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Der Berliner Hauptbahnhof war am Mittwochmorgen wie leergefegt.

© Marlon Saadi

Update

GDL-Lokführerstreik in Berlin: Leere Hallen am Hauptbahnhof, volle Wagen bei der BVG

Der Ausstand der Lokführer trifft seit Mittwochmorgen auch den Verkehr in Berlin, Bauernproteste verschärfen die Lage in Brandenburg. Die BVG musste Fahrgäste teils stehen lassen.

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Der GDL-Streik ist in Deutschland zu einem gut eingespielten Ritual geworden. Diesen Eindruck vermittelt zumindest der Berliner Hauptbahnhof am Mittwochmorgen kurz nach 8 Uhr. Sonst nicht gerade bekannt als Ruheoase der Hauptstadt, bietet sich an diesem Tag ein Bild großstädtischer Gelassenheit. Leere Bahnsteige, freie Sitzplätze in den Zügen und entspannte Fahrgäste.

„Wir haben gar nicht mitbekommen, dass gestreikt wird“, sagt Sofia Diaz Nava, die aus Kolumbien stammt und heute zum ersten Mal in Berlin zu Besuch ist. Sie hat Glück. Ihr Zug nach Brandenburg Hauptbahnhof fährt trotzdem.

Sofia Diaz Nava (ganz rechts) aus Kolumbien ist mit ihrer Familie in Berlin. Sie hat Glück: Ihr Zug fährt.
Sofia Diaz Nava (ganz rechts) aus Kolumbien ist mit ihrer Familie in Berlin. Sie hat Glück: Ihr Zug fährt.

© Marlon Saadi

Ganz unbemerkt ist der GDL-Streik an den meisten anderen Fahrgästen zwar nicht vorbeigegangen, aber sie haben sich vorab informiert – über die App, die Website oder Informationstisch der Deutschen Bahn. Den Streik nehmen sie hin. „Auf persönlicher Ebene bin ich natürlich etwas genervt, aber auf sachlicher Ebene kann ich den Streik verstehen“, sagt Bernd Altenrädt, der seinen Zug nach München heute zwei Stunden später nehmen musste.

„Mein Eindruck ist, dass die Menschen seit Covid und Homeoffice gut auf die Streiks eingestellt sind, weil sie flexibler geworden sind“, sagt Waleep Kpian.
„Mein Eindruck ist, dass die Menschen seit Covid und Homeoffice gut auf die Streiks eingestellt sind, weil sie flexibler geworden sind“, sagt Waleep Kpian.

© Marlon Saadi

„Mein Eindruck ist, dass die Menschen seit Covid und Homeoffice gut auf die Streiks eingestellt sind, weil sie flexibler geworden sind“, vermutet Waleep Kpian, der selbst in der IT-Branche arbeitet und heute nach Potsdam fährt. Sophie Goldau, die regelmäßig nach Potsdam pendelt, beobachtet, dass mit jedem weiteren Streik die Bahnen leerer und die Menschen entspannter werden.

Der Hertha-Fanshop im Hauptbahnhof blieb am Mittwochmorgen geschlossen.
Der Hertha-Fanshop im Hauptbahnhof blieb am Mittwochmorgen geschlossen.

© Marlon Saadi

Auch in den Geschäften im Bahnhofsgebäude ist an diesem Tag wenig los. Im Rewe, vor dem sich normalerweise lange Schlangen ungeduldiger Reisender bilden, die noch schnell einen Snack für die Zugfahrt kaufen wollen, kann man an diesem Tag ohne zu warten direkt zur Kasse gehen. Und der Hertha-BSC-Fanshop macht sich als echter Ur-Berliner gar nicht erst die Mühe und lässt die Ladentüren gleich ganz geschlossen.

Der Streik der GDL-Lokführer im S- und Regionalverkehr hat am frühen Mittwochmorgen um 2 Uhr begonnen. Im gesamten S-Bahnnetz komme es bis einschließlich Freitagabend, 18 Uhr, zu Ausfällen, teilte die S-Bahn mit. Ein Notfahrplan für die Linien S3 (Erkner-Ostbahnhof), S46 (Königs Wusterhausen-Schöneberg), S5 (Strausberg Nord-Ostbahnhof) und S9 (Flughafen BER-Friedrichstraße) soll die Außenbezirke und Umlandgemeinden im 20-Minutentakt anbinden. Der Schienenersatzverkehr auf den wegen Bauarbeiten eingeschränkten Linien S1, S2, S25 und S26 laufe ohne Einschränkungen.

Auch im Regionalverkehr zwischen Berlin und Brandenburg müssen sich Fahrgäste auf weitreichende Einschränkungen und Ausfälle einstellen. Lediglich auf den Linien des RE2 zwischen Berlin und Cottbus, des RE3 zwischen Angermünde und Berlin, des RE4 zwischen Rathenow und Berlin, des RE5 zwischen Rostock und Berlin sowie des RE6 zwischen Wittstock (Dosse) und Hennigsdorf seien vereinzelt Züge unterwegs, teilte die Bahn mit.

BVG fährt – muss teils aber Fahrgäste stehen lassen

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind nicht direkt von dem Streik betroffen. Busse, Straßen- und U-Bahnen fahren wie geplant. Allerdings müssen sich Fahrgäste auf vollere Fahrzeuge und längere Wartezeiten einstellen. Wie das Unternehmen mitteilte, konnten im Berufsverkehr am Mittwochmorgen Fahrgäste aufgrund voller Fahrzeuge teils nicht mitgenommen werden, sie mussten auf die nächste Fahrt warten. In der Regel hätten die Kapazitäten jedoch ausgereicht.

Im gesamten Stadtgebiet habe die BVG eine deutlich stärkere Nachfrage als an normalen Wochentagen verzeichnet. „Besonders jene BVG-Linien, die parallel zu den bestreikten S-Bahnverbindungen verlaufen, wurden von vielen zusätzlichen Fahrgästen genutzt“, hieß es.

Blockaden an Brandenburger Autobahnauffahrten

Auf den Straßen ist wegen des Streikt mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechnen. Einschränkungen gibt es dort auch weiterhin wegen der Bauernproteste. Verkehrsteilnehmer sollten mehr Zeit einplanen, teilte die Verkehrsinformationszentrale (VIZ) mit.

Auch an allen Brandenburger Autobahnauffahrten kam es am Mittwoch zu Einschränkungen: Im Rahmen der Bauern-Proteste blockierten Landwirte diese an mehr als 70 Stellen. Die Blockaden liefen anders als ursprünglich geplant an einigen Auffahrten schon seit dem frühen Morgen, berichtete Peter Schollbach am Mittwoch als Landesvorsitzender der Vereinigung „Land schafft Verbindung“, die den Protest organisiert. Nach Angaben der Polizei kam es landesweit zu massiven Verkehrsstörungen. Ein großes Verkehrsaufkommen sei auch auf den Umfahrungsstrecken zu erwarten.

An der A24 waren bereits ab etwa 6.30 Uhr drei Anschlussstellen durch protestierende Bauern blockiert. An den drei Anschlussstellen Oberkrämer, Kremmen (beide Landkreis Oberhavel) und Wittstock/Dosse (Ostprignitz-Ruppin) kamen Autofahrer nicht mehr durch. Nach Angaben eines Polizeisprechers wird jeweils nur die Auffahrt zur Autobahn blockiert, die Abfahrten müssen aus Sicherheitsgründen frei bleiben. Die Blockaren waren bis 15 Uhr geplant.

„Wir stimmen aber gerade ab, ob wir bereits am Mittag die Autobahnen wieder freigeben können“, sagte Schollbach. „Wir wollen der Politik ein Zeichen setzen, aber wir wollen ja nicht gegen die Bevölkerung kämpfen.“ Ausgenommen von den Blockaden sollte nach den Plänen der Bauernvereinigung der Berliner Ring (A10) sein. Nach Angaben der Polizei gab es allerdings dennoch Aktionen an den Anschlussstellen Oberkrämer, Falkensee, Brieselang und Fredersdorf.

Darüber hinaus sind landesweit wieder zahlreiche Protestversammlungen angemeldet, die zu Verkehrsbehinderungen führen können. So seien im Landkreis Oberhavel im Bereich Zehdenick und Löwenberg mehrere Fahrzeugkorsos unterwegs, berichtete die Polizei. Zudem soll es Demonstrationen auf zahlreichen Autobahnbrücken geben.

Um das Brandenburger Tor in Berlin gibt es zudem weiterhin Sperrungen wegen der Bauernproteste. Voraussichtlich bis zum Wochenende soll die Straße des 17. Juni nach Angaben der VIZ zwischen Großer Stern und Ebertstraße in Richtung Brandenburger Tor gesperrt bleiben. (mit dpa)

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