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Raed Saleh (SPD) setzt sich für die Fortsetzung von Präventionsprojekten ein.

© dpa/Carsten Koall

Prävention gegen Antisemitismus: Nach Treffen mit SPD-Chef – Berliner Initiativen wollen Forum gründen

Die CDU hatte den Erfolg von Präventionsprojekten angezweifelt. SPD-Chef Saleh hingegen will sie stärken und ausbauen. Die Projekte wollen künftig enger zusammenarbeiten.

In Berlin wird ein neues Forum für Organisationen, die sich gegen Antisemitismus engagieren, gegründet werden. Dies kündigte SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh am Freitag nach einem Treffen mit rund 20 Vertretern aus der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft an, die sich gegen Antisemitismus und für gesellschaftlichen Zusammenhalt engagieren. Die Initiativen selbst hätten deutlich gemacht, dass es eines Raumes bedürfe, an dem sie zusammenkommen können. Sie seien „diejenigen, die das ‚Nie wieder‘ in unserer Heimatstadt Berlin in die konkrete Arbeit übersetzen müssen“, sagte Saleh.

Zuvor hatte der Politiker vor dem Hintergrund der jüngsten antisemitischen Vorfälle in Berlin ins Abgeordnetenhaus zu einem Treffen eingeladen, an dem unter anderem Rabbiner Elias Dray von dem Bildungsprojekt „meet2respect“, Nina und Dekel Peretz vom Jüdischen Zentrum Synagoge Fraenkelufer und Dervis Hizarci von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KiGa) dabei waren. Anwesend waren auch Mitglieder der Deutschen Islam Akademie, der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) sowie der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus.

Zu Beginn habe es eine Schweigeminute für die vielen Opfer der brutalen Morde und Verbrechen der Hamas am 7. Oktober sowie der vielen leidenden Menschen im Gazastreifen und auch im Westjordanland gegeben, berichtete Saleh.

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Der Politiker bekannte sich klar zu den bestehenden Initiativen: „Wir wollen die Projekte der Prävention sichern“, sagt er. Man habe auch Projekte, deren Finanzierung im Haushaltsentwurf von der CDU-geführten Bildungsverwaltung gekürzt worden seien, wieder hochgesetzt. Wenn der Koalitionspartner bereit sei, wolle man noch deutlich draufsatteln. Es gehe mit Blick auf die Auswirkungen des Nahostkonflikts in Berlin darum, „das Miteinander zu schützen und zu wahren“.

Scharfe Kritik am Koalitionspartner CDU

An der CDU selbst übte Saleh deutliche Kritik: „Ich finde es wenig hilfreich, wenn ich vom Koalitionspartner höre, dass Präventionsprojekte gestrichen werden“. Projekte könnten hinterfragt werden, wenn es konkrete Hinweise gebe. Aber ein komplettes Infragestellen der Prävention werde es mit der Berliner SPD nicht geben. „Die Präventionsarbeit in Berlin ist einzigartig“, sagte Saleh. CDU-Innenpolitiker Burkhard Dregger hatte gesagt, Präventionsarbeit in Berlin sei erfolglos geblieben.

Integration ist in Berlin hundertfach, wenn nicht millionenfach gelungen.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh

Saleh sagte, ihn irritierten auch Aussagen von Repräsentanten der Stadt, Integration sei gescheitert. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hatte gesagt, er sehe die Integration in Berlin in manchen Bereichen als gescheitert. Saleh hielt dem entgegen: „Integration ist in Berlin hundertfach, wenn nicht millionenfach gelungen“, sagte er. Er stellte aber auch klar: Wo sie nicht gelungen sei, müsse man hart vorgehen, auch mit Repression und Verboten.

Angst und Unsicherheit bei Jüdinnen und Juden in Berlin

Vertreter aus den Initiativen schilderten nach dem Treffen eindrücklich, wie schwer die Situation derzeit für sie ist. Ihre Gemeinde befinde sich wie alle jüdischen Gemeinden weltweit seit dem 7. Oktober im Ausnahmezustand, sagte Nina Peretz, Vorstandsmitglied der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg. Sehr schnell sei es nicht nur um die Sorge um Angehörige und Freunde in Israel gegangen, sondern auch um die Frage, wie ein sicheres Leben hier weitergeführt werden könne. „Die Angst und die Unsicherheit sind stündlich größer geworden“, sagte sie.

Wenn wir dann zu hören bekommen, Präventionsarbeit macht keinen Sinn, ist das wie ein Schlag ins Gesicht.

Dervis Hizarci,  Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KiGa)

Auch Dervis Hizarci von der KiGa sagte, er habe nie zuvor erlebt, dass Jüdinnen und Juden in Berlin so große Angst hätten wie derzeit. Jüdische Bekannte würden sich Gedanken machen, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken. Vielen hätten auch die Mesusa, ein kleines Kästchen mit einem Gebet, das viele jüdische Menschen außen an ihrer Tür anbringen, abgemacht.

Dervis Hizarci von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (links), und Rabbiner Elias Dray von dem Bildungsprojekt „meet2respect“ bei dem gemeinsamen Treffen.
Dervis Hizarci von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (links), und Rabbiner Elias Dray von dem Bildungsprojekt „meet2respect“ bei dem gemeinsamen Treffen.

© Bahadir Gökmen/SPD-Fraktion Berlin

Das Treffen am Freitag habe „einen Nerv getroffen“. Die betroffene Zivilgesellschaft sei so noch nicht zusammengekommen, um zu sprechen. Drei Wochen lang sei man jetzt vor allem im Arbeitsmodus gewesen. Aber er spüre, wie langsam die Reserven ausgingen. „Wenn wir dann zu hören bekommen, Präventionsarbeit macht keinen Sinn, ist das wie ein Schlag ins Gesicht.“

Rabbiner Elias Dray, der gemeinsam mit muslimischen Partnern in Schulen geht, um über Antisemitismus zu sprechen, sagte, sein Verein habe in den vergangenen Wochen sehr viele Anfragen bekommen. Trotz Herbstferien habe man über 500 Lehrkräfte erreicht. Er appellierte eindringlich: „Wir müssen diese politische Arbeit weiterführen, sonst haben wir keine Chance. Sonst wird das hier eine Stadt sein, in der Juden nicht mehr leben können.“ Zugleich müsse man auch antimuslimischen Rassismus bekämpfen. Es dürfe nicht zu Angriffen auf Menschen kommen, einfach nur weil sie muslimisch seien. „Wir wollen eine offene und freie Gesellschaft.“

SPD-Fraktionschef Saleh sagte, das neue Forum könne bei der Senatsintegrationsverwaltung angedockt werden. Voraussichtlich nächste Woche soll ein weiteres Treffen der Initiativen zusammen mit Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) stattfinden. Bei künftigen Treffen des Forums wolle man auch Vertreter anderer demokratischer Parteien dabeihaben. Vor Mitte Dezember soll die Runde ein weiteres Mal in diesem Jahr zusammenkommen.

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