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Einsatzkräfte in dem ausgebrannten Konzertsaal

© REUTERS/Russian Emergencies Ministry

Update

Suche nach Vermissten in Moskau beendet: Terroristen wollten angeblich zuerst nach Belarus fliehen

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko behauptet, die Angreifer hätten erfolglos versucht, in sein Land zu kommen. In Moskau wurde derweil die Suche nach Vermissten eingestellt.

| Update:

Die Angreifer auf einen Konzertsaal bei Moskau haben nach Angaben des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zunächst die Flucht nach Belarus versucht. Sie seien aber wegen der Grenzkontrollpunkte umgekehrt, erklärte Lukaschenko am Dienstag.

„Deswegen gab es keine Möglichkeit für sie, nach Belarus einzureisen. Sie haben das gesehen. Deswegen kehrten sie um und gingen zu dem Abschnitt an der ukrainischen-russischen Grenze.“ Damit widersprach der belarussische Machthaber den russischen Angaben, dass die Angreifer zunächst versucht hätten, in die Ukraine zu fliehen.

Unterdessen ist vier Tage nach dem Anschlag die Vermisstensuche in der ausgebrannten und teilweise eingestürzten Konzerthalle eingestellt worden. „Ich kann mitteilen, dass es unter den Trümmern keine Opfer mehr gibt“, meldete der Chef des Katastrophenschutzes im Gebiet Moskau, Sergej Poletykin, am Dienstag.

Politiker werben wür Wiederanwendung der Todesstrafe

„Die Suchhundeführer haben ihre Arbeit beendet, die Retter haben ihre Arbeit beendet.“ 8000 Quadratmeter Fläche seien abgesucht worden, teilte der Gouverneur des Moskauer Umlands, Andrej Worobjow, mit. Etwa 1000 Kräfte des Zivilschutzes seien im Einsatz gewesen, schrieb er auf seinem Telegramkanal. 

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Der russische Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin hält unterdessen die Wiederanwendung der Todesstrafe in Russland für schnell machbar. „In unserer Verfassung und im Strafrecht hat niemand die Todesstrafe abgeschafft“, sagte Wolodin am Dienstag bei einer Parlamentssitzung. Das Verfassungsgericht könne die Anwendung beschließen. Es seien keine Referenden oder anderen Entscheidungen nötig.

Bisher gilt ein Moratorium auf die Anwendung der Todesstrafe in Russland. Führende Politiker, darunter von der Kremlpartei Geeintes Russland, haben sich nach dem Terroranschlag bei Moskau am Freitag für eine Wiedereinführung dieser Höchststrafe ausgesprochen.

Todesstrafe in Russland seit 1996 ausgesetzt

Wolodin hatte sich nach dem Anschlag auf das Veranstaltungszentrum Crocus City Hall, bei dem mindestens 139 Menschen starben, noch am Freitag für eine Tötung der Täter ausgesprochen. Nun sagte er, dass eine Entscheidung über die Wiederanwendung der Todesstrafe mit kühlem Verstand und nach einer Diskussion getroffen werden müsse.

Das letzte Todesurteil durch Erschießen wurde in Russland 1996 unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin ausgeführt. Russland führte dann ein Moratorium ein, durch das die Todesstrafe ausgesetzt wurde.

Ein Polizeibeamter steht in der Nähe der Crocus City Hall nahe Moskau, die am Freitag Ziel eines Terroranschlags wurde.
Ein Polizeibeamter steht in der Nähe der Crocus City Hall nahe Moskau, die am Freitag Ziel eines Terroranschlags wurde.

© dpa/Alexander Zemlianichenko

Duma-Chef Wolodin sagte nun, dass Russland sich nach seinem Austritt aus dem Europarat nicht mehr an die dort geltenden internationalen Vereinbarungen halte. Russlands Nachbar Belarus – beide Länder haben einen Unionsstaat gebildet – führt als letztes Land in Europa noch die Todesstrafe aus, und zwar durch Genickschuss.

Die Debatte um die Wiederanwendung der Todesstrafe kocht in Russland immer mal wieder hoch. Der Chef des russischen Verfassungsgerichts, Waleri Sorkin, sprach sich 2022 gegen die Wiederanwendung der Höchststrafe aus. Damals hatte Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert. Das Moratorium sei durchaus zu überwinden, wenn nur das Verfassungsgericht seine Einstellung ändere, sagte er.

Ein Kremlsprecher hatte am Montag gesagt, dass sich die Präsidialverwaltung nicht an der Diskussion beteilige. Im russischen Staatsfernsehen wurden Menschen bei einer Straßenumfrage gezeigt, unter denen es klare Gegner, aber auch Befürworter der Todesstrafe gab. Einige warnten davor, dass solche Urteile politisch missbraucht werden könnten.

Achter Tatverdächtiger in Untersuchungshaft

Vier Tage nach dem Terroranschlag bei Moskau ist unterdessen ein achter Tatverdächtiger in Untersuchungshaft gekommen. Bei dem Mann handele es sich um einen 31 Jahre alten russischen Staatsbürger, der in der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Kirgistan geboren sei, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax am Dienstag unter Berufung auf das Moskauer Basmanny-Gericht.

Die USA, Großbritannien und die Ukraine stecken hinter dem Angriff auf die Moskauer Konzerthalle.

Alexander Bortnikow, Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB

Ihm wird demnach vorgeworfen, den Terroristen vor der Tat eine Wohnung zur Verfügung gestellt zu haben. Vor Gericht soll der Mann allerdings abgestritten haben, dass er von den Anschlagsplänen wusste. Stattdessen habe er sie für normale Mieter gehalten.

Am vergangenen Freitag hatten Terroristen die Konzerthalle Crocus City Hall in der Stadt Krasnogorsk bei Moskau gestürmt und mindestens 139 Menschen getötet. Rund 200 weitere wurden verletzt. Später bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu dem Anschlag. Westliche Sicherheitsbehörden und Experten vermuten den IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) dahinter.

Nach Einschätzung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wird die Zahl der Komplizen der Attentäter noch weiter steigen. Es seien noch mehr als die bislang festgenommenen elf Verdächtigen, sagte FSB-Chef Alexander Bortnikow den staatlichen russischen Nachrichtenagenturen Interfax, RIA und Tass zufolge.

Geheimdienst behauptet, weiteren Anschlag verhindert zu haben

Unterdessen teilte der FSB mit, er habe einen weiteren Anschlag in der Region Samara vereitelt. Dahinter habe angeblich ein Mitglied der paramilitärischen Organisation „Russischer Freiwilligenkorps“ gesteckt, die aufseiten der Ukraine kämpft. Unabhängig überprüft werden konnte dies zunächst nicht.

Schon kurz nach dem Terroranschlag bei Moskau hatten russische Politiker und Propagandisten die IS-Bekennerschreiben abgetan und stattdessen ohne Vorlage von Beweisen behauptet, die Ukraine stecke hinter dem Verbrechen.

Dies wiederholte Bortnikow nun: Geheimdienste westlicher Staaten sowie der Ukraine hätten den Anschlag gebraucht, um Panik in Russland auszulösen, sagte der FSB-Chef. „Die USA, Großbritannien und die Ukraine stecken hinter dem Angriff auf die Moskauer Konzerthalle.“ Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sei ein „legitimes Ziel“, fügte Bortnikow hinzu.

„Die Lügen werden jetzt offiziell verbreitet“

Auch der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, machte die Ukraine verantwortlich für den Anschlag auf die Konzerthalle bei Moskau. Das russische Nachrichtenportal Shot veröffentlicht ein Video, in dem einer seiner Reporter Patruschew im Vorbeigehen nach den Verantwortlichen fragt: „ISIS oder Ukraine?“ Patruschew antwortet: „Natürlich die Ukraine.“ Patruschew verfügt als Sekretär des wichtigen Sicherheitsrates, dessen Vorsitz Präsident Wladimir Putin hat, viel Einfluss und ist ein enger Vertrauter des Staatschefs.

Die Ukraine wies auch die jüngsten Vorwürfe Russlands zurück: Das seien Lügen, erklärt der enge Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, auf dem Kurznachrichtendienst X. „Die Lügen werden offiziell verbreitet von Patruschew und danach vom FSB-Chef Bortnikow.“ (dpa/Reuters)

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