und sein Autor Scott Z. Burns haben ein Sachbuch adaptiert, „Secrecy World“ des Wirtschaftsjournalisten Jake Bernstein. Aber schon die Länge von 96 Minuten lässt erahnen, dass sie den deutlich komplexeren Stoff grob vereinfacht haben.

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Um die Enthüllungen selbst geht es in „The Laundromat“ dann auch gar nicht, Soderbergh inszeniert eine Art Revue durch die internationale Schattenfinanz. Gastgeber sind die Hintermänner des Geldwäschesystems, Jürgen Mossack (Gary Oldman) und Ramón Fonseca (Antonio Banderas), die im Glitzertuxedo wortreich erläutern, warum sie eigentlich unschuldig seien. Gier ist schließlich ein Urinstinkt des Menschen.

Basierend auf wahren Geheimnissen

Die Profiteure ihre eigenen Schweinereien erklären zu lassen, ist ein alter Trick. McKay hat sich seiner genauso bedient wie Martin Scorsese mit „Wolf of Wall Street“. Ihre Unverfrorenheit ist der moralische Imperativ einer Finanzsatire, doch „The Laundromat“ klingt für Soderberghs Verhältnisse erstaunlich selbstgerecht. Mit einem kühlen Kopf, der komplexe Systeme durchblickt (in dem Epidemie-Thriller „Contagion“ oder dem Sportdrama „High Flying Bird“), sind seine Filme meist zielführender. Aber es geht in „The Laundromat“ eben um einen wahren Fall – „basierend auf wahren Geheimnissen“ heißt es zu Beginn. Soderbergh bleibt unentschlossen: Weder ist seine Satire scharfsinnig genug, noch hat er – anders als McKay – ein ernsthaftes Interesse, die Zusammenhänge zu erklären.

„The Laundromat“ flippt willkürlich von Handlungsort zu Handlungsort, ohne tiefere Einblicke in das System „Mossack Fonseca“ zu gewähren. In Los Angeles erkauft sich ein promiskuitiver Patriarch (der großartige Nonso Anozie, zuletzt als Idi Amin zu sehen) mit wertlosen Firmenanteilen Absolution von Ehefrau und Tochter. In China entledigt sich eine Oligarchin (Rosalind Chao) eines erpresserischen Finanzberaters (Matthias Schoenaerts) per „Organspende“. Aber irgendwie fehlt den Episoden der Rhythmus, sie funktionieren besser als Sketch-Comedy, nicht als Teile eines größeren Puzzles.

Meryl Streep läuft Amok - im Traum

Meryl Streep kommt die undankbare Aufgabe zu, dem Finanzskandal Sinnhaftigkeit abzuringen. Aber im Grunde hat schon der Titel des ersten Kapitels das Urteil über sie und alle anderen Leidtragenden gesprochen: Die Sanftmütigen sind angeschissen. Ellens Amoklauf in den Büros der Versicherungsfirma mit Sitz in Nevis entpuppt sich als Tagtraum.

Der joviale Plauderton von Oldman und Banderas erzeugt eine interessante Dissonanz, aber keinen Erkenntniswert. Bis auf eine winzige Information, die Soderbergh dem Publikum ironiebewusst unterjubelt: Unter einer Adresse in Delaware, dem Paradies amerikanischer Steuerflüchtiger, firmieren auch in seinem Namen fünf Briefkastenfirmen. Der moralische Imperativ ist zweischneidig.
Am Donnerstag und Sonntag im Kant Kino. Mehr Kinos folgen. Ab dem 18. Oktober auf Netflix

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