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Franziska Giffey bei einem Verbundeinsatz in Neukölln.

© Hannes Heine

Giffey unterwegs in Berlin-Neukölln: Warum die Wirtschaftssenatorin auf Geldwäsche-Kontrolle setzt

Schwarzarbeit, Steuerbetrug, Geldwäsche – Politik und Polizei wollen strenger dagegen vorgehen. Franziska Giffey begleitet einen Einsatz.

Franziska Giffey bleibt sich treu: Neukölln, Polizei, Sonnenschein – ein Besuch, den sich die ordnungspolitisch ambitionierte SPD-Frau genau so wünschte. Giffey, einst Neuköllns Bürgermeisterin, nach einem bundespolitischen Ausflug schließlich Berlins Regierungschefin, ist nun Wirtschaftssenatorin. Am Freitag ist sie mit ihren Geldwäschespezialisten unterwegs.

Ziel an diesem heißen Tag: bargeldintensives Gewerbe. Läden, in denen routinemäßig drei-, vier-, fünfstellige Summen ohne elektronische Spur den Besitzer wechseln, was sich im Monat auf Millionenbeträge belaufen kann.

Beschäftigte – oder Kunden?

10.30 Uhr, Ende der Einsatzbesprechung in der Polizeiwache in der Sonnenallee. Mit dabei: die Geldwäscheaufsicht der Wirtschaftsverwaltung, die Steuerfahndung, der unter anderem für Schwarzarbeit zuständige Zoll, das für allerlei Gewerbeauflagen verantwortliche Ordnungsamt, Finanzermittler aus dem Landeskriminalamt und uniformierte Beamte, um die jeweiligen Einsatzorte zu sichern. 60 Leute, ein Dutzend Fahrzeuge, los.

4990
Geldwäsche-Verfahren registrierte Berlins Justiz 2022

10.40 Uhr, die Kolonne erreicht einen Getränkegroßhandel. Der Geldwäscheaufsicht war der Laden aufgefallen. Die Experten bewerten ein Gewerbe zunächst nach Aktenlage. Erhärtet sich ein Verdacht auf zumindest laxen Umgang mit den Vorschriften, folgt mitunter ein Einsatz. Heute gehen Polizei und Zoll vor, das Gelände wird undramatisch gesichert, wenngleich die dort Beschäftigten unruhig sind. Der Betreiber ist nicht da. Ein leitender Angestellter, türkischer Staatsbürger, redet eilig mit den Mitarbeitern: Er habe seine Männer gebeten, sich als Kunden auszugeben, sagt ein Übersetzer. Verdacht auf Schwarzarbeit, Sozialversicherungsbetrug?

Immobilien- und Autohandel

10.55 Uhr, die Senatorin im Rhythmus: Man wolle dort die Kontrolldichte erhöhen, wo mit viel Bargeld hantiert wird. Neun Beamte arbeiten in der Geldwäscheaufsicht der Wirtschaftsverwaltung. Giffey sagt, man habe im Haushalt weitere Stellen beantragt. Ein Beamter moniert die „mindestens schluderige“ Kassenführung des Getränkehandels. Derweil kommt der Betreiber vorgefahren.

Geldwäsche ist das Einschleusen illegal erwirtschafteten Geldes in den legalen Finanzkreislauf. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft. Doch Verdächtige werden, worüber gleich zu reden ist, selten verurteilt. Dabei gebe es im Immobilien- und Autohandel sowie der Gastronomie viele Fälle, berichten Beamte. Doch niemand muss hierzulande erklären, woher sein Geld stammt: Volle Beweislastumkehr gibt es – anders als in Italien – nicht.

Bargeld-Branchen im Visier der Fahnder.

© imago/STPP

11.45 Uhr, der Tross will das Areal verlassen, als der Betreiber auf Giffey zukommt. Die Personenschützer der Senatorin bleiben gelassen, Routine. Der Betreiber redet auf Franziska Giffey ein. Sie erklärt, warum solche Kontrollen nötig seien, dass das Wirtschaftsleben fairen Wettbewerb brauche. Die Ausführung nützt dem Getränkegroßhändler, sollten Ermittlungen folgen, wenig. Man verabschiedet sich dennoch freundlich.

Es fehlt an Finanzermittlern und an auf Wirtschaftsstrafsachen spezialisierten Staatsanwälten. In Berlin wird, wie der Tagesspiegel vor Monaten zeigte, die Hälfte aller Geldwäsche-Verfahren eingestellt, wobei die Zahl solcher Fälle insgesamt zugenommen hat: Registrierte Berlins Justiz im Jahr 2016 noch 3243 Geldwäschedelikte, waren es 2022 schon 4990 – von denen 2669, also mehr als 50 Prozent, eingestellt wurden.

Schwarzarbeit oder Zufall?

Kurz vor 12 Uhr, die Staatsmacht rollt zu einem Großmarkt für Lebensmittel und Baumarktutensilien. Dort werden, zumindest vorläufig, Hygienemängel registriert. In einem Fall besteht der vage Verdacht auf unerlaubte Beschäftigung. Generell, berichten Finanzermittler, bekomme man oft zu hören, dass das Personal just am Tag der Kontrolle angefangen habe oder nur zur Probe arbeite – weshalb es noch nicht bei Ämtern und Versicherungen angemeldet sei.

10.000
Euro ist die Summe, ab der man sich im Autohandel ausweisen muss, wenn man sie bar zahlt

Die Beamten berichten, dass Sozialversicherungsbetrug, Schwarzarbeit und Scheinrechnungen besonders in Läden festgestellt würden, die Ermittler bestimmten Clans zurechnen. Obwohl es sich bei den aktenkundigen Machern der Großfamilien oft um Männer ohne Berufsausbildung handele, bewegten sie Millionenbeträge.

12.40 Uhr, die Kontrolle im Großmarkt ist vorüber. Der Tross fährt zum nächsten bargeldaffinen Händler: ein Autohaus. Die opulenten Karossen dort, schwarz lackiert, breite Reifen, kosten zwischen 50.000 und fast 200.000 Euro. Beliebt ist Mercedes.

Die Kontrollen an diesem Freitag sind ein „Verbundeinsatz“, also ressortübergreifendes Vorgehen, um illegale Geschäfte besser unterbinden zu können: Ordnungsamt, Polizei, Steuerfahndung und Zoll sollen gemeinsam den Druck auf das verdächtige Milieu erhöhen. Vermögen sollen wirksamer kontrolliert und auch schlichte Verstöße gegen Verkehrs- und Hygienevorschriften schneller geahndet werden.

Wurde Bargeld gemeldet?

13.10 Uhr, das Häuschen des Autohändlers wird vorsichtig inspiziert. Einen Durchsuchungsbeschluss haben die Beamten nicht, dafür reichen die Anhaltspunkte nicht aus. Und so ist der Tresor des Autohändlers tabu. Senatorin Giffey muss los. Am Sonnabend wird sie auf Ex-Twitter schreiben: „Das Reinwaschen von Geld verändert Wirtschaftskreisläufe in der Stadt“. „Das führt zu unfairem Wettbewerb und schadet vor allem Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich an die Regeln halten.“

Es gibt Schätzungen, wonach in Deutschland pro Jahr 100 Milliarden Euro Schwarzgeld in Häuser, Autos, Schmuck, auch Firmen aller Art investiert werden. Um Geldwäscher zu verfolgen, sind bestimmte Akteure verpflichtet, dem Staat zu helfen: Juweliere, Banker und Autohäuser müssen Barzahler ab 10.000 Euro mit Ausweis registrieren.

Und, hat der Neuköllner Mercedes-Liebhaber das aller Voraussicht nach gewissenhaft getan? Einer der Beamten verzieht das Gesicht. An der Hitze liegt das nicht.

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