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Franziska Giffey bei dem Verbundeinsatz in Neukölln.

© Hannes Heine

Exklusiv

„Stigmatisierung von migrantischem Gewerbe“: Berliner Grüne kritisiert Giffey nach Geldwäsche-Kontrolle

Sind Einsätze in Neukölln überzogen, stärken sie Vorurteile? In der Opposition gab es Fragen an Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey. Die sagt: Man gehe unabhängig von der Herkunft vor. 

Bargeld, Kontrollen und Clan-Debatte – in Berlins Opposition wird ein öffentlichkeitswirksamer Geldwäsche-Einsatz thematisiert. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) begleitete im August eine Kontrolle der Geldwäscheaufsicht samt Zoll, Ordnungsamt und Polizei in Neukölln.

Die Grünen-Abgeordnete Tuba Bozkurt wirft der Senatorin vor, geschäftsmäßige Kriminalität in die Nähe von migrantischem Gewerbe zu rücken, was „rassistische Vorurteile“ bediene, zumindest wirke die „mediale Inszenierung“ der Kontrollen stigmatisierend. Was war passiert?

Hinweise auf Schwarzarbeit

Die Beamten kontrollierten an jenem Tag einen Getränkehandel, einen Großmarkt, ein Autohaus, zwei Juweliere und drei Imbisse. Die Geldwäscheaufsicht überprüft meist Geschäfte, in denen mit viel Bargeld hantiert wird. Die genannten Läden wurden von Einwanderern sowie Deutschen mit Einwanderungshintergrund betrieben; in den meisten, aber nicht allen Geschäften wurden Verstöße festgestellt.

111
Beamte waren insgesamt an dem Einsatz mit Senatorin Giffey beteiligt

Weil es in Deutschland keine Bargeld-Obergrenze gebe, sagen Finanzermittler, und man im EU-Vergleich wenig Befugnisse habe, hätten es Geldwäschern hierzulande leicht. Auch Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug seien vielen Geschäften üblich, die Kontrollen deshalb sinnvoll – schon, um „Spreu von Weizen“ zu trennen, wie ein Beamter sagte.

Wir nehmen Gewerbe ins Visier, die mit großen Summen Bargeld hantieren – unabhängig von Bezirk und Herkunft

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD)

Bozkurt wollte vom Senat wissen, was der Einsatz konkret brachte und weshalb die Presse dabei sein durfte. Man wolle Unternehmen davor schützen, sich zum „Zwecke der Geldwäsche missbrauchen zu lassen“, antwortete die Wirtschaftsverwaltung, worauf man „in der Kommunikation mit den verpflichteten Unternehmen und der Presse“ das Augenmerk lege.

Razzia wegen Schmuggel

Man arbeite zudem „berlinweit und branchenübergreifend“, schreibt Giffeys Verwaltung, die Kontrollen seien eben „nicht stigmatisierend“. Konkret sei es um „steuerrechtliche und geldwäscherechtliche“ Fragen gegangen, dem Zoll auch um Schwarzarbeit und Sozialversicherungsbetrug. Nach dem Einsatz wurden entsprechende Verfahren gestartet, weil Arbeitspapiere und solide Kassenführung fehlten.

Tuba Bozkurt ist Sprecherin für Industrie und Digitalwirtschaft und Antidiskriminierung der Grünen im Abgeordnetenhaus.

© Grüne im AGH/VincentVillwock

Grünen-Politikerin Bozkurt, die in ihrer Fraktion für Industrie und Antidiskriminierung zuständig ist, entgegnet: Entscheidend sei auch die Wahrnehmung aller Betroffenen. Und wenn 111 Beamte letztlich fünf Straftaten ermittelten, stelle sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Der Senat müsse sich der Gefahr der „pauschalen Stigmatisierung von migrantischem Gewerbe“ bewusst sein und sensibel agieren.

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Giffey sagte auf Anfrage: „Wir nehmen die Gewerbe ins Visier, die mit großen Summen Bargeld hantieren – stichprobenartig und unabhängig von Bezirk und Herkunft. Es ist völlig klar, dass ein handlungsfähiger Staat Straftaten ahnden muss.“

Personalnot in der Justiz

Um Finanzdelikte ging es wieder an diesem Dienstag wieder, Schwerpunkt erneut in Neukölln. Zoll, Bundespolizei und Landeskriminalamt durchsuchten die Anschriften diverser Verdächtiger. Vorwurf: illegaler Tabakhandel und Steuerhinterziehung.

Nach Tagesspiegel-Information steht im Zentrum der Ermittlungen eine Großfamilie, die enge Kontakte in den Nahen Osten zum Schmuggel genutzt haben soll. Einige der Verdächtigen werden offiziell unbestätigten Informationen zufolge der Clan-Kriminalität zugerechnet.

Berlins Staatsanwaltschaft stellte wegen hoher Belastung und Personalmangels mehr als die Hälfte aller Geldwäscheverfahren im Jahr 2022 ein. Während die Anzahl der Wirtschaftsdelikte zunahm, kritisierte die CDU, habe Rot-Grün-Rot damals den Kampf dagegen auf „Sparflamme“ betrieben.

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