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Ein Flüchtlingskind aus Eritrea in einem Boot vor der Küste zu Libyen (Archivbild).

© dpa/Santi Palacios

Jahresbericht von Human Rights Watch: „Es gibt viele vergessene Konflikte“

Am Donnerstag hat Human Rights Watch den neuen Jahresbericht veröffentlicht: Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor der Organisation, erklärt, wo sich die Lage besonders verschlechtert hat.

An diesem Donnerstag ist der Jahresbericht von Human Rights Watch erschienen. Die Lage der Menschenrechte scheint so schlecht wie seit vielen Jahren nicht, oder?
Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten bestätigt sich dieser Eindruck. Dazu kommt, dass demokratische Regierungen, wie auch die Bundesregierung, wegen der geopolitischen Bedrohungslage wieder stärker bereit sind, mit Staaten zu kooperieren, die die Menschenrechte mit Füßen treten, ohne dabei gleichzeitig den Schutz der Menschenrechte einzufordern. So hat sich die Lage nicht nur weiter verschlechtert, sondern es scheint, dass auch Menschenrechte in der Diplomatie an Bedeutung verlieren.

In welchen Ländern ist die Lage besonders dramatisch?
Die Liste ist lang. Einige Beispiele sind die Lage in Russland, in China, der gesamte Nahe Osten, Lateinamerika und die Länder am Horn von Afrika.

Wie schneidet Europa ab? Hier gibt es nicht nur durch Russlands Angriffskrieg in der Ukraine dramatische Entwicklungen.
In Ungarn wird die Medienfreiheit stark eingeschränkt und Viktor Orbán torpediert eine menschenrechtskonforme Politik in der EU. Wir sehen auch in Polen, wie schwierig es nach einem demokratischen Regierungswechsel ist, Rechtsstaatlichkeit wieder einzuführen.

Innerhalb und außerhalb der EU gibt es auch Regierungschefs, wie in Ungarn und Serbien, die den russischen Staatschef Putin unterstützen. Dies birgt die Gefahr der Unterwanderung und Destabilisierung. Und die EU ist im Rahmen ihrer Migrationspolitik bereit, mit Ländern zu kooperieren, in denen die Menschenrechtslage desolat ist – um Migranten und Flüchtlinge abzuhalten. Zudem gibt es innerhalb der EU massive Probleme mit Rassismus und Antisemitismus.

Viele autoritäre Regime haben lange bestritten, Menschenrechte zu verletzen, wie etwa China in Xinjiang. Nun scheint es so, dass sie den Verstoß „salonfähig“ machen wollen, indem sie ihn als legitim darstellen.
Diese Beobachtung trügt nicht. Tatsächlich setzen autoritäre Staaten auf Propaganda und auf geopolitische und wirtschaftliche Macht, um Narrative zu beeinflussen und sich in ein besseres Licht zu rücken.

Dazu gehören auch Sportveranstaltungen, womit sie sehr erfolgreich sind. Die großen Sportverbände sind von dem Versprechen grandioser, teurer Spiele angezogen und werfen dafür ihre eigenen Werte über Bord.

Auf welche Hotspots und Entwicklungen sollte die Welt jenseits der großen Konflikte schauen?
Es gibt viele Konflikte, über die kaum berichtet wird, etwa über den Krieg im Sudan oder über die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen im Äthiopien-Krieg. Nach dem Abzug der französischen und deutschen Truppen aus der Sahel-Zone ist auch diese Region bei uns aus dem Blickfeld geraten. Dies gilt auch für Afghanistan und die Militärdiktatur in Myanmar. Und völlig im Dunkeln der Weltöffentlichkeit führt Erdogan einen Krieg gegen die Kurden und bombardiert in Syrien kurdische Städte.

Was kann die westliche Wertgemeinschaft tun, um diesem Trend etwas entgegenzusetzen?
Die westlichen Länder müssen prinzipentreu handeln. Sie müssen deutlich machen, dass das Leben und die Würde jedes Menschen in allen Regionen der Welt gleich viel wert ist. Staaten, die die Menschenrechte missachten, dürfen nicht den Eindruck haben, sie könnten weiter machen wie bisher.

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