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Alina Khan.

© Filmperlen

Alina Khan ist die erste große trans Schauspielerin Pakistans: Immer mit dem Blick nach vorn

In dem pakistanischen Film „Joyland“ begeistert Alina Khan. Einst lief sie von ihrer Familie davon, heute kämpft die Schauspielerin auch für die trans Community in ihrem Land.

Von Finn-Lukas Hagen

Alina Khan ist elf Jahre alt, als sie von zu Hause wegläuft. Schon damals ist ihr klar, dass sie trans ist, ihre Familie akzeptiert das nicht. Sie wird von den khawaja siras aufgenommen, der trans Community in Pakistan. Damals wird sie vor die Entscheidung gestellt, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen will. Die Auswahl ist begrenzt: als Bettlerin, Tänzerin auf Untergrundpartys oder in der Prostitution?

Heute ist sie 25 Jahre alt und erfolgreiche Schauspielerin. Als erste trans Frau hat sie eine Hauptrolle im pakistanischen Kino bekommen – in dem Film „Joyland“, der auf Filmfestivals weltweit gefeiert wird und seit dem 9. November auch in deutschen Kinos läuft.

Alina Khan verkörpert in dem Film die trans Frau Biba: eine Erotiktänzerin, die eine geheime Beziehung mit Haider, ihrem neuen Backup-Tänzer, beginnt. Ein Großteil des Films spielt in Haiders Großfamilie, in der jeder für seine persönliche Emanzipation vom repressiven Familienoberhaupt kämpft.

Auch Khan ist Familie sehr wichtig – besonders ihre Wahlfamilie, die khawaja siras. Im Videogespräch mit dem Tagesspiegel sagt die Schauspielerin: „Diese Menschen haben mir alles beigebracht.“

Genau wie ihre Figur Biba liebt sie das Tanzen seit Kindertagen. Sie verdiente ihr Geld zunächst als Performerin auf Partys. Die khawaja siras tauften sie auf den Namen Alina Khan, versorgten sie mit Essen, gaben ihr Unterschlupf und vor allem eines: Akzeptanz. Sie sprechen sogar eine eigene Sprache, genannt „Hijra-Farsi“. Eine Abwandlung des Persischen, um sich auch in der Öffentlichkeit ohne Gefahr verständigen zu können.

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Die Zeit bei den khawaja siras beschreibt Khan wie einen Kokon, in den sie sich zurückziehen konnte, um herauszufinden, wer sie wirklich ist. Als sie aus diesem Kokon schlüpfte, hatte sie ein Ziel: Sie will Schauspielerin werden – und mit dieser Sichtbarkeit die Lage der trans Community in Pakistan zu verbessern.

Zwischen 2015 und 2020 wurden in Pakistan 68 Morde an trans Personen registriert, die gesellschaftliche Situation ist angespannt. Zwar verabschiedete das Parlament 2018 den Transgender Person (Protection of Rights) Act, der trans Personen rechtliche Gleichstellung verspricht. Es war ein weltweit beachtetes Novum für ein asiatisches Land.

Doch kurz darauf wurden einige Absätze vom Bundesscharia-Gericht in Islamabad gestrichen, da sie mit dem Islam nicht kongruent seien. Pakistanische Aktivist*innen würden aktuell daran arbeiten, das Gesetz erneut durchzubringen, sagt Khan. Mangelnde Bildung über sexuelle und geschlechtliche Identität, Ablehnung und fehlende Perspektiven seien noch immer große Probleme für trans Menschen in ihrem Land. Viele müssten sich mit Betteln und Prostitution durchschlagen.

Ein langer Weg zum Schauspielen

Khan hat es aus dieser Spirale herausgeschafft. Es war ein langer Weg. Das war sie ihrem früh verstorbenen Vater schuldig gewesen, sagt sie. Anders als der Rest der Familie hatte er sie immer unterstützt. Kurz vor seinem Tod hatte Khan ihm versprochen, trotz aller Hindernisse Schauspielerin zu werden.

Die Schauspielerin Alina Khan. Sie wuchs in einer trans Community auf, nachdem sie von zu Hause weggelaufen war.

© Filmperlen

Im Jahr 2019 erhielt sie ihre erste Rolle im Kurzfilm „Darling“. Über kleinere Rollen hangelte Khan sich zu ihrem Durchbruch 2022 mit „Joyland“. Zuvor gab es zwar trans Rollen im pakistanischen Kino. Allerdings nur solche, die die Community negativ darstellen oder verhöhnen. „Joyland“ ist der erste Film, in dem eine trans Frau Haupt-Protagonistin in einer pakistanischen Produktion ist. Noch dazu eine Protagonistin mit Tiefgang und Emotionen, ebenbürtig und charakterstark. Genau wie Khan selbst.

Denn mit ihrer Rolle kann sich die Schauspielerin nicht nur wegen des Tanzens identifizieren. Sie findet sich auch in Bibas Ehrgeiz und ihrem Arbeitsethos wieder, nie aufzugeben, immer mehr als einhundert Prozent zu geben. „Ich möchte als hart arbeitende Frau in Erinnerung bleiben“, sagt Khan.

Pakistan würde sie nie verlassen

Pakistan, sagt sie, würde sie trotz aller Probleme nie verlassen. Sie schwärmt von den Sehenswürdigkeiten in ihrer Heimatstadt Lahore, dem orangen Schimmer der Sonne, der Schärfe des Essens. Sie wünscht sich zwar, international als Schauspielerin zu arbeiten. Aber nicht, um es „rauszuschaffen“. Sondern, um Pakistan von innen zu verändern.

Für das Filmfestival in Cannes flog Khan das erste Mal nach Europa. In Pakistan wurde „Joyland“ nach wenigen Wochen vorübergehend verboten, in Cannes dagegen wurde der Film zum Triumph. Er gewann den Jurypreis und die „Queer Palm“, die Zuschauer*innen feierten ihn mit einer zehnminütigen Standing Ovation. Khan liebt das Star-Dasein, begeistert erzählt sie vom roten Teppich und ihren Kleidern.

Besonders aber berührt sie die Güte der Menschen, sagt sie. Der Begriff „Diskriminierung“ fällt im Gespräch oft. Dass sie bewegt davon berichtet, wie sie in Cannes eben keine Diskriminierung erfährt, lässt erahnen, welch neue Erfahrung das für die Schauspielerin war.

Das Poster von „Joyland“ zeigt Khan am Steuer eines Motorrollers: Den Blick nach vorne gerichtet, fährt sie in die pinke Abendsonne Lahores. Ein Motiv, das Alina Khans Lebenseinstellung perfekt widerspiegelt. Stets betont sie auch die kleinen Erfolge von trans Aktivist*innen in Pakistan. „Ich wünsche mir, dass die nächste Generation von khawaja siras mit mehr Enthusiasmus, Motivation und Hoffnung durchs Leben gehen kann“, sagt sie.

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