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Nach Angaben der Arche nehmen täglich bis 1800 Kinder die Angebote des Kinderhilfswerks wahr.

© dpa/Uwe Anspach

„Riesiges Desaster“: Arche fordert mehr Geld für den Kampf gegen Kinderarmut in Berlin

Fast jedes vierte Kind in Berlin lebt in einer Familie, die Sozialleistungen erhält. Dort werde zuerst bei der Bildung gespart – oft mit verheerenden Folgen, warnen Fachleute.

Das Kinderhilfswerk „Die Arche“ fordert angesichts der vielen Berliner Kinder, die in Armut leben, mehr Investitionen in die Bildung und Jugendförderung. „Familien in Armut sparen oft zuerst bei der Bildung“, sagte Wolfgang Büscher, Sprecher der Arche, dem Tagesspiegel. Dies sei „ein riesiges Desaster für Kinder“ und führe oft zu einer Vererbung von Armut über Generationen.

Büscher forderte unter anderem, die Schulen in Berlin besser auszustatten. Auch für Jugendeinrichtungen, deren Anzahl in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen sei, müsse mehr Geld ausgegeben werden. Er forderte den Bund auf, eine Kindergrundsicherung über 600 Euro einzuführen.

Wie berichtet lebt in Berlin fast jedes vierte Kind in einer Familie, die Sozialleistungen erhält. Büscher hält diese Zahl jedoch nur für bedingt aussagekräftig in Hinblick auf Kinderarmut. „Es kommen immer mehr Kinder zu uns, die in der Nähe von Armut leben“, sagte er. „Das betrifft Kinder, deren Eltern zwei oder drei Jobs haben und trotzdem kaum über die Runden kommen.“ Nach Angaben des Kinderhilfswerks nehmen täglich bis 1800 Kinder die Angebote der Arche wahr.

Berlins Bürgermeisterin und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) plädiert auch aufgrund dieser Entwicklung dafür, Unterstützungsleistungen des Staates bekannter zu machen. „Das gilt insbesondere für den Kinderzuschlag, den Familien, die trotz ihrer Berufstätigkeit ein geringes Einkommen und damit ein hohes Armutsrisiko haben, zusätzlich zum Kindergeld beantragen können“, sagte Giffey dem Tagesspiegel. Das seien pro Kind im Monat noch mal bis zu 250 Euro.

Kein Kind darf spüren, dass es weniger hat.

Raed Saleh, SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus

Berlins Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Katharina Günther-Wünsch (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Die Situation armer Kinder und Jugendlicher macht mich sehr betroffen.“ Da in zunehmendem Maße auch Berliner Außenbezirke betroffen seien, sei es wichtig, „für ganz Berlin passende und niedrigschwellige Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien in allen Bereichen“ anbieten zu können. „Auch gute Begleitung armer Familien mit Kindern ist ein wichtiger Baustein, um Armutsfolgen bestmöglich zu vermeiden.“ Daran arbeite die Berliner Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut.

Mittel werden nicht ausgegeben

Allerdings hat die 2017 eingesetzte Kommission offenbar Probleme, die Mittel auszugeben. Von den ihr jährlich zur Verfügung stehenden 500.000 Euro gab die Kommission im Jahr 2022 lediglich 28.000 Euro aus. Im Jahr 2023 wurden bis zum 13. März 465,94 Euro ausgegeben.

Der Bildungsetat wächst dem Haushaltsentwurf des Senats zufolge in den kommenden Jahren leicht an. Das meiste Geld, rund drei Milliarden Euro, ist für den Schulaus- und Neubau eingeplant. Die Zukunft vieler Jugendeinrichtungen wird insbesondere von der Finanzierung der Bezirke abhängen. Zwar bekommen diese laut Haushaltsentwurf nicht, wie zuvor befürchtet, weniger Geld. Aufgrund der Inflation müssen die Bezirke vermutlich dennoch sparen. Landes- und Bezirkshaushalte werden zum Ende des Jahres beschlossen.

Die Linken-Politikerin Katrin Seidel kündigte an, in den Haushaltsberatungen darauf zu drängen, dass Maßnahmen gegen die Kinderarmut nicht wegfallen. Dabei verwies sie unter anderem auf die von SPD, Linken und Grünen eingeführten kostenlosen Angebote wie das Schulessen oder das BVG-Ticket. „Das darf nicht zurückgeschraubt werden“, forderte sie.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh schloss eine Rücknahme der Maßnahmen umgehend aus. „Wir müssen weiterhin alles dafür tun, um die Menschen zu entlasten“, sagte er dem Tagesspiegel. „Kein Kind darf spüren, dass es weniger hat.“

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