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Annet CJ.

© Toni Karat

Berlins queere Protestlegende: „Wenn man durch Demos ein Leben retten kann, hat es sich schon gelohnt“

Annet CJ ist praktisch auf jeder queeren Demonstration in Berlin zu finden und protestiert auch schonmal alleine vor Botschaften. Hier erzählt sie, was sie antreibt.

Wer auf queere Demos in Berlin geht, kennt Annett CJ: Sie ist praktisch überall dabei und eine Protestlegende der Stadt. Sie ist in Tempelhof geboren und lebt dort noch immer.

Annet, aktuell setzen Sie sich für die aufständischen Frauen im Iran und gegen die WM in Katar ein. Welche Proteste sind da noch geplant?
Ich mache oft Sachen spontan, indem ich mich etwa vor die Botschaft von Teheran stelle, mehrere Tage lang. Man kann da auch als einzelne Person etwas bewegen. Ich muss nicht immer etwas planen. Wenn mir etwas daran liegt, dann mache ich es einfach.

Man kann sagen: Keine Demo für queere Rechte ohne Annet. Wann hat das mit dem Protestieren angefangen?
Das hat schon angefangen, als ich noch gar nicht gewusst habe, dass ich mich queer zuordne. Schon in meiner Schulzeit als Schulsprecherin, später als Mannschaftsführerin im Fußball habe ich mich für andere Menschen stark gemacht. Als ich mich dann besser kennengelernt habe und mich zuordnen konnte, habe ich meinen Blick auf viele Themen gelenkt und gesagt: Da ist was, was sich nicht gut anfühlt. Da gehe ich mit hin. Das muss nicht immer nur queer sein. Generell sind Menschenrechte unverhandelbar.

Gibt es einen Höhepunkt?
Da, wo ich hingehe, bin ich mit ganzem Herzen dabei. Es gab einen bewegenden Höhepunkt, wo ich gemerkt habe: Ja, es tut sich was. Wir waren etwa 50 Personen, die sich vor einigen Jahren für Jamila eingesetzt haben, die abgeschoben werden sollte.

Jamila ist eine trans Frau aus Äthiopien.
Wir standen am BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Anmerk. d. Red.), mir kamen die Tränen, als Jamila kam und erzählte, wie es ihr erging. Letztendlich wurde alles noch einmal aufgerollt, Jamila durfte in Deutschland bleiben. Wenn man durch solche Demonstrationen ein Menschenleben retten kann, hat es sich schon gelohnt.

Woher kommt die Energie für all die Demonstrationen?
Das frage ich mich auch manchmal. Da bin ich in dem Modus, wo mein Adrenalin hochkommt, dann möchte ich etwas bewegen, das spornt mich an. Wenn ich nicht den ersten Schritt tue, hätte ich auch nicht sechsmal Marathon laufen können. Nach den Protesten bin manchmal auch richtig erschöpft.

Sie machen es auch öffentlich, erschöpft und depressiv zu sein. Inwieweit ist mentale Gesundheit auch in der queeren Community immer noch ein Tabu?
Viele trauen sich nicht zu sagen, dass sie Depressionen haben. Wir brauchen da viel mehr Unterstützung. Ich denke auch an Geflüchtete, an trans Menschen, an Jugendliche. Wird man gemobbt, geht das auch ins Seelische über.

Sie wurden selber Opfer eines queerfeindlichen Übergriffs. Was ist da passiert?
Ich wurde schon unsanft angefasst, das stimmt. Ich wurde mehrfach wegen meines Aussehens beleidigt, ich wurde aus dem CSD heraus angegriffen. Ich bin froh, dass ich mir auch professionelle Unterstützung holen kann, wo ich reden kann. Und: Ich zeige auch an.

Welchen Tipp gibt es für Demonstrierende: Wie drückt man seinen Protest am besten aus?
Sei kreativ, nimm dir ein Stück Pappe, mal was drauf, wo Du auch hinterstehst. Nimm eine Armbinde. Mach einfach sichtbar, wofür Du stehst. Sei mit Deiner Präsenz dabei. 

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