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Barello (l.) und Yasser Abou-Chaker gehören zu den bekanntesten Tiktiokern Deutschlands.

© TikTok/barello official

Antisemitismus auf Tiktok: Wo Jugendliche abends Israelhass lernen

Einige von Deutschlands bekanntesten Tiktokern verbreiten Hetze gegen den jüdischen Staat. Bei ihren jungen Zuschauern zeigt das Wirkung.

Zu den schlimmsten gehört Erkan Essiz, ein Tiktoker aus Bonn. Die gesamte Welt werde, behauptet er, von fünf jüdischen Familien beherrscht. Er wünscht sich, „Israel von der Karte wegzumachen.“ Aber dies gehe leider nicht so einfach, der jüdische Staat sei zu mächtig. Denn, so Essiz: „Alle Aktien, alle Wirtschaftsmächte, alle Banken gehören Israel.“

Tagsüber ist Erkan Essiz Inhaber der Firma „Rheinland Ring“, die Menschen mit eingezogenem Führerschein hilft, sich auf den MPU-Test vorzubereiten. Abends verbreitet er auf Tiktok antisemitische Verschwörungstheorien – und zigtausende, meist jugendliche Menschen schauen ihm dabei zu. Seit der Terrorwelle der Hamas vor einer Woche lässt sich auf der Plattform in Echtzeit verfolgen, wie Hass auf Juden und den jüdischen Staat in die Köpfe von Kindern und Jugendlichen gepflanzt wird.

Erkan Essiz verbreitet seine Hetze im Beisein von Barello, einem der derzeit bekanntesten Tiktokern Deutschlands mit 170.000 Followern, sowie Yasser Abou-Chaker, dem Bruder der Berliner Clangröße Arafat Abou-Chaker, dem über 220.000 Menschen auf der Plattform folgen. Keiner widerspricht Essiz, ganz im Gegenteil. Yasser Abou-Chaker behauptet: Was die Juden jetzt machten, sei „schlimmer als das, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist.“

Erkan Essizs Ausführungen strotzen vor Unwahrheiten und antisemitischen Klischees. Er behauptet, die Juden hätten „eine Weltordnung geschaffen“. Warum ihnen das gelungen sei? Essiz sagt: „Der Jude ist nun mal ein schlauer Mensch, das muss man denen lassen.“

Im Übrigen habe der Westen bei der Staatsgründung Israels geholfen, weil er Panik vor dem Islam habe. Es gebe einen „Jahrhundertplan“, der beinhalte, dass sich Israel große Teile der Region einverleibe. Etwa Syrien und den Irak.

Arafat Abou-Chaker bei einem Gerichtstermin in Berlin.
Arafat Abou-Chaker bei einem Gerichtstermin in Berlin.

© Foto: IMAGO/Olaf Wagner

Außenstehenden ist Tiktok vor allem als Plattform für kurze Tanzvideos oder Mutproben, sogenannte „Challenges“, bekannt. 150 Millionen Nutzer hat die App mittlerweile in Europa, im Durchschnitt sind sie deutlich jünger als etwa die Nutzer von Instagram.

In den vergangenen Monaten nutzten jedoch zunehmend auch Ältere die Plattform, um eigene Inhalte zu verbreiten. Viele von ihnen haben Bezug zum Clan-Milieu. Seit der Terrorwelle der Hamas am Samstag vergangener Woche nutzen sie ihre Reichweite, um Israel zu dämonisieren – vor einem Publikum, das mit den tatsächlichen Hintergründen des Nahostkonflikts oftmals kaum oder gar nicht vertraut ist.

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Arafat Abou-Chaker hält Berichte über Hamas-Terror für „Propaganda“

In einem Livestream behauptet Arafat Abou-Chaker, die Juden wollten „komplett einen Genozid machen“. Gleichzeitig verbreiteten sie „Fake News“ über angebliche Gräueltaten der Hamas. Dies sei „alles nur Propaganda“. Abou-Chaker sagt, das sei „wie Joseph Goebbels im Zweiten Weltkrieg“.

Dass Deutschland und andere Staaten die Juden in Israel unterstützten, liege übrigens daran, dass die Länder auf diese Weise etwas verhindern wollten – nämlich dass die Juden in ihr eigenes Land kämen. Wörtlich sagt Abou-Chaker: „Weil sie keiner haben will“.

In den Kommentarspalten der Streams bekommen die Tiktoker viel Unterstützung für ihre Aussagen. Einige Zuschauer rufen zu Gewalt auf, andere prophezeien einen „Dritten Weltkrieg“. Barello schlägt vor, seine Fans sollten online Druck auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausüben. Dieser solle schnell türkische Soldaten auf israelisches Staatsgebiet schicken, um an der Seite der Palästinenser gegen Israel zu kämpfen.  

In den Livestreams werden historische Ereignisse falsch oder stark vereinfacht dargestellt. Dazu kommt immer wieder Verschwörungsglauben: Barello behauptet zum Beispiel, Prominente wie Justin Bieber und Kylie Jenner, die in der Öffentlichkeit ihre Solidarität mit Israel erklären, täten dies keineswegs freiwillig. Sie gehörten schließlich zu den Illuminaten. Und diese zwängen sie jetzt, Partei für Israel zu ergreifen.

In seinen Streams gibt Barello zudem dem salafistischen Prediger Ibrahim El Azzazi eine Plattform. Der wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Demnächst möchte Barello einen gemeinsamen Stream mit Abou-Chaker und mit dem salafistischen Prediger Pierre Vogel arrangieren. Barello nennt Pierre Vogel einen „guten Bruder“.

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