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Joachim Zeller (CDU) wurde nach seiner Karriere in Berlin Mitglied des Europäischen Parlaments.

© Kai-Uwe Heinrich

Zum Tod von Joachim Zeller: Nicht ganz so typisch Berliner CDU

Joachim Zeller führte die Berliner CDU in einer Zeit der Zerstrittenheit – und hat sie geradezu verkörpert. Nachruf auf einen Pragmatiker und Mann des Machbaren.

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Etwas anders war er immer, dieser Joachim Zeller. Nicht so ganz typisch Berliner CDU, nicht ganz so bürgerlich-korrekt in Auftreten und Aussehen, wie man es, vielleicht klischeehaft, mit den Berliner Christdemokraten verbindet. Dabei hat Zeller die Partei über Jahre nicht bloß repräsentiert, er hat sie geführt und geradezu verkörpert.

Zuletzt, 2019, brachte die „B.Z.“ ein Interview mit ihm, zum Ende seiner Zeit im Europaparlament. Das Foto zeigt Zeller mit dem freundlichen Lächeln, das ihm eigen war, mit dem Vollbart, den er immer trug – und fast schulterlangen Haaren, die auf das schwarze Jackett fallen. Ein Bild, das sagte: Denk’ von mir, was du willst.

Sehr verkürzt, charakterisierte das auch seinen Politikstil, sein politisches Denken. Schon als Bürgermeister von Mitte machte er das. Der studierte Slawist, geboren in Oppeln in Oberschlesien, war 1990 in die CDU gegangen, also gleich nach dem Fall der Mauer. Und nicht bloß in die Partei, deren Kreisverband Mitte er bis 1999 führte. Zeller ging gleich richtig in die Bezirkspolitik, ausgerechnet in Mitte – dem Bezirk, in dem die Teilung der Stadt wohl am heftigsten zu erkennen war. Erst war er Stadtrat, von 1996 bis 2006 dann Bezirksbürgermeister von Mitte.

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Ein Pragmatiker. In einer Zeit, als die Linke noch PDS hieß und in unschöner Regelmäßigkeit mit der Stasi-Vergangenheit mancher Mitglieder konfrontiert war, stütze sich Zeller auf die Bezirksverordneten der Sozialisten-Partei, wenn man bezirkspolitisch das Gleiche wollte. Nicht, weil er ein linker CDU-Mann war, einer von den Herz-Jesu-Sozialisten, wie man sie früher nannte; sondern weil Politik für Zeller zunächst Arbeit war.

Joachim Zeller – hier mit der damaligen CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel – war von 2003 bis 2005 Landesvorsitzender der Berliner CDU. Später zog es ihn ins Europaparlament. Zeller wurde 70 Jahre alt.
Joachim Zeller – hier mit der damaligen CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel – war von 2003 bis 2005 Landesvorsitzender der Berliner CDU. Später zog es ihn ins Europaparlament. Zeller wurde 70 Jahre alt.

© picture-alliance / dpa/dpaweb/Stephanie_Pilick

Das wurde zunehmend auch die Parteipolitik: Arbeit, und zwar von der harten Sorte. Jetzt, kurz nach dem Sieg der Kai-Wegner-CDU bei der Wiederholungswahl, wirkt der zerrüttete Zustand, in dem die Berliner CDU ein Jahrzehnt lang war, noch entfernter. Aber so war diese Partei, nachdem sie die Regierungsmacht an Klaus Wowereits SPD verloren hatte: Es herrschte eine Serie von Führungs- und Richtungskonflikten, die 2001 begann und erst mit dem Beginn der rot-schwarzen Koalition 2011 endete.

Dass Zeller ausgerechnet in diesem Jahrzehnt die Partei zu führen versuchte, dürfte ihn eine Menge Kraft gekostet haben. Er war einer von dreien – das sagt schon einiges über den Zustand permanenter Zerstrittenheit, in dem die Partei war.

2003: Der parteipolitische Hoffnungsträger Christoph Stölzl, der kluge Kopf, der mit seinem Esprit, dem notorischen Tweed-Jackett und seiner Redekunst dem verrufensten aller CDU-Landesverbände Ausstrahlung leihen sollte, war nach gerade mal zwei Jahren durch mit der Partei. Zeller, der etwas von einem Parteisoldaten hatte, trat gegen Peter Kurth an.

Kurth gehörte zu Liberalen aus der Generation und der Richtung von Monika Grütters. Und Zeller? Auch ein Liberaler, was Haltung und politische Werte anbelangte, aber verbündet dem anderen Lager, dem um Frank Henkel, dem späteren Innensenator. Zeller gewann nur knapp, mit 166 von 326 Stimmen – auch das Ausdruck der Spaltung der Partei in zwei Flügel.

Verzicht auf die Spitzenkandidatur gegen Wowereit

Der Streit um die Richtung der Partei, der ein Streit um die innerparteiliche Macht war, ging weiter, auch unter Zeller. Bald zeigte sich, dass dieser Stoiker an der Spitze – Zeller hatte im Chaos dieser Jahre etwas von einem Felsen – auch keine Lösung hatte für diesen Streit. Und auch nicht die Lösung war. 2005 war auch er durch mit seinen Möglichkeiten an der Parteispitze, gab die Führung ab an Ingo Schmitt.

Klug genug, um das selbst zu erkennen und nicht der politischen Berufskrankheit der Eitelkeit zu erliegen, hatte Zeller auf die Spitzenkandidatur gegen Klaus Wowereit 2006 verzichtet. Ein gewisser Friedbert Pflüger trat gegen den charmanten König der Arm-aber-sexy-Metropole an – und verlor krachend.

Zeller kandidierte 2009 für das Europaparlament. In Brüssel, Straßburg und auf vielen Reisen gab er weiter den Pragmatiker und Mann des Machbaren. Dass er kantig sein konnte, zeigte sich 2015, am CDU-internen Streit um die Homo-Ehe. Damals gehörte Zeller zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefs gegen die Homo-Ehe. Ein Ausdruck dafür, dass gefühlte Mehrheiten und Stimmungen den Mann aus Mitte nicht wirklich interessiert haben.

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