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Ukrainische Soldaten stehen auf einer Landstraße in der Region Charkiw.

© dpa/Kostiantyn Liberov

Ukraine-Invasion Tag 692: Mit dieser Methode umgehen ukrainische Männer ihrer Einberufung

Selenskyj nennt 2024 entscheidend für Sieg gegen Russland. Von der Leyen mahnt mehr Unterstützung für die Ukraine an. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Mobilisierungsprobleme beschäftigen die Ukraine nun schon seit Monaten. Der Versuch, ein strengeres Gesetz durchs Parlament zu bekommen, scheitert derzeit, ein Skandal jagt den nächsten.

Nun ist eine neue Methode bekannt geworden, mit der ukrainische Männer ihrer Einberufung entgehen wollen – und zwar versuchen sie, die alleinige Vormundschaft über ihre Kinder zu bekommen. Darüber berichtet der „Kyiv Independent“ (Quelle hier).

Im Juli hatte sich ein für eine Militäreinheit zuständiger Anwalt an das Medienunternehmen NGL Media gewandt, schreibt die Zeitung. Aus dieser Einheit hatten innerhalb kurzer Zeit ein Dutzend Soldaten ihr Austrittsschreiben aus der Armee eingereicht. Die Begründung: Sie seien nach ihrer Scheidung der alleinige Vormund für ihre minderjährigen Kinder.

Dem Anwalt drängte sich der Verdacht auf, dass dies fingiert sei – und NGL Media ging diesem nach. Mehr als 30.000 Vormundschaftsstreitigkeiten der vergangenen zwei Jahre untersuchte das Medienunternehmen und stellte fest, dass zunehmend Männer solche Verfahren anstrebten. Vor dem Krieg, so heißt es in dem Bericht, hätten die Familien dies oft unter sich ausgemacht oder die Frauen wären vor Gericht gegangen. So seien 2019 lediglich 133 Entscheidungen zugunsten der Väter ausgefallen, 2022 waren es bereits 859 und im vergangenen Jahr 2708.

Auffällig sei dabei gewesen, dass 30 Prozent dieser Sorgerechtsentscheidungen von einem Gericht in einer kleinen Stadt rund 80 Kilometer von Odesa getroffen wurden. Und dort gingen Klagen aus dem ganzen Land ein. Auch die Korruptionsbehörden wurden auf dieses Gericht aufmerksam und führten Durchsuchungen durch.

So werden Anwälte, Vermittler und vier Richter verdächtigt, aus diesem Vorgehen Profit geschlagen zu haben. Demnach hatten die ukrainischen Männer 3500 Dollar pro Fall gezahlt. Die wurden als Teil des Honorars der Anwälte deklariert. Die Anwälte wiederum sollen die Bestechungssummen an die Richter weitergeleitet haben. An das kleine Gericht, so heißt es beim „Kyiv Independent“ weiter, seien durch dieses System allein im vergangenen Jahr rund drei Millionen Dollar geflossen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat verstärkte militärische Anstrengungen angekündigtDas Jahr 2024 müsse entscheidend sein, um einen Sieg gegen Russlands Präsident Wladimir Putin zu erringen, sagte Selenskyj auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos. „Wir können ihn zu Land, zu See und in der Luft schlagen“, betonte der ukrainische Präsident mit Blick auf Putin. Zugleich lehnte Selenskyj die Möglichkeit der sogenannten Einfrierung des Konflikts ab. Putin sei ein Raubtier, das sich nicht mit gefrorenen Produkten zufriedengebe.
  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in Davos weitere Unterstützung für die Ukraine angemahnt. „Die Ukraine benötigt Planbarkeit bei der Finanzierung im gesamten Jahr 2024 und darüber hinaus“, sagte von der Leyen in einer Rede. Kiew brauche zudem „ausreichende und kontinuierliche Waffenlieferungen, um die Ukraine zu verteidigen und ihr rechtmäßiges Hoheitsgebiet zurückzuerobern“. Mehr zu Weltwirtschaftsforum in Davos lesen Sie hier.
  • Die Union erhöht den Druck auf die Bundesregierung, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen. Die Unionsfraktion wolle am Mittwochnachmittag einen Entschließungsantrag in den Bundestag einbringen, mit dem eine solche Lieferung zur Abstimmung gestellt werde, kündigte Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) an.
  • Die polnischen Lkw-Fahrer, die seit November Grenzübergänge zur Ukraine blockieren, stellen ihre Protestaktion vorerst ein. Polens Infrastrukturminister Dariusz Klimczak unterzeichnete eine entsprechende Vereinbarung mit den Protestierenden. Rafal Mekler, einer der Organisatoren der Proteste, sprach in einem Eintrag im Kurznachrichtendienst X von einem „Vertrauensvorschuss“ für die Regierung. „Das ist keine Kapitulation, sondern eine strategische Pause.“
  • Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg setzt auf anhaltende Unterstützung der Nato-Staaten für den Abwehrkampf der Ukraine gegen die russische Invasion. „Hilfe für die Ukraine ist eine Investition in unsere eigene Sicherheit“, betonte er in Davos. „Wir müssen der Ukraine nur beistehen - und irgendwann wird Russland verstehen, dass sie einen zu hohen Preis zahlen und einer Art gerechtem Frieden zustimmen“, sagte er. Die Nato-Staaten müssten ihr Möglichstes tun, um den Preis für Russland hochzutreiben.
  • Nach Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums haben weder Russland noch die Ukraine in der vergangenen Woche nennenswerte Fortschritte an der Front gemacht. Russland habe es trotz der Einnahme der Kleinstadt Marjinka im Dezember nicht geschafft, daraus Kapital zu schlagen und entweder westlich Richtung Kurachowe oder südlich Richtung Nowomychajliwka vorzustoßen, teilten die Briten mit.
  • Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat eingeräumt, dass er zu Beginn des Krieges das Bedürfnis hatte, seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow bei Gesprächen ins Gesicht zu schlagen. „Die schwierigsten Gespräche sind die, bei denen man das Gefühl hat, dass man seinem Gegenüber am liebsten eins auf die Nase geben würde, es aber nicht kann. Und ich kann sagen, dass das zwei oder drei Mal der Fall war. Einmal mit Lawrow im Frühjahr 2022 in Antalya“, sagt Kuleba in einem informellen Interview mit einem ukrainischen Videoblogger.
  • Angesichts verstärkter russischer Angriffe haben die Behörden in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine die Bewohner zahlreicher Dörfer nahe der Front aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. „Angesichts der Sicherheitslage“ werde die Evakuierung der Einwohner aus den Gemeinden Kindraschiwska und Kuryliwska im Bezirk Kupjansk angeordnet, teilte Regionalgouverneur Oleg Synegubow in Onlinediensten mit. Demnach sind mehr als 3000 Menschen in 26 Orten von den Evakuierungen betroffen.
  • Vadym Skibitskyi, der Vize-Chef von Kiews militärischem Geheimdienst, hat sich in einem Interview mit dem Medium „RBC-Ukraine“ über den aktuellen Stand der russischen Armee und des Rüstungskomplexes geäußert. Demnach stießen jeden Tag etwa 1000 bis 1100 Personen zu den russischen Streitkräften. In erster Linie täten diese das aus Gehaltsgründen. Sie stammten primär aus Krisen- und Randregionen des Landes, in denen die Löhne niedrig seien oder es überhaupt keine Arbeitsplätze gebe. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Russland hat laut dem Verteidigungsministerium in Moskau in der Nacht zum Dienstag erneut einen ukrainischen Drohnenangriff über dem Grenzgebiet Woronesch im Südwesten des Landes abgewehrt. Drei Geschosse seien von der Luftabwehr zerstört worden, teilte das Ministerium auf Telegram mit. Ein Kind sei leicht verletzt worden, nachdem Fragmente einer abgeschossenen Drohne in eine Wohnung eingeschlagen waren, schrieb der Gouverneur des Gebiets, Alexander Gussew, ebenfalls bei Telegram. Mehr zum Krieg in der Ukraine lesen Sie in unserem Blog.

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