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Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ bei einem Protestmarsch in Berlin.

© Christian-Ditsch.de

Sozialpsychologin über Vorgehen der „Letzten Generation“: „Der Berlin-Marathon wird hier instrumentalisiert“

Trotz Verbots will die „Letzte Generation“ den Berlin-Marathon stören. Die Sozialpsychologin Maria-Christina Nimmerfroh sieht in der Gruppe wenig Diskurs über die Protestformen.

Die „Letzte Generation“ möchte trotz eines Verbots durch die Polizei den Berlin-Marathon am Sonntag unterbrechen. Wirtschaftspsychologin Maria-Christina Nimmerfroh weiß, warum. Sie attestiert der „Letzten Generation“ religiöse Züge. Der Führungszirkel der Klimagruppe lasse auffällig wenig Diskurs über die Protestformen zu und propagiere diese stets als „die eine Lösung“, sagt sie dem Tagesspiegel.

Es gebe „kein Infragestellen der eigenen Vorgehensweise“. Dadurch entstehe „inhaltliche Verengung“ in der Wahrnehmung der Aktivisten. So würden alle der Führungsriege streng gehorchen. Sie beobachtet bei den Klimaaktivisten „radikale Gruppennormen in einem dirigistischen System“, sagt sie. Unter ihnen herrsche große Einigkeit über das eigene Vorgehen. Es gebe eine „starke Vorgabe von oben nach unten, die nicht diskutiert wird“, erklärt Nimmerfroh.

Störung des Berlin-Marathons macht Aktivisten noch unbeliebter

Nimmerfroh ist an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und unterrichtet in den Studiengängen BWL und Wirtschaftspsychologie. Bis zum Jahr 2000 war sie Journalistin. Nebenbei untersucht sie soziale Bewegungen, nun auch die „Letzten Generation“. Nimmerfroh hatte an einem Protesttraining teilgenommen und pflegt enge Kontakte in die Klimagruppe.

Sozialpsychologin Maria-Christina Nimmerfroh. Credit: Tom Buschardt
Sozialpsychologin Maria-Christina Nimmerfroh. Credit: Tom Buschardt

© Tom Buschardt

Sie kritisiert, dass die „Letzte Generation“ den Berlin-Marathon stören will. „Der Marathon ist Ausdruck eines hohen individuellen Leistungsmotivs, der ist wichtig für die Teilnehmer“, sagt sie dem Tagesspiegel. „Das ist was anderes als einfach ein Fußballspiel. Der Berlin-Marathon wird hier instrumentalisiert.“ Sollte die „Letzte Generation“ die Veranstaltung unterbrechen, werde die Sympathie für das Klimabündnis in der Bevölkerung sinken.

„Letzte Generation“ weist Vorwürfe zurück

Die „Letzte Generation“ weist Nimmerfrohs Vorwürfe von mangelnder Diskursfreiheit innerhalb der Gruppe von sich. „Der Protest wird andauernd intern evaluiert und angepasst“, teilt die Pressestelle mit. „Weniger effektive Protestformen werden nicht fortgeführt.“

Auch die Unterstellung von religiösen Zügen bei der „Letzten Generation“ sei falsch. Wissenschaftler bestätigten regelmäßig, dass ihre Aussagen „den Stand der Klimawissenschaft in aller Drastik abbilden und wir auch aus rechtswissenschaftlicher Sicht richtigliegen“, schreibt die Pressestelle.

An den Haaren herbeigezogen

Aktivist der „Letzten Generation“

Von den Aktivisten kommen schärfere Töne. Ein Aktivist sagte dem Tagesspiegel, Nimmerfrohs Behauptungen seien „an den Haaren herbeigezogen“. Die Psychologin sei „irritiert“, habe die Dramatik der Klimakrise nicht verstanden und lediglich „Lust, mit voyeuristischem Blick etwas über die ,Letzte Generation’ zu sagen“. Das erzeuge ein falsches Bild der Bewegung und sei „fatal“.

Nimmerfroh erklärt die Aufregung damit, dass bei der „Letzten Generation“ ein Schwarz-Weiß-Denken herrsche. „Jede andere Ansicht wird zur Gegnerschaft stilisiert, da gibt es eine Überhöhung der eigenen Ansichten nach dem Motto ,Wer nicht für uns ist, ist gegen uns’“, sagt sie. Die internen Abläufe machten eine dauerhafte Weiterführung der Proteste unmöglich.

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