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Kurz vor dem Richterspruch im Maskenmann-Prozess unterhält sich der Angeklagte Mario K. am 12. Juni mit seinen drei Anwälten Naila Widmaier, Christian Lödden und Axel Weimann im Landgericht Frankfurt (Oder). Mario K. ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

© dpa / Patrick Pleul

Maskenmann-Prozess: Stellungnahme in eigener Sache

Der Tagesspiegel hat über viele Zweifel berichtet, die sich aus dem Verfahren im Maskenmann-Prozess, aus den Polizeiermittlungen und eigenen Recherchen ergaben. Daraufhin warf die Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg der Redaktion einseitige Berichterstattung vor. Dazu nimmt der Leiter des Ressorts Berlin-Brandenburg hier Stellung.

Vor einer Woche hat an dieser Stelle der Generalstaatsanwalt von Brandenburg, Erardo C. Rautenberg, den Richterspruch im „Maskenmann“-Prozess verteidigt und eine „einseitige Berichterstattung“ der Medien kritisiert. Viele Leser und Online-User des Tagesspiegel mahnten daraufhin eine Stellungnahme der Redaktion an, die intensiv über das Verfahren um zwei Überfälle auf eine reiche Familie und die Entführung eines Bankers bei Berlin durch einen Maskierten berichtet hatte. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hatte in dem Indizienprozess ohne direkte Beweise, eindeutige Zeugenaussagen und mit unklarem Motiv einen früheren Berliner Dachdecker zu lebenslanger Haft verurteilt, die Verteidigung hat Revision eingelegt.

Rautenberg schrieb dazu: „Meiner Meinung nach haben Medienvertreter nicht objektiv berichtet, sich zu Handlangern der Verteidigung machen lassen und jedenfalls mit der Präsentation des angeblichen wahren Täters eine Grenze überschritten.“ Die Redaktion weist das entschieden zurück.

Der Tagesspiegel hatte in einem Dossier - erschienen vor dem Plädoyer der Verteidigung und abrufbar unter www.tagesspiegel.de/maskenmann - auf neue Widersprüche und Indizien in dem Fall hingewiesen. Dabei wurde gezeigt, welche Ermittlungsfehler die Polizei begangen hat (etwa wurde das Entführungsopfer weder kritisch befragt noch medizinisch untersucht), welche Spuren nicht genug verfolgt worden waren (etwa wurde das angebliche Entführungsfahrzeug, ein Kajak, nicht eingehend auf Ablagerungen geprüft) und dass Zeugenaussagen im Plädoyer der Staatsanwaltschaft keine Rolle mehr spielten (etwa zur Körpergröße des Täters oder zu einem Motorrad als möglichem Fluchtfahrzeug).

Der Tagesspiegel berichtete kritisch und wird weiter unbequeme Fragen stellen

Zudem stellte sich heraus, dass – zieht man die von der Staatsanwaltschaft für den Täter angeführten Indizien heran – ebenso gut ein anderer Verdächtiger infrage kommen könnte: ein ehemaliger Brandenburger Polizist. Nur waren seine Spuren nicht intensiv verfolgt und sein Alibi, das ihn für eine der drei Taten entlasten soll, nicht genau geprüft worden. (Bis heute ist seine getrennt von ihm lebende Frau, die das Alibi in Zweifel zog, nicht von der Polizei befragt worden.)

Dass er der wahre Täter sei, wurde nie behauptet – vielmehr hieß es mehrmals im Text: „All das kann Zufall sein. Es wäre zu prüfen.“ Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Ex-Polizisten, der im Prozess schon genannt worden war, wurden Name, Wohnort und Hinweise auf sein Lebensumfeld verfremdet.

Tatwerkzeug: das verschleppte Kajak, wie es die Polizei fand. Muscheln waren darauf, sie wurden aber nie richtig untersucht.

© Tagesspiegel

Selbstverständlich hat der Tagesspiegel aus eigenem Antrieb, ohne Absprachen oder im Auftrag der Verteidigung recherchiert. Selbstverständlich hat der Tagesspiegel den Prozess in voller Länge vor Ort begleitet und - wie nahezu alle Beobachter anderer Medien - auf Ermittlungspannen hingewiesen, die Polizisten im Gerichtsaal beklagten.

Ja, es stimmt: Es wurde über viele Zweifel berichtet, die sich aus dem Verfahren und aus den Recherchen ergaben – und darüber, dass der Richter in seiner Urteilsbegründung auf all diese Zweifel nicht eingegangen ist. Das ist kritisch, nicht einseitig. Wir als Presse sind keine Oberrichter mit allen Antworten. Aber unsere Aufgabe ist es, offene Fragen zu benennen.

Tatwerkzeug. Mit diesem Kajak soll der Maskenmann sein Opfer verschleppt haben. Im Gerichtssaal wurde das Boot herausgeputzt präsentiert.

© picture alliance / dpa

Die Brandenburger Polizei hat erklärt, intern ihre Ermittlungsfehler aufzuarbeiten. In der Landespolitik wird über einen Untersuchungsausschuss diskutiert. Der Bundesgerichtshof wird darüber befinden, ob im Verfahren Rechtsfehler begangen worden sind. Der Tagesspiegel wird weiter kritisch und unabhängig berichten. Und unbequeme Fragen stellen.

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