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Eine Kaliber-9-mm-Pistole, Patronen und ein Magazin liegen auf einer Waffenbesitzkarte.

© dpa/Patrick Pleul

Tödliche Gefahr: Scharfes Geschoss verfehlt Berliner Polizeibeamten bei Übung

Bei einer Waffenübung befand sich unter der Exerziermunition ohne Zündstoff eine scharfe Patrone. Unklar ist, ob es sich um einen Fehler oder Sabotage handelte.

Polizisten müssen für den Ernstfall proben. Doch bei einer Übung des Dezernats 64 des Landeskriminalamtes (LKA) im Januar ging etwas gewaltig schief, offenbar nur durch Glück verfehlte ein Geschoss einen Beamten. Die Ursache ist völlig unklar – ebenso, ob es sich um einen Fehler, eine Sicherheitslücke oder sogar ein gezieltes Vorgehen in der oder gegen die Polizei handelte. Die Behörde bestätigt bislang nur das Nötigste.

Die Beamten des Dezernats sind für Aufklärungsmaßnahmen und operative Aktionen in verschiedenen Szenen und Phänomenbereichen zuständig, etwa bei Hooligans oder Clans. Als sogenannte szenekundige Beamte treten sie grundsätzlich offen als Polizisten auf.

Am 10. Januar fuhren sie zur Polizeiakademie in Ruhleben, auf dem Trainingsplan stand das Üben an der Waffe – nämlich das schnelle Beladen des Magazins der Dienstpistole mit Munition. Im Ernstfall müssen die Beamten das auch im Einsatz unter höchster Anspannung tun, jeder Griff muss sitzen.

Genutzt wird dafür sogenannte Exerziermunition, beim Üben können sich die Beamten gewiss sein, dass kein Schuss losgeht – bisher jedenfalls. Die Patronen sehen ähnlich aus wie echte, enthalten jedoch keinerlei Zündstoff, keine sogenannten Treib- und Explosivstoffe. Für Fachleute zu erkennen sind sie, weil sie – wie in diesem Fall – markante Rillen haben und rot eingefärbt sind. Wenn die Pistole mit derlei Munition geladen ist, passiert nichts, kein Zünden, kein Zischen, kein Knall.

Die Übung hätte tödlich enden können

Doch diesmal war auch eine scharfe Patrone unter den sorgsam auf einem Plastikuntersatz eingesteckten Exerzierpatronen. Auch die scharfe Patrone war wie die anderen rot eingefärbt, lediglich die Rillen an der Seite fehlten. Beim schnellen Hantieren war die echte Munition nicht zu erkennen.

Als ein Beamter das schnelle Beladen mit der Exerziermunition übte, löste sich jedoch ein Schuss. Die Ladung durchlöcherte erst eine Signalweste, die im Raum hing, und schlug dann in der Wand ein. Dort klaffte ein Loch, am Rand die rote Farbe der Patronen. Ob nur die Spitze der Patrone oder eine richtiges Projektil einschlug, beantwortete die Polizei auf Tagesspiegel-Anfrage nicht.

Hypothetisch ist ein aus einer Feuerwaffe abgefeuertes Projektil dazu geeignet, Menschen auch letal zu verletzen.

Erklärung der Berliner Polizei

Verletzt wurde ein Beamter, er erlitt ein Knalltrauma. Zur Frage, was geschehen wäre, hätte das Geschoss einen Beamten getroffen, erklärte die Polizei: „Hypothetisch ist ein aus einer Feuerwaffe abgefeuertes Projektil dazu geeignet, Menschen auch letal zu verletzen.“ Es hätte also tödlich enden können.

Wie die scharfe Patrone in die Packung der Exerziermunition kam, konnte die Polizei nicht sagen. Die Behörde erklärte, die Munition sei „vorher vom zuständigen Schießtrainer des Dezernates ausgeteilt“ worden. Nach Tagesspiegel-Informationen soll die Munition vor der Übung bei den Spezialeinsatzkommandos am Augustaplatz abgeholt worden sein.

Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung

Die Frage, ob die Polizei es ausschließen könne, dass jemand in der Polizei bewusst eine scharfe Patrone unter die Übungspatronen tat, wurde ausweichend beantwortet. Das für Beamtendelikte zuständige Dezernat des LKA ermittle wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Dazu könnten „aus ermittlungstaktischen Gründen keine weiteren Auskünfte erteilt werden“.

Die Führung der LKA-Abteilung 6 habe aber „eine akribische Überprüfung der vorhandenen Munitionsbestände veranlasst“, erklärte die Polizei weiter. Zudem sei eine „Sensibilisierung aller Dienstkräfte des LKA 6 zu den geltenden Vorschriften zur Lagerung sowie zum Umgang mit Munition im Übungsbetrieb“ erfolgt.

Im LKA 6 soll nach Tagesspiegel-Informationen angedeutet worden sein, dass das Verfahren sang- und klanglos eingestellt werde. Ob jemand vorsätzlich eine scharfe Patrone rot angemalt und unter die Exerziermunition geschmuggelt hat, bleibt vorerst ungeklärt. Ebenso, ob damit bewusst versucht wurde, den Spezialeinheiten zu schaden. Ein Produktionsfehler des Herstellers wird unter den Fachleuten weitestgehend ausgeschlossen.

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