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Fotos KPM von Neo Kaliske

© KPM/Neo Kaliske

„White Dinner“ bei KPM in Berlin: Hommage an das weiße Gold

An der langen Tafel der Porzellan-Manufaktur war helle Abendgarderobe angesagt. Am Dienstagabend feierte das berühmte Unternehmen seinen 260. Geburtstag.

Von Aline von Drateln

Wer sich der Tradition verschrieben hat, hat es ohnehin nicht leicht in Berlin. Der Stadt, die dazu verdammt ist, immerfort zu werden und niemals zu sein. Hier einen 260. Geburtstag feiern zu können, zählt also vielleicht mehr als anderswo. Insbesondere, wenn es sich dabei um etwas derart Zerbrechliches handelt.

Am Dienstagabend hatte die Stiftung Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) in ihre Ringkammerofenhalle zum „White Dinner“ geladen. Wobei die Berliner Gäste offenbar schon mit dem gebotenen Dresscode überfordert waren. Während tout Paris seit den 80er-Jahren weiß, dass ein solches Event keine Kompromisse erlaubt, ohne am Ende wie eine Zahnarztfrau auszusehen, gab es in der deutschen Hauptstadt bezüglich der Garderobe offenbar Nachfragen: Unmittelbar vor Beginn des Dinners wurde eine zweite E-Mail herumgeschickt, die den Dresscode als „Hommage an das weiße Gold“ erklären musste und das strenge Diktat antipreußisch auf „helle Kleidung“ abmilderte.

Das ist das Hellste, was ich habe.

Ex-Regierender Michael Müller zur Garderobenfrage

Tatsächlich waren die knapp einhundert geladenen Gäste sichtlich bemüht, auch wenn die Farbpalette der Outfits von Elfenbein bis Brandenburger Tor (ohne Orange) reichte. Auf meine Frage, ob es sich bei seinem Anzug um das „Cadenabbia-“ oder doch eher das „Rhöndorf“-Blau handelt, das am Vortag in Loriot-Manier im Rahmen CDU-Logos vorgstellt wurde, lächelte Kultursenator Joe Chialo wie feines Porzellan. Und entschied: „Meerblau!“.

Besitzt kein KPM-Service: Senatorin Giffey.
Besitzt kein KPM-Service: Senatorin Giffey.

© KPM/Neo Kaliske

Nicht der Hellste unter den Gästen war Michael Müller. Der ehemalige Regierende entschied sich für eine bunte Mischung aus steingrauem Sakko mit mittelblauer Hose zu Turnschuhen. „Das ist das Hellste, was ich habe“, so Müller.

Dass Kultur und Politik nie zu trennen sein sollten, hatte nicht nur der umtriebige Chialo wenige Abende zuvor deutlich gemacht, indem er vom Auftritt der österreichisch-russischen Operndiva Anna Netrebko ferngeblieben war. Sondern auch der Gastgeber und KPM-Chef Jörg Woltmann in seiner sehr persönlichen Begrüßungsrede.

Nur wenige Meter von der KPM-Zentrale entfernt ist er aufgewachsen, als Sohn einer alleinerziehenden Schneiderin. „Sag nicht, dass Du in Moabit wohnst, sag Tiergarten, das klingt besser“, gab sie dem heute 76-Jährigen mit auf seinen Weg. Der Bankier hatte Berlins ältesten Betrieb durch seine private Übernahme 2006 vor der Insolvenz (und die 250 Mitarbeiter vor der Arbeitslosigkeit) gerettet. Dass es sich dabei um ein Herzensprojekt und nicht um eine Goldgrube handelt, wurde auch in seiner Rede klar.

Senator Joe Chialos Anzug: Meerblau, kein neues CDU-Blau.
Senator Joe Chialos Anzug: Meerblau, kein neues CDU-Blau.

© KPM/Neo Kaliske

Und die Lage ist nicht leichter geworden: „In der Coronazeit haben es sich die Berliner zwar zu Hause gemütlich gemacht“, so Woltmann, aber „seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine spart unsere Kundschaft.“ Nicht die Reichen seien das, sondern der gehobene Mittelstand. Von den Coronageldern habe die KPM keinen Cent bekommen: „Staatliche Hilfen sieht man für ein Unternehmen wie unseres nicht vor.“

Ist das Kunst oder kann das weg? Für Jörg Woltmann keine Frage. „Wenn ich ein Ende am Tunnels Licht sehe, kaufe ich mir ein weiteres Stück Tunnel.“ Es ist auch die Leidenschaft Woltmanns, die die KPM zusammenhält und für die die Menschen an diesem Abend in die Manufaktur gekommen sind.

Während Franziska Giffey auf dem Geschirr, von dem Friedrich der Große Europas erste Kartoffeln aß, Kalbsfilet mit wildem Brokkoli serviert wird, bedankt sich Woltmann auch bei Pommery: Der Champagner wurde gesponsert. Wie dieser Abend und Sozialdemokratie zusammenpassen? „Also hör Se mal“, sagt Giffey, „ein Unternehmen wie dieses hier ist doch ursozialdemokratisch!“ Ein KPM-Service besitzt sie trotzdem nicht.

Das jüngste Projekt von Jörg Woltmann ist übrigens das KPM-Hotel auf dem gleichen Gelände. Auf Tripadvisor hat es Bestnoten und gehört damit neuerdings zu Berlins ersten Adressen. Das günstigste Zimmer ist für 180 Euro die Nacht zu haben. Vielleicht eine schöne Idee für den nächsten Polterabend.

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