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Autor Jayrôme Robinet, Foto: Ali Ghandtschi

© ALI GHANDTSCHI

„Mein CSD“ mit Autor Jayrôme Robinet: Die alte Kämpferin und meine Tränen

„Wir haben für Euch gekämpft, Ihr kämpft für die nächsten Generationen“: Autor Jayrôme Robinet über eine bewegende Begegnung auf der Rolli-Tribüne des Berliner Christopher Street Days.

Eine Kolumne von Jayrôme C. Robinet

Der Himmel hatte Platz für viele Atemzüge, er war weit und warm, die Luft erfüllt von Musik und Gelächter, ein buntes Chaos, wie man es nur beim CSD findet. Es war das Jahr 2018. Der Berliner CSD hatte entlang der Strecke Podeste errichtet, die Rollstuhlfahrer:innen und Menschen mit anderen Behinderungen sowohl eine bessere Sicht als auch einen Ort der Ruhe boten.

Ich war ehrenamtlich für die Betreuung einer dieser Tribünen zuständig. Wir begrüßten die Leute, verteilten Wasser, unterhielten uns oder tanzten zusammen. Das Podest wurde moderiert, damit sehbehinderte Menschen die Demo und deren Inhalte wahrnehmen konnten. Es gab auch Leute, die einfach zu müde waren oder nicht lange stehen konnten.

Die Luft vibrierte vor Aufregung, Liebe und Solidarität, wenn auch nur als Wunsch. Für einen Tag, für einen Augenblick verband uns dieser Wunsch.

Aber mein eindrucksvollster Moment ereignete sich abseits des Trubels. Da sah ich sie: eine alte Dame, allein im Rollstuhl, mit einem Lächeln auf den Lippen, während sie die Parade vom Podest aus beobachtete. Sie trug ein weißes T-Shirt mit zwei Berliner Bären in regenbogenfarbenen Brillanten, eine regenbogenfarbene Perlenkette und einen regenbogenfarbenen Ohrring, einen regenbogenfarbenen Fächer aus Federn und auf der Rückseite ihres Rollstuhls waren Engelsflügel mit regenbogenfarbenen Federn. Ich ging auf sie zu und wir kamen ins Gespräch.

Sie erzählte mir, wie sie in ihrer Jugend für die Rechte von Lesben gekämpft hatte, als es noch keine großen Paraden und kaum Akzeptanz gab. „Wir haben für euch gekämpft“, sagte sie, „damit ihr euch nicht verstecken müsst.“

Ihre Augen leuchteten, als sie mich ansah, und mit fester Stimme fügte sie hinzu: „Und ihr kämpft weiter, damit die kommenden Generationen in einer noch offeneren und liebevolleren Welt leben können.“

Die Tränen in meinen Augen funkelten wie Diamanten zwischen ihr und mir, zwischen mir und der Welt.

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