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Stau auf der Stadtautobahn A100.

© Jörn Hasselmann

Wegen Protesten der „Letzten Generation“: ADAC meldet 23 Prozent mehr Staustunden in Berlin und Brandenburg

Der ADAC errechnete, dass Autofahrer in der Region 2023 vier Jahre im Stau vertrödelten, 23 Prozent mehr als 2022. Berlin ist dabei die Stauhauptstadt Deutschlands.

Autofahrer verbrachten im Jahr 2023 in der Region Berlin-Brandenburg 22,9 Prozent mehr Zeit im Stau als im Jahr zuvor. Dies teilte der Autoclub ADAC am Dienstag mit. Zusammen mussten Autofahrer in den beiden Ländern 34.004 Stunden warten, heißt es in der aktuellen Staubilanz des ADAC.

Schuld an dem Anstieg sind nach Einschätzung des ADAC die Proteste von Klimaaktivisten der „Letzten Generation“. Diese hatten sich im vergangenen Jahr tausendfach auf Straßen und Autobahnzufahrten geklebt. Zuletzt hatte die Gruppe angekündigt, sich nicht mehr festkleben zu wollen; nun soll anders protestiert werden.

Die absolute Zahl der Staus und die Länge der Staus sind dagegen gesunken. Dies wurde nach Angaben des ADAC durch die Änderung der Arbeitswelt erreicht: Auch nach Corona arbeiten viele Menschen aus dem Homeoffice. Die 34.004 Stunden entsprechen knapp vier Jahren Stillstand. 2022 waren es 27.668 Stunden. Rückläufig ist dagegen die Anzahl der gemeldeten Staus von 41.279 im Jahr 2022 auf 32.526 Meldungen 2023. Die Summe an Staukilometern in der Region war mit 46.317 Kilometern rückläufig (2022: 49.314 Kilometer). Berlins „Staufalle“ Nummer 1 ist die A100. Hier gab es 13.402 Staus mit 10.765 Kilometer Länge.

„Dass auf den Berliner Autobahnen mal wieder viel zu lange im Stau gestanden wurde, verwundert wenig“, sagte die Sprecherin der Verkehrsverwaltung, Britta Elm. „Wir sind eine Pendler-Region.“ Laut Statistischem Landesamt gab es 2022 in Berlin-Brandenburg 1,1 Millionen Pendler, das sind 34 Prozent aller Erwerbstätigen. Im Vergleich zu 2021 stieg die Pendlerquote um 2,4 Prozentpunkte. Etwa 270.000 Brandenburger fahren nach Berlin zur Arbeit, 108.000 Berliner in die andere Richtung nach Brandenburg.

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„Viele verzichten dabei nicht aufs Auto“, sagte Britta Elm, die Sprecherin von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). Verringert werden könne der Stau nur, wenn mehr Menschen umsteigen in Busse und Bahnen: „Wir arbeiten hart daran, den ÖPNV so attraktiv zu machen, dass er mit dem Auto konkurrieren kann“, sagte Elm. Das sei allerdings in entfernteren Regionen Brandenburgs häufig nicht möglich. Verschärft wurde die Lage durch die Klimaaktivisten. „Das lässt sich auch bei der besten Verkehrsplanung nicht verhindern.“

Der Fahrradclub ADFC hat eine andere Sicht. „Mit dem Fahrrad steht man nie im Stau“, sagte Karl Grünberg, der Sprecher des Clubs. Bei einer Strecke unter fünf Kilometern könne jeder das Auto stehen lassen – „das entlastet die Straßen“. Wenn der Senat den Stau verringern wolle, „muss er geschützte Radwege bauen“, forderte Grünberg.

Im Autostau steht auch die BVG, seit Jahren werden Busse und Straßenbahnen immer langsamer. 2022 erreichte ein Bus im Schnitt ein Tempo von 17,8 Kilometer pro Stunde, vor zehn Jahren waren es 19 Kilometer pro Stunde. Noch langsamer ist die Tram mit 17,5 Kilometer pro Stunde. Zahlen für das Jahr der Klimaproteste 2023 liegen noch nicht vor.

Berlin ist vor Hamburg auf Platz 1 der Staustädte

Aufgesplittet auf die beiden Bundesländer zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. In Berlin erfasste der ADAC 18.094 Staus (2022: 25.644), die 16.623 Staustunden (2022: 15.134) und 15.287 Staukilometer (2022: 23.796) nach sich zogen. Auf einen Berliner Autobahnkilometer entfielen 228 Staustunden – das ist Platz 1 im Bundesländer-Vergleich. Auf Platz 2 liegt Hamburg, ebenfalls eine Pendlerstadt. Die längsten Staus gab es in Berlin mit fast 120 Kilometern am 16. November, einem Streiktag der Lokführergewerkschaft GDL.

Mehr Stau in Brandenburg

Ein anderes Bild zeigte sich laut ADAC in Brandenburg. Im Flächenland nahmen die Staustunden um mehr als 38 Prozent auf 17.381 Stunden deutlich zu (2022: 12.534). Die registrierten Staus nahmen jedoch nicht nur mehr Zeit in Anspruch, sie wurden auch um knapp 22 Prozent länger. 25.518 Kilometer waren es 2022, im Jahr 2023 dann 31.030. Die Anzahl der Staus sank geringfügig auf 14.432 (2022: 15.635). Der ADAC nennt als Grund für diese Entwicklung das erhöhte Pendelaufkommen und mehr Touristen. Zwei Drittel aller Brandenburger arbeiten in einer anderen Gemeinde, die Zahl der Übernachtungen stieg um 13 Prozent.

Für die Stau-Bilanz nutzt der ADAC das sogenannte „Floating Car Data“-System. Dabei wurden rund 278 Milliarden Datensätze mit Positions- und Geschwindigkeitsinformationen von Lkw-Flotten sowie Nutzern von Smartphone-Apps verarbeitet.

In Berlin gab es die meisten Staus im Oktober. Sowohl der 19. als auch der 23. Oktober hielten Autofahrende auf den Hauptstadt-Autobahnen mit jeweils 92 Staustunden in Schach. Dicht gefolgt vom 26. Oktober (91 Stunden) und dem 24. Oktober (90 Stunden), was auf die am 23. Oktober gestarteten Herbstferien zurückzuführen ist. Der erste Tag der Sommerferien, der 10. Juli 2023, verursachte dagegen die meisten Staumeldungen (98).

Im Bundesland Brandenburg sah es anders aus. Die meisten Staustunden wurden am 21. Mai registriert (175 Stunden), dem Sonntag nach Christi Himmelfahrt. Der 28. November überraschte viele Autofahrerinnen und Autofahrer in Brandenburg mit einem Wintereinbruch und gipfelte in fast 440 Staukilometern und mehr als 140 Staumeldungen – den höchsten Tageswerten des Jahres im Bundesland.

2023 ist die Fahrleistung auf den Autobahnen laut Bundesamt für Straßenwesen insgesamt um etwa vier Prozent gestiegen. Der Lkw-Verkehr sank dagegen um drei Prozent.

Das „Deutschland-Ticket“ für den öffentlichen Nahverkehr hat nach ADAC-Angaben das von der Politik erhoffte Ziel verfehlt. Das bundesweit gültige Angebot war im Mai 2023 eingeführt worden. Der günstige Preis von 49 Euro sollte zum Umstieg vom Auto in Bus und Bahn animieren. „Ein positiver Effekt auf das Verkehrsaufkommen und die Stauentwicklung ist leider nicht erkennbar“, sagte ADAC-Verkehrsexperte Jürgen Berlitz.

Die Bahn sei für viele Autofahrer keine Alternative, hieß es. „Chronische Verspätungen und Ausfälle schrecken ab.“ Angebot und die Qualität müssten verbessert werden: „Nur so kann der öffentliche Nahverkehr dauerhaft gestärkt werden und seinen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende leisten“, sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.

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