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Videoaufnahmen von israelischen Geiseln im Shifa-Krankenhaus.

© AFP/-

„Das offenste Geheimnis Gazas“: Dass die Hamas aus dem Schifa-Krankenhaus operierte, kann niemanden überraschen

Israel hat Bilder und Videos veröffentlicht, die belegen sollen, dass die Hamas die Al Schifa-Klinik militärisch nutzte. Zahlreiche Augenzeugenberichte aus den vergangenen Jahren stützen Israels Version.

Seit Wochen wird um das Schifa-Krankenhaus in Gaza gekämpft. Neben dem militärischen Kampf findet auch ein Kampf um die Deutungshoheit statt. Israel ist überzeugt, dass sich im und unter dem Krankenhaus ein Kommandozentrum und Terrorinfrastruktur der Hamas befunden haben.

Zahlreiche Kritiker finden die von Israel dafür vorgelegten Belege nicht überzeugend und werfen dem Land vor, mit dem Kampf um das Krankenhaus Kriegsverbrechen zu begehen.

Doch unabhängig davon, wie überzeugend die in den letzten Tagen vorgelegten Beweise im Einzelnen sind, ist die militärische Nutzung des größten Krankenhauses Gazas seit über 15 Jahren gut dokumentiert und wird von kaum jemanden außer der Hamas ernsthaft bestritten.

Das US-Magazin „Tablet“ schrieb zum Beispiel schon im Jahr 2014: „Dass sich einer der wichtigsten Kommandobunker der Hamas unter dem Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt befindet, ist eines der offensten Geheimnisse des Gaza-Krieges.“

Der Standort sei so wenig geheim, dass die Hamas dort regelmäßig internationale Reporter treffe, heißt es in dem Bericht. Schon 2006 zeigte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender PBS in den USA eine Dokumentation, in der bewaffnete Männer in den Fluren des Krankenhauses zu sehen sind, die das Personal einschüchtern und Sonderbehandlungen für ihre Kameraden verlangen.

2007 berichtete „Human Rights Watch“, dass während des Bürgerkriegs zwischen der Hamas und der Fatah Gefechte im und um das Schifa-Krankenhaus stattgefunden hätten. Die Fatah habe das Krankenhaus mit Mörsern beschossen, woraufhin die Hamas „das Feuer aus dem Gebäude heraus erwidert“ habe, heißt es im Bericht der NGO. Schon damals muss es demnach militärische Infrastruktur in dem Gebäude gegeben haben.

Juma Saka, ein leitender palästinensischer Arzt des Krankenhauses, wird im selben Jahr in einem Bericht des britischen Medizin-Magazins BMJ mit den Worten zitiert: „Das medizinische Personal leidet unter Angst und Schrecken, vor allem vor den Hamas-Kämpfern, die sich in jeder Ecke des Krankenhauses aufhalten.“

Hamas-Führer Haniyeh soll sich während der israelischen Militäroperation 2009 dort versteckt haben

Spätestens seit 2009 geht der israelische Militärgeheimdienst offiziell davon aus, dass die Terrororganisation eines ihrer Hauptquartiere unter dem Krankenhaus betreibt. Klar ist, dass das Gebäude im Rahmen einer Modernisierung während der letzten Besetzung Gazas durch Israel umfangreich unterkellert wurde. Auch die Hamas selbst brüstet sich immer wieder damit, hunderte Kilometer Tunnel in Gaza-Stadt errichtet zu haben.

Ein Hamas-Terrorist in einem Tunnel.
Ein Hamas-Terrorist in einem Tunnel.

© Imago/Zuma Wire/Dawoud Abo Alkas

Auch internationale Medienberichte stützen diese These seit Jahren. Ein italienischer Journalist, der 2009 nach der israelischen Operation „Gegossenes Blei“ Krankenhäuser im Gaza besuchte, berichtete: „Mehrere palästinensische Quellen, mit denen ich später sprach, bestätigten, dass sich die Kommando- und Kontrollzentrale der Hamas unter dem Schifa-Krankenhaus befand und dass sich Ismail Haniyeh (der Hamas-Führer) während der gesamten Dauer der Operation Gegossenes Blei dort versteckt hielt.“

Im Jahr 2014 schrieb die Washington Post, dass das Krankenhaus inzwischen „de facto zum Hauptquartier der Hamas-Führer geworden ist, die in den Fluren und Büros zu sehen sind“. Im selben Jahr berichtete der palästinensische Journalist Radjaa Abou Dagga, wie die Hamas einen Teil des Gebäudes, „nur wenige Meter von der Notaufnahme entfernt, als ihr Büro nutzt“. Darüber berichtet das US-Magazin „The Atlantic“ 2014.

Auch Dave Harden, ehemaliger Direktor der größten US-Organisation für Entwicklungszusammenarbeit („USAID“) in den palästinensischen Gebieten, schrieb vor wenigen Tagen auf X, dass schon während seiner Dienstzeit 2014 gemeinhin angenommen wurde, dass die Hamas das Krankenhaus als „Operationsbasis“ nutze. Auch dem „Internationalen Roten Kreuz“ war laut Harden bekannt, dass die Terroristen Krankenwägen für ihre Truppenverlegungen missbrauchten.

„Alles ab Etage -2 war verboten. Das war der Bereich der Hamas“

Deutsche Medien bestätigten dies ebenfalls. Nicola Albrecht, ehemalige Leiterin des ZDF-Studios in Tel Aviv, berichtet, dass in Gaza niemand bezweifelt, dass die Hamas die Keller unter dem Krankenhaus für ihre Zwecke missbraucht. Sie berichtet, bereits etwa 20 Mal im Schifa-Hospital gewesen zu sein und dabei sei jedem Journalisten immer klar gewesen, dass sie als Medienvertreter niemals in den Keller hätten gehen dürfen: „Alles ab Etage 2 war verboten. Das war der Bereich der Hamas.“

Das deckt sich mit dem kürzlich veröffentlichten Bericht eines britischen Arztes, der in palästinensischen Krankenhäusern gearbeitet hatte, und anonym bleiben wollte. Er sagte dem französischen Sender France24, dass es Bereiche des Krankenhauses gegeben habe, in die er nicht gehen konnte, weil er sonst erschossen worden wäre.

Er habe „einige zwielichtige Gestalten beobachtet, die nicht aus dem medizinischen Bereich stammten, die die ganze Zeit ein- und ausgehen. Es war eine Station, die in einen Keller führte.

Israel bleibt der Welt die letztgültigen Belege zum Umfang des Missbrauchs des Krankenhauses durch die Hamas bisher schuldig. Diese dürften auch noch Wochen auf sich warten lassen, angesichts der Tatsache, dass die israelische Armee noch nicht einmal begonnen hat, systematisch in die hunderte Kilometer langen Tunnelnetze einzudringen, in dem sich noch tausende Hamas-Terroristen befinden sollen.

Doch die vielen übereinstimmenden Berichte lassen kaum Zweifel daran, dass die Hamas das Krankenhaus seit Jahren systematisch missbraucht, was ein Kriegsverbrechen darstellt.

Auf die Frage, warum so wenige palästinensische Quellen, das aktuell offen aussprechen, hat der britische Arzt, der selbst anonym bleiben will, eine einfache Antwort: Über die Hamas werde im Krankenhaus nur in leisen Tönen gesprochen, denn „die Leute sind wirklich verängstigt“.

Das wiederum ist wenig überraschend, denn bereits 2015 berichtete die Israel gegenüber sehr kritisch eingestellte NGO „Amnesty International“, dass die Hamas Palästinenser, die verdächtigt wurden, mit Israel zu kollaborieren, im Schifa-Krankenhaus verhört, gefoltert und ermordet habe.

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