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In Sfax in Tunesien wird die Leiche eines weiteren ertrunkenen Migranten geborgen.

© Reuters/Jihed Abidellaoui

210 Tote in zehn Tagen entdeckt: Leichenhalle in Tunesien überfüllt mit ertrunkenen Flüchtlingen

Die Küstenstadt Sfax in Tunesien hat keine Kapazitäten mehr, um tote Flüchtlinge aufzubahren. Und die Zahl der Leichen steigt weiter.

Nach mehreren Unglücken von Flüchtlingsbooten vor der tunesischen Küste ist die zentrale Leichenhalle der Küstenstadt Sfax überfüllt mit den Leichen der Opfer. „Am Dienstag hatten wir mehr als 200 Leichen, weit über die Kapazität des Krankenhauses hinaus“, sagte Justizsprecher Faouzi Masmoudi am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.

„Wir wissen nicht, wer sie sind oder von welchem Schiffbruch sie stammen, und die Zahl steigt.“

Die sanitäre Lage sei wegen der hohen Zahl an Leichen prekär. Es gebe „fast jeden Tag Beerdigungen“, um die Krankenhäuser zu entlasten. Allein am 20. April seien mindestens 30 Menschen beerdigt worden, sagte Masmoudi. Vor der Beisetzung würden von jedem Toten DNA-Proben entnommen, um eine mögliche Identifizierung durch die Angehörigen zu erleichtern.

41.000
Migranten erreichten offiziellen Angaben zufolge seit Jahresanfang Italien per Boot.

Nach Angaben der Hilfsorganisation FTDES beginnen mehr als drei Viertel der Migranten, die Tunesien verlassen, ihre gefährliche Überfahrt in Richtung Europa an der Küste zwischen Sfax und dem weiter nördlich gelegenen Mahdia.

Tunesien ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge, die über die Mittelmeer-Route nach Europa gelangen wollen. Die italienische Insel Lampedusa ist weniger als 150 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt.

Nach offiziellen Zahlen des Innenministeriums in Rom vom Freitag erreichten seit Beginn des Jahres knapp 41.000 Migranten per Boot Italien – im Vorjahreszeitraum waren es rund 10.000. Die Boote sind oft nicht seetauglich, immer wieder sterben Menschen bei der Überfahrt.

Wir wissen nicht, wer sie sind oder von welchem Schiffbruch sie stammen, und die Zahl steigt.

 Faouzi Masmoudi, Justizsprecher in Sfax

Tunesiens Marine hat nach Bootsunglücken vor der Küste des nordafrikanischen Landes erneut Dutzende Migranten tot geborgen. In den vergangenen zehn Tagen seien insgesamt 210 Leichen entdeckt worden, teilte ein Sprecher der Nationalgarde am Freitag mit. Die leblosen Körper wurden demnach in der Nähe verschiedener Küstenorte gefunden, darunter Sfax und Mahdia.

Die Opfer stammen den Angaben zufolge wahrscheinlich aus Ländern südlich der Sahara. Derzeit machen sich wieder etliche Migranten auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa. Die Boote sind oft nicht seetauglich, immer wieder sterben Menschen bei der Überfahrt.

Seit einer Rede von Tunesiens Präsident Kais Saied im Februar hat die Zahl der Überfahrten zugenommen. Saied hatte gefordert, gegen die illegale Einwanderung von „Horden“ von Menschen aus Staaten südlich der Sahara vorzugehen.  Er warf ihnen vor, Gewalt und Kriminalität ins Land zu bringen.

Seitdem nahmen auch Anfeindungen und rassistische Übergriffe zu. Zahlreiche Menschen aus diesen Ländern verloren ihre Jobs und Unterkünfte in Tunesien. Tunesien steckt derzeit in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflation liegt nach offiziellen Angaben bei 10,4 Prozent. (AFP, dpa)

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