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Mit Abwasserproben lassen sich unter anderem Drogen-Rückstände erkennen.

© picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt

Kein Interesse?: Warum Berlin derzeit keine Abwasser-Daten zum Drogenkonsum in der Hauptstadt erhebt

Drogenanalyse in 94 Städten, aber die Party-Hauptstadt Berlin will nicht mehr mitmachen. Grund ist offenbar fehlendes Interesse der Behörden an den Daten.

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Die jährliche Abwasser-Drogenerhebung der Europäischen Drogenbehörde EMCDDA ist die größte ihrer Art – aber ausgerechnet Berlin, wo Drogenkonsum und Sucht drängende Themen sind, ist 2023 nicht dabei. In rund 100 europäischen Städten analysiert die EMCDDA jährlich Abwasser auf Rückstände von Drogen. Die Erhebung erlaubt es, valide Konsummuster illegaler Drogen in ganz Europa zu vergleichen und Trends zu erkennen.

Dieses Jahr hat sie gezeigt: Der Kokainkonsum steigt in Europa rasant an, auch MDMA und Ketamin sind auf dem Vormarsch. Hier können Sie die am Mittwoch erschienenen europaweiten Daten erkunden.

Doch in Berlin haben Behörden und Politik offenbar wenig Interesse an den Daten. „Wir haben daraus keinen Erkenntnisgewinn, nur Aufwand“, sagte Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe (BWB), dem Tagesspiegel.

Für die Berliner Wasserbetriebe sind die Ergebnisse nicht relevant

Aus Sicht der BWB, die bis 2018 sowie im Jahr 2022 an der Erhebung teilgenommen haben, mag das stimmen: Als städtisches Wasserversorgungsunternehmen kümmern sie sich etwa um die Klärwerke und die Trinkwasserqualität. Drogenrückstände beeinträchtigen keines der beiden.

„Wir sind die Wasserbetriebe, nicht die Kriminalpolizei“, sagte Natz, deshalb will man nicht mehr an der Erhebung teilnehmen. Würde eine andere Behörde den Wasserbetrieben den Auftrag erteilen – und das Geld dafür in die Hand nehmen – sei man gerne bereit, in Zukunft wieder mitzuwirken. „Wir müssen mit unseren Kosten haushalten.“

Ein an den Analysen beteiligter Wissenschaftler gibt an, der Arbeitsaufwand betrage wenige Stunden Arbeit pro Teilnahme für die Betriebe, aus denen die Proben entnommen werden: Sie füllen etwa die Proben ab, bereiten den Versand vor und stellen selbst einige Ergebnisse zusammen. Das Material zur Proben-Entnahme und ihre Untersuchung bezahlt die EMCDDA.

So gering die Kosten auch sein mögen: Angebote anderer Behörden, sie zu übernehmen, gab es bisher laut Natz nicht. Andere Behörden hätten das bisher „weder getan noch ein solches Interesse erkennen lassen“.

Landessuchtbeauftragte hat „großes Interesse“ an der Analyse, angemeldet hat es ihre Verwaltung jedoch bisher offenbar nicht

Offenbar haben bisher weder Gesundheits- noch Justizverwaltung konkretes Interesse bekundet oder angeboten, die Kosten zu übernehmen. Die Untersuchung des Berliner Abwassers auf Drogen-Rückstände „steht nicht in Zusammenhang mit strafrechtlicher Verfolgung“, sagte ein Sprecher der Justizverwaltung dem Tagesspiegel.

Straßengenaue Rückschlüsse etwa erlaubt die Analyse tatsächlich nicht. Aber sie ermöglicht den Blick auf stadtweite Trends: Welche Droge wird neuerdings mehr genommen? Das macht die Ergebnisse vor allem für die Prävention wertvoll: Wer zeitnah weiß, welche Substanzen in Berlin auf dem Vormarsch sind, kann passgenau Suchthilfe leisten.

Tatsächlich gibt die Senatsverwaltung für Gesundheit an, Interesse zu haben. Die Landessuchtbeauftragte habe „ein großes Interesse an der Durchführung einer Analyse von Drogenrückständen im Berliner Abwasser“, auch wegen der „validen und nicht verfälschbaren Daten“, sagte die Gesundheitsverwaltung dem Tagesspiegel. Allerdings lägen derartige Untersuchungen nicht in ihrer Zuständigkeit. Sie werde sich „im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch zukünftig“ dafür einsetzen, dass Abwasseruntersuchungen wie die der EMCDDA wieder ermöglicht werden.

Geschehen ist das bisher allerdings offenbar nicht. Eine Nachfrage, ob man bereits versucht habe, mit den BWB zu verhandeln, beantwortete die SPD-geführte Gesundheitsverwaltung ausweichend. Es gebe noch ein anderes Projekt, ein vom Bundes-Gesundheitsministerium gefördertes abwasserbasiertes Begleitmonitoring zur Cannabis-Teillegalisierung. Diesbezüglich habe die Landessuchtbeauftragte Anfang Februar an die Wasserbetriebe geschrieben, um für eine Teilnahme Berlins zu werben. Bloß „erfolgte dazu bisher kein weiterer Rücklauf der Berliner Wasserbetriebe“.

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