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Ankunft von Migranten in Großbritannien.

© dpa/Gareth Fuller

Flüchtlinge in Großbritannien: Oberstes Gericht kippt konservative Asyl-Politik

Der Oberste Gerichtshof des Königreichs hat Abschreck-Abschiebungen nach Ruanda für rechtswidrig erklärt. Zuvor hatte es bereits heftigen innerparteilichen Streit gegeben.

Es ist eine Ohrfeige für Premier Rishi Sunak: Einstimmig und ohne jede Einschränkung hat der britische Supreme Court am Mittwoch die Ruanda-Asylpolitik der konservativen Regierung für rechtswidrig erklärt.

Angesichts der Menschenrechtssituation in dem zentralafrikanischen Land könne nicht garantiert werden, dass Asylbewerber dort ein faires Verfahren erhalten würden. Vielmehr bestehe die Gefahr ihrer zwangsweisen Rückführung ins Heimatland, wo ihnen Gefahr für Leib und Leben drohe, sagte Gerichtspräsident Lord Robert Reed in einer kurzen Begründung.

Dies sei „nicht der Verfahrensausgang, den wir uns gewünscht hätten“, teilte Sunak mit. Seine Regierung werde mit anderen Mitteln versuchen, die „illegale Migration“ über den Ärmelkanal zu stoppen. Erst am Montag hatte der Regierungschef die Innenministerin Suella Braverman gefeuert, wofür sich die Galionsfigur des harten rechten Flügels tags darauf mit einer wortreichen Abrechnung rächte: Sunak sei schwach und halte seine Versprechen nicht ein.

Umstrittenes Projekt

Die Downing Street reagierte mit der eisigen Mitteilung, der Premier „dankt Frau Braverman für ihre Arbeit“. Der frühere Innenminister und Parteichef Michael Howard, selbst ein eingefleischter Parteirechter, beschuldigte Braverman der Meuterei: „Die Regierung ist ohne sie besser dran.“

Bravermans Vorwurf gegen Sunak bezieht sich auf den lang gehegten Wunsch der nationalistischen Rechten, dem Europarat und damit der Europäischen Menschenrechtskonvention den Rücken zu kehren. Ausdrücklich verwies Lord Reed in der Urteilsbegründung jedoch darauf, man habe sich keineswegs nur auf die Konvention, sondern auch auf eine Reihe von UN-Verträgen gestützt.

Die UN-Flüchtlingskommission habe die beste Möglichkeit, das Asylsystem in Ruanda zu beurteilen, sagte der Gerichtspräsident und verwies auf die 100-prozentige Ablehnungsrate Ruandas von Asylgesuchen Geflüchteter aus Konfliktzonen wie Syrien, Jemen, Afghanistan.

Reed selbst sowie der erfahrene Höchstrichter David Lloyd-Jones waren mit der Bearbeitung des Falls befasst; ihrer Bewertung stimmten die anderen drei Richter – allesamt Männer, darunter Reeds Vizepräsident – uneingeschränkt zu.

Das von Braverman verfolgte und durch ein drakonisches Gesetz abgesicherte Vorhaben sah vor, dass „illegal“ per Lastwagen oder Schlauchboot auf die Insel Gekommene zukünftig grundsätzlich ihr Asylrecht verwirken. Sie sollen in Haft kommen und abgeschoben werden.

Ein Demonstrant steht vor dem Obersten Gerichtshof in London.
Ein Demonstrant steht vor dem Obersten Gerichtshof in London.

© dpa/KIRSTY WIGGLESWORTH

Im 7000 Kilometer entfernten Ruanda sollten die Menschen aufgenommen werden und ein Asylverfahren erhalten, die Rückkehr ins Königreich wäre in jedem Fall ausgeschlossen gewesen. London hat der wegen Menschenrechtsverletzungen umstrittenen Regierung von Präsident Paul Kagame bisher bereits mindestens 140 Mio. Pfund (162,5 Mio. Euro) bezahlt.

Labour hatte den Regierungsplan von Beginn an als „unausführbar, unethisch und total überteuert“ bezeichnet. Die bezweckte Abschreckung werde nicht eintreten. Für viel wichtiger hält die Oppositionspartei eine Reform des Asylsystems: Derzeit warten 175.000 Menschen auf eine Entscheidung, Zehntausende verbringen lange Jahre in Notunterkünften.

Das Königreich nimmt auf offiziellem Weg Flüchtlinge aus der Ukraine, Hongkong und Afghanistan auf. Unter den „illegal“ Ankommenden waren dennoch viele Afghanen, zudem Iraner und Menschen aus Ostafrika, vor allem dem Sudan. Viele von ihnen erhalten derzeit, nach häufig jahrelanger Ungewissheit, am Ende doch politisches Asyl.

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