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Der deutsche Maler Karl Horst Hödicke sitzt vor einem seiner Werke im Schloss Derneburg.

© picture alliance/dpa/Moritz Frankenberg

Berliner Maler Karl Horst Hödicke gestorben: Der grau leuchtende Himmel über der Mauerstadt

Hödicke wurde bekannt im Gefolge der Jungen Wilden, die er selbst mit seinen Arbeiten maßgeblich beeinflusst hatte. Nun ist er im Alter von 85 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Von Bernhard Schulz

Als Karl Horst Hödicke im Jahr 1980 gefragt wurde, was ihn künstlerisch beeinflusst habe – abgesehen von einem Onkel, der Bildhauer war und dessen Atelier zum Tonkneten anregte –, da verwies er auf die mittelalterlich Kunst, die er kurz zuvor in den Staatlichen Museen gesehen hatte. „Diese Schutzmantelmadonna und diese kleine Figurengruppe aus Buchsbaum“, erwähnte er und fuhr fort: „In dieser Plastik steckt sicherlich eine Innerlichkeit, die sehr viele Kunstprodukte nicht haben.“

Im Epizentrum der Kunstszene

Das sind erstaunliche Sätze für einen Maler, der als Vaterfigur der „Jungen Wilden“ gilt, die damals, um 1980, mit aller Lautstärke auf die Berliner Szene drängten. Am Kreuzberger Moritzplatz lag ihr Epizentrum. Nicht gar zu weit davon entfernt war anderthalb Jahrzehnte früher schon einmal ein Aufbruch losgegangen und hatte die Berliner Kunstwelt nachhaltig verändert.

Das geschah in einem Hinterhaus in der Großgörschenstraße 35 an der Grenze von Schöne- zu Kreuzberg. An diesem Hinterhof lag das Atelier von Hödicke, hier wurden die ersten Ausstellungen der losen Gruppierung gezeigt, die sich unter der Adresse zusammenfand. Beim Blick aus dem schmalen Hinterhof aber sah Hödicke, was er als „Himmel über Schöneberg“ auf die Leinwand bannte.

Beseelter Realismus

Im Lichte seiner Bemerkungen über Innerlichkeit gewinnt eine ganz andere Bedeutung, dass Hödicke den Himmel gemalt hat über dem damals noch hoffnungslos grauen Berlin und seinen Hinterhöfen. Man hat Hödicke gern als Realisten charakterisiert, weil er die Stadt gemalt hat, wie sie ist und wie er sie sah, mit Leuchtreklamen und Lichtreflexen und schmutzigen Fassaden, aber nicht realistisch, sondern beseelt; beseelt von einem ganz anderen Drang, der über die Stadt hinauswies und ihr doch verhaftet blieb.

Berlin Mitte, Hotel Telegraphenamt, Monbijoustraßüe, neue zweite Berliner Dependence der Johann König Galerie Berlin mit Ausstellung von Karl Horst Hödicke.

© imago/Jügen Ritter

Karl Horst Hödicke wurde bekannt im Gefolge der „Jungen Wilden“, die doch er auf die Spur gesetzt hatte. Als deren Stern zu verblassen begann, strahlte der seine um so heller. Man wurde gewahr, dass seine Malerei keine Augenblicksangelegenheit war, sondern eine fortwährende Auseinandersetzung mit dem Medium der Malerei, der er realistische, aber ebenso auch ganz ungegenständliche Seiten abgewann.

Als Hödicke längst schon in die Dessauer Straße gezogen war, anfangs nahe der Mauer, nach deren Verschwinden nahe am Baustellenlärm des Potsdamer Platzes, malte er Bilder der Nacht und der unscharfen Wahrnehmung und nannte sie „Notturnos“, was manch einen befremdete, der ihn auf die Rolle des Berlin-Schilderers festgelegt wähnte.

Von Nürnberg nach West-Berlin

1938 ist Hödicke in Nürnberg geboren, aufgewachsen dann an wechselnden Orten – ein Kriegsschicksal – und 1957 nach West-Berlin gekommen. Studiert hat er an der damaligen Hochschule der bildenden Künste bei Fred Thieler, der eine Malerpranke hatte und in der hiesigen, gestischen Abstraktion führend war.

Mit Markus Lüpertz, der sich aus Düsseldorf nach West-Berlin abgesetzt hatte, und weiteren Kommilitonen – allesamt angehende Kunsterzieher – schuf Hödicke die Gruppe „Großgörschen 35“, wo er 1964 seine erste Einzelausstellung hatte und die er bald darauf wieder verließ, wie auch die begonnene Berufslaufbahn als Kunstlehrer. Kaum zehn Jahre später wurde er selbst an die Hochschule der Künste (wie sie mittlerweile hieß) berufen und lehrte die Jungen, die ihn zeitweilig überflügelten.

Neben den Gemälden, die auf allen damaligen Großausstellungen zur deutschen Kunst der Gegenwart gezeigt wurden, hat Hödicke sich früh mit Film und Video beschäftigt, dann auch mit Skulptur. Die Erinnerung an das Tonkneten im Atelier des Onkels blieb lebendig. Mit seinen Berlin-Bildern aber hat er ein Bild, ein Image dieser Stadt geschaffen, das gleichrangig neben dem der zwanziger Jahre Bestand hat. Am Donnerstag ist Karl Horst Hödicke nach längerer Krankheit in Berlin gestorben. Er wurde 85 Jahre alt.

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