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Für die Studie wurden bundesweit 3000 Menschen ab 16 Jahren befragt. 49 Prozent sind im Netz bereits beleidigt worden.

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„Hass im Netz ist allgegenwärtig“: Queere Menschen sind besonders häufig betroffen

Online-Hass nimmt zu, jeder achte Fall hat mit der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu tun. Das sind Ergebnisse einer neuen Studie. Viele Betroffene reagieren mit Rückzug.

„Lauter Hass – leiser Rückzug“, so heißt die Studie, die Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Und genau so ist es dieser Untersuchung zufolge: Wer im Internet Hass erfährt, zieht sich häufig aus den sozialen Medien zurück. Tendenz: steigend. Besonders betroffen: queere Menschen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie habe der Hass demnach stark zugenommen. Er richte sich gegen Menschen aus Politik, Wissenschaft, Medien und Aktivismus. Allen voran: gegen junge Frauen und queere Menschen. Hass im Netz, so heißt es in der Studie, könne alle treffen – „aber nicht alle gleich.“

Besonders häufig werden bisexuelle Menschen zur Zielscheibe. Laut der Studie haben 38 Prozent von ihnen schon entsprechende Erfahrung gemacht haben. Und: Mehr als jede achte Hasserfahrung hatte der Befragung zufolge mit der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität der betroffenen Person zu tun.

38
Prozent der bisexuellen Befragten haben Hass erlebt

Das Kompetenznetzwerk gegen Hass im Internet, das aus Organisationen wie HateAid, Neue Deutsche Medienmacher*nnen und der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur besteht, führte die Untersuchung durch. Sie hatten zwischen Oktober und November 2023 bundesweit etwa 3.000 Internetnutzer*innen ab 16 Jahren befragt.

Hass im Netz als Normalität

Ein Problem scheint neben der zunehmenden Verrohung auch zu sein, Hass als solchen zu identifizieren. So gab zwar fast jede zweite Person – 49 Prozent – an, schon mal online beleidigt worden zu sein. Jeweils 25 Prozent sagen, dass sie sexuelle Belästigung erfahren oder bedroht wurden. Aber nur 15 Prozent geben an, sie seien selbst von Hass im Netz betroffen. „Diese Diskrepanz zeigt, wie normalisiert Hass im Netz bereits ist“, sagt Elisabeth Weidinger, Pressesprecherin des Kompetenznetzwerkes. Und weil der Hass online dazugehört, nehmen sich viele der Befragten nicht als betroffen wahr.

„Ob toxische Kommentare, Drohungen, beängstigende Kampagnen: Hass im Netz ist allgegenwärtig“, sagte auch Familienministerin Paus bei der Vorstellung der Studie. Und die Erfahrungen sind vielfältig. 41 Prozent gaben an, dass über sie bereits Falschinformationen verbreitet wurden, 42 Prozent der Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren erhielten bereits ungefragt ein Nacktfoto. In 22 Prozent der Fälle wurden die Befragten bereits Opfer von Doxing, also dem Veröffentlichen persönlicher Daten wie Wohnadresse oder Telefonnummer.

Betroffene ziehen sich zurück

Ein weiteres Problem, dass die Studie identifiziert: Es sind vor allem die Betroffenen von Hass im Netz, die daraus Konsequenzen für ihr Verhalten ziehen. 82 Prozent von ihnen reagiert mit Blockieren oder Stummschalten derjenigen, die Hass verbreiten. Vier von zehn Befragten haben ihr öffentliches Profil auf privat umgestellt, 36 Prozent lesen in den sozialen Medien nur noch die Inhalte von Beiträgen, aber keine Kommentare mehr.

Noch gravierender aber ist, dass sich viele aus dem Diskurs zurückziehen. Knapp ein Viertel der Befragten gibt an, ihre Accounts wegen Hass im Netz nicht mehr zu nutzen, oder sie gelöscht zu haben. 21 Prozent posten deshalb nichts mehr. Unterstützung haben sich dagegen nur ganz wenige – acht Prozent – gesucht.

Das Netzwerk gegen Hass im Internet kommt entsprechend zu dem Schluss: „Das gefährdet Meinungsvielfalt und Demokratie.“ Es plädiert deshalb an die Politik, Betroffene besser zu schützen, Social Media-Plattformen mehr in die Verantwortung zu nehmen und Medienkompetenz in der Bevölkerung zu stärken.

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