zum Hauptinhalt
Menschenrechtsserie

© Sophie Peschke/ Montage: Manuel Kostrzynski

„Seit 43 Jahren kämpfen die Menschen“: Aktivist spricht über die Revolution im Iran

Seit drei Monaten riskieren Menschen im Iran, Belutschistan und Kurdistan bei Protesten ihr Leben. Ein kurdischer Aktivist aus dem Iran erzählt von der Unfreiheit, die sie dazu treibt.

Von

Das Zimmer von Kaveh Kermanshahi ist wie aus dem Berliner Ort gefallen. Der Couchtisch bietet Platz für eine Schale voller Granatäpfel, gegenüber hängen zwei traditionelle Instrumente – eine Rahmtrommel und ein Saz. Den Raum beherrscht dunkles Holz, Kunst und viel Tradition.

Kaveh Kermanshahi lebt seit zehn Jahren in Berlin. Geboren und aufgewachsen ist der 39-Jährige in Kermanschah, einer kurdischen Stadt in Ost-Kurdistan oder auch West-Iran genannt. Wenn er von seiner Heimatstadt spricht, lächelt er. „Ich mag Berlin, aber ja, natürlich vermisse ich meine Stadt. Ich vermisse die Straßen, die Gesellschaft.“

Seine Wohnung gibt ihm ein Stückchen Heimat zurück. An den Wänden und auf einem Sekretär sind Fotos von Familienmitgliedern, das größte Foto zeigt ihn und seine Mutter, von der er später sagen wird, dass sie sein größtes Glück ist.

Im Video: Kaveh Kermanshahi spricht über die Tatsache, dass er nicht mehr zurück in seine Heimat kann.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Ich habe versucht, diesen kleinen Raum wie ein Stück meiner Heimat aufzubauen. Die Welt ist sehr groß, aber dieses Zimmer ist das Einzige, in dem ich machen darf, was ich will.“

Die Fotos und auch die Symbole, wie der traditionell kurdische Schal, den Kaveh über den runden Esstisch gespannt hat, haben eine Bedeutung für ihn, sagt er.

Aus der Haft geflohen, heute kämpft er weiter

Im Iran studierte er Jura, in Berlin nahm er dann das Studium der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession auf. Aufgrund politischer Arbeiten wurde er 2010 im Iran verhaftet und nach einer viermonatigen Untersuchungshaft zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Während seines Hafturlaubs auf Kaution schaffte er es, den Iran über den Irak zu verlassen und lebt seither in Berlin.

So viele queere Menschen im Iran können sich nicht als queer outen. Sie können sich nicht zeigen wie die Frauen und studierte Personen.

Kaveh Kermanshahi zu den massiven Unterdrückungen im Iran

Als Journalist und Menschenrechtsaktivist arbeitet Kermanshahi für Kurdish Human Rights Project. Eine seit 1992 bestehende Wohltätigkeitsorganisation, die als Reaktion auf Völkermord, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen in den kurdischen Regionen der Türkei, des Irak, des Iran, Syriens, des Kaukasus und anderswo gegründet wurde.

„Das ist keine Wahl, sondern ein Muss. Du musst gegen das Regime kämpfen, das das Leben der Menschen im Iran geklaut hat.“ Er arbeitet und forscht seit 20 Jahren im Bereich Menschenrechte mit dem Schwerpunkt Rechte der Frauen, Kurd*innen, Yarsan und queeren Menschen.

Im Iran drohen nun auch Massenhinrichtungen der Protestierenden. Zwei Menschen wurden bereits exekutiert. Die Empörung weltweit ist groß.

© IMAGO/ZUMA Wire / IMAGO/Onur Dogman

Auch seine Familie gehört der Religionsgruppe der Yarsan an. Yarsan sind eine religiöse Minderheit im Iran, die sich meist bedeckt halten. Sie sind – wie andere religiöse Minderheiten im Iran – systematischer Unterdrückung ausgesetzt. Der Kampf für Freiheit bei den aktuellen Protesten sei zudem nicht neu. „Seit 43 Jahren kämpfen die Menschen.“

Queere Menschen können sich nicht zeigen

Massiv von Unterdrückung betroffen sind auch nicht-hetero oder trans Menschen, die sowohl in der Familie als auch in der Gesellschaft diskriminiert werden. „So viele queere Menschen im Iran können sich nicht als queer outen. Sie können sich nicht zeigen wie die Frauen und studierte Personen.“

Dabei seien auch sie ein wichtiger Teil der Proteste, sagt Kaveh Kermanshahi. Sie versuchen auch präsent zu sein, sagen: „Wir sind auch dabei. Niemand darf uns vergessen.“

Ob er die Stimme der Menschen im Iran sei? „Die Menschen dort haben eine Stimme“, entgegnet er ohne zu zögern. „Unsere Aufgabe ist es, ihre Stimme in andere Gesellschaften zu transportieren, wie zum Beispiel nach Deutschland.“

Die internationale Solidarität sei sehr wichtig und gebe Kraft. Vonseiten der Politik sei die Erwartungshaltung klar: „Wir erwarten nicht, dass sie uns unterstützen. Wir bitten sie nur darum, unsere Unterdrücker nicht zu unterstützen“, erklärt Kermanshahi.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false