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Katharina Günther-Wünsch (CDU) will die Schulen dabei unterstützen, die Auswirkungen der Gewalt in Nahost zu bewältigen.

© picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Update

„Kein Befreiungsschlag der Hamas, sondern Terror“: Verwaltung schickt Hilfestellung zum Nahostkonflikt an Berlins Schulen

Nach den Ferien kehren Jugendliche zurück in den Unterricht, die teils rund um die Uhr antisemitischer Hetze ausgesetzt waren. Ein Papier soll helfen, Kommunikationsbrücken zu bauen.

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Die Sorgen der Schulen sind immens: Wenn am Montag die Herbstferien in Berlin enden, müssen sie wegen der Lage im Gazastreifen mit einer aufgeladenen Stimmung unter großen Teilen der Schülerschaft rechnen. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat daher am Freitag an alle öffentlichen und freien Schulen umfangreiches Material zu Ansprechpartnern und kurzfristigen Infoveranstaltungen sowie auch konkrete Beispiele für den Unterrichtsverlauf schicken lassen. SPD-Bildungsfachmann und Schulleiter Tilmann Kötterheinrich-Wedekind bezeichnete die 40-Seiten-Sammlung als „absolut bemerkenswert“.

Die Unterlagen enthalten die zentrale Botschaft der Senatorin, wonach es „von entscheidender Bedeutung“ sei, „Antisemitismus in jeder Form konsequent entgegenzutreten. Zudem gibt es detaillierte Vorschläge für Unterrichtsstunden, in denen das Geschehen der letzten Wochen besprochen werden soll, und zwar separat für Kinder im Grundschulalter, für Schüler bis Klasse 10 sowie für die gymnasiale Oberstufe.“

Es bleibt von entscheidender Bedeutung, Antisemitismus in jeder Form konsequent entgegenzutreten.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU)

Alle drei Beispielstunden-Entwürfe enden mit dem Appell der Verwaltung an die Lehrkräfte, was „unbedingt“ festzuhalten sei: „Es ist kein ‚Befreiungsschlag‘ oder ‚Verteidigungsangriff‘ der Hamas, sondern Terror: wahlloses und massenhaftes Töten von Zivilisten, darunter auch viele Kinder und Jugendliche.“ Außerdem: „Ganz egal, was die Vorgeschichte ist, dafür gibt es absolut keine Rechtfertigung. Israel hat das Recht zur Selbstverteidigung.“ Ferner festzuhalten sei: „Auch bei der Terrorbekämpfung müssen alle Staaten den völkerrechtlichen Rahmen einhalten.“

Laden Sie hier das Informationsschreiben der Bildungssenatorin herunter

Jenseits dieser Formulierungshilfen und Materialien wendet sich die Senatorin auch direkt an die Schulleitungen und appelliert an sie, für ihre Schülerinnen und Schüler „vielfältige Gelegenheiten zum Austausch und zum Gespräch im vertrauten und geschützten Raum zu schaffen“.

Zudem könnten die Schulen auch zusätzliche finanzielle Mittel beantragen, um Expertise einzukaufen. Günther-Wünsch dankt allen, „die sich den aktuellen Diskussionen stellen, sich den Gefühlen und Emotionen ihrer Schülerinnen und Schülern zuwenden und für unsere freiheitlich-demokratischen Grundwerte in der täglichen pädagogischen Arbeit einstehen“.

Einfluss ausländischer Medien auf Jugendliche

Das sparsame, aber durchaus vorhandene Pathos lässt erkennen, was auf die Schulen zukommen könnte. Denn die Offensive im Gazastreifen wird von mehreren arabischen Sendern rund um die Uhr gefilmt und auch von Tausenden syrischen und palästinensischen Familien in ihren Berliner Wohnzimmern verfolgt. Zudem erfahren Berlins Schülerinnen und Schüler mit palästinensischem Hintergrund täglich von Angehörigen, die vor der israelischen Armee fliehen mussten oder gar getötet oder verletzt wurden.

Die Schulen sind auch deshalb alarmiert, weil die Stimmung schon vor dem israelischen Gegenschlag aufgeheizt war: In den Wochen zwischen dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober und dem Beginn der Herbstferien am 20. Oktober hatte die Polizei bereits Kenntnis von knapp 50 Vorfällen an Schulen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt – wohlgemerkt nach den bestialischen Morden der Hamas und deutlich vor der jetzigen Offensive im Gazastreifen.

50 Vorfälle schon vor den Ferien

Zur Sorge trägt auch bei, dass sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auf die Hamas-Seite geschlagen hat. Das bedeutet, dass die einseitige Fokussierung auf die Opfer im Gazastreifen auch über das türkische Staatsfernsehen übertragen wird, das ebenfalls in Berliner Wohnungen verfolgt wird. Nicht viel anders dürfte es sich mit einem Großteil der Russlanddeutschen verhalten, die das russische Staatsfernsehen konsumieren, das ebenfalls Hamas-freundlich berichtet.

Wir müssen davon ausgehen, dass Jugendliche auch durch den Einfluss ausländischer Medien stark emotionalisiert in die Schule kommen werden.

Dervis Hizarci, Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus

„Wir müssen davon ausgehen, dass Jugendliche auch durch den Einfluss ausländischer Medien stark emotionalisiert in die Schule kommen werden“, gibt Dervis Hizarci von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) zu bedenken. Diese Jugendlichen hätten – „teilweise komplett ungefiltert“ – Gewaltvideos konsumiert. Insbesondere durch soziale Medien würden Einstellungen bis zur Aggression „hochgeladen“. Dies verdeutliche vor allem eines: „Wir müssen die Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern fördern“, sagte Hizarci dem Tagesspiegel.

Rabbiner/Imam-Tandem von meet2respect: Rabbiner Elias Dray und den Imam Ender Cetin besuchen fast täglich Schulen.
Rabbiner/Imam-Tandem von meet2respect: Rabbiner Elias Dray und den Imam Ender Cetin besuchen fast täglich Schulen.

© Meet2respect

Der Pädagoge empfiehlt, mit nüchternen Fragen wie „Wie geht es euch?“ oder „Was habt ihr mitbekommen?“ das Gespräch mit den Jugendlichen zu suchen und so sowohl die Lehrer-Schüler-Beziehung zu stärken als auch der angespannten Situation den Druck zu nehmen. Das aktuelle Informationsschreiben der Senatorin sei hierfür „ein gutes Angebot“.

Hizarci nahm am Freitag auf Einladung von SPD-Fraktionschef Raed Saleh an einem Treffen mit rund 20 Vertretern aus der Zivilgesellschaft, Religionsgemeinschaften und der Wissenschaft teil, die sich gegen Antisemitismus und für gesellschaftlichen Zusammenhalt engagieren.

Etliche Berliner Initiativen stehen bereit, um die Schulen zu unterstützen. Auch der Verein „Meet2respect“, der jeweils einen Rabbiner und einen Imam gemeinsam in die Schulen schickt, lässt sich nicht beirren: „Wir machen ganz normal weiter und haben schon am Dienstag unseren nächsten Schultermin“, sagte Vereinssprecherin Lina Will am Freitag. Meet2respect gehört auch in die lange Liste von Ansprechpartnern, an die sich Schulen wenden können, um für mehr Toleranz unter ihren Schülerinnen und Schülern zu werben.

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