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Viele Nigrer fordern eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung – offen demonstrieren können sie dafür aber nur im Ausland, wie hier in Paris.

© REUTERS/STEPHANIE LECOCQ

Ablauf des Ultimatums an Niger: Kehrt jetzt der Kalte Krieg nach Afrika zurück?

Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft hat den Putschisten mit Gewalt gedroht. Doch viele afrikanische Länder wollen nicht mitziehen. Andere hoffen auf russische Hilfe.

Nach Ablauf des Ultimatums, das westafrikanische Staatenführer den Putschisten in Niamey vor einer Woche gestellt hatten, deutet vieles auf eine militärische Eskalation hin.

Experten warnen bereits vor einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und Russland. Doch noch sind sich afrikanischen Nachbarn uneins, ob die Wiederherstellung der nigrischen Demokratie diesen Krieg tatsächlich wert ist.

Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) hatte der Militärjunta mit einem Militärschlag gedroht, sollte sie nicht bis Sonntag den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum ins Amt zurückholen.

Die Wirtschaftsgemeinschaft hat sich weit aus dem Fenster gelehnt

Bei einem Krisentreffen hatten die Ecowas-Verteidigungschefs vor wenigen Tagen einen Plan geschmiedet, wo und wie ein möglicher Angriff stattfinden soll. Doch die Junta zeigte sich unbeeindruckt. De-Facto-Machthaber Abdourahmane Tchiani will jeglichen Angriff zurückschlagen.

Für die Ecowas steht viel auf dem Spiel. Der Staatenbund durchlebt zwei Jahre vor seinem 50. Gründungsjubiläum eine Existenzkrise, nachdem sich gleich in mehreren Mitgliedsstaaten in den vergangenen Jahren das Militär an die Macht geputscht hatte. Die Armeeregime in Mali, Guinea und Burkina Faso verkündeten letzte Woche, einen Militärschlag gegen den Niger als persönlichen Angriff zu betrachten. Dem Staatenbund bröckeln also die Mitglieder weg.

Wagner-Gruppe könnte Männer aus Mali mobilisieren

Der Putsch in Niger hat einmal mehr die Kalte-Krieg-Stimmung befeuert, die seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine herrscht. Afrikas Autokraten, darunter die Militärmachthaber in Mali und Burkina Faso, setzten in den vergangenen Jahren zunehmend auf die russischen Wagner-Söldner, um ihre Macht zu sichern. „Noch haben wir keine handfesten Beweise für Russlands Beteiligung am Putsch in Niger“, sagt Djiby Sow, Forscher am panafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien (ISS), dem Tagesspiegel.

Doch sollte sich der nun herrschende Nationale Rat für den Schutz des Vaterlandes (CNSP) in die Ecke gedrängt sehen, wären die russischen Kämpfer eine „interessante Option“ für die Putschisten. Kurzfristig könnte Wagner im Fall eines Ecowas-Angriffes etwa seine Ressourcen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik mobilisieren.

Das wäre neben mehreren Tausend Kämpfern vor allem ein breites Arsenal an Waffen und Munition. In den Augen vieler Afrikaner bleiben die Grenzen zwischen dem Kreml und Jewgeni Prigoschins Privatarmee selbst nach dem gescheiterten Moskauer Aufstand im Juni verschwommen.

Ecowas setzt auf Nigerias Militär

Die größte Hürde für eine mögliche Ecowas-Militärmission bleibt derzeit interner Widerstand. Bereits wenige Stunden, nachdem die Staatenführer das Ultimatum ausgesprochen hatten, machte sich in der Region Skepsis breit. Während Benin, Senegal und Cote d’Ivoire sich bereiterklärten, Truppen zu schicken, sprach sich die Opposition in mehreren Ländern, etwa in Ghana, gegen einen Militäreinsatz aus.

 Eine Militärintervention ist eine riskante Wahl, um einen stabilen und regierbaren Niger zu schaffen.

Djibi Sow, Sicherheitsexperte am Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Senegal.

Den Löwenanteil einer Militärmission müsste wohl Nigeria übernehmen. Dessen Armee ist mit 220.000 Mann etwa zwanzigmal größer als jene des Nigers. Dennoch kämpft sie im eigenen Land seit Jahren erfolglos gegen die Boko Haram und andere Dschihadisten.

Ein Auslandseinsatz würde nicht zuletzt Nigerias eigene Sicherheit gefährden. Doch am Wochenende sprach sich der nigerianische Senat gegen einen Militärschlag im Nachbarland aus. Stattdessen sollte Präsident Bola Tinubu als Ecowas-Vorsitzender auf „politische und diplomatische Optionen“ setzen.

Und auf noch einen starken Partner muss die Regionalorganisation wohl verzichten. Algeriens Präsident, Abdelmadjid Tebboune, lehnte am Samstag eine militärische Lösung ab, da er einen Flächenbrand „für die ganze Sahelregion“ fürchtet. Das nordafrikanische Land besitzt mit 317.000 Truppen die größte Armee von Nigers Nachbarn.

Der erste Versuch einer diplomatischen Annäherung an Nigers Junta war diese Woche kläglich gescheitert. Nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft in Niamey musste eine Ecowas-Delegation erfolglos abreisen.

Trotzdem gibt es laut Experten Alternativen zum Militäreinsatz. Etwa eine Verlängerung des Ultimatums oder einen ausverhandelten Fahrplan zu Neuwahlen. „Bevor sie zur Tat schreiten, müssen sich die regionalen und internationalen Akteure erst ihr Ziel klarmachen, also einen stabilen, regierbaren und ordentlich regierten Niger“, sagt Konfliktforscher Sow. Um dies zu erreichen, sei eine Militärintervention eine „riskante Wahl“.

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