zum Hauptinhalt
Zweck der Sirenen ist es, die Bevölkerung in Krisenlagen über zusätzliche Wege warnen zu können.

© dpa / dpa / Soeren Stache

„Die Bevölkerung Berlins widerstandsfähig machen“: Warum die Hauptstadt mehr als Katastrophenschutz tun muss

Eine Anhörung im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses zeigt: Berlin ist für den Notfall schlecht aufgestellt. Der Krieg in der Ukraine hat auch Folgen für die Hauptstadt.

Stromausfälle wie durch den Anschlag auf das Tesla-Werk, militärische Bedrohungen, gestörte Versorgung, Hitzewellen – Berlin ist nicht ausreichend auf weitreichende Krisen vorbereitet. Und die Stadt kann derzeit nicht mit der Unterstützung der Bundeswehr, wie etwa in der Corona-Pandemie, rechnen. Das ist das Ergebnis einer Expertenanhörung zum Katastrophenschutz im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag.

Wegen der veränderten Lage seit dem russischen Angriff auf die Ukraine könne die Bundeswehr kaum noch Amtshilfe leisten, sagte Brigadegeneral Jürgen Karl Uchtmann, Kommandeur des Landeskommandos Berlin. Die Hürden seien jetzt weitaus höher. Der Kernauftrag, „die volle Einsatzbereitschaft und Kriegstüchtigkeit“, habe absolute Priorität. Deutschland sei Drehscheibe für die Nato zum Schutz der Partner im Osten.

Uchtmann mahnte, die Berliner Behörden müssten sich deutlich besser aufstellen für den Krisenfall. „Das Dilemma, das wir sehen, ist die Vielzahl der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten“, sagte Uchtmann. Koalitionsvertreter von Schwarz-Rot erinnerten daran, dass sich Berlin nach dem Fall der Mauer auf Friedenszeiten eingestellt und frühere Schutzvorkehrungen beendet habe.

Das Dilemma, das wir sehen, ist die Vielzahl der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.

Jürgen Karl Uchtmann, Brigadegeneral und Kommandeur des Landeskommandos Berlin.

Es gehe nicht mehr nur um Katastrophenschutz und Einzelereignisse wie den Stromausfall in Köpenick 2019 oder die Pandemie, bei der die Bundeswehr geholfen habe, sagte der Militär. „Ich spreche von der zivilen Verteidigung als Teil der Gesamtverteidigung und damit durchaus auch über einen kriegerischen Hintergrund.“

Ziel müsse es sein, „die Bevölkerung und auch die Hauptstadt Berlin widerstandsfähig gegen kriegerische Absichten, möglicherweise kriegerische Handlungen zu machen“. Der Aufwand sei enorm hoch, um „die politische Handlungs- und Führungsfähigkeit“ und den Schutz der Bevölkerung sicherzustellen.

Berlin bei freiwilligen Helfern nicht ausreichend aufgestellt

Die Berliner Behörden und die Polizei hätten „eine erhebliche Aufgabe zu stemmen“ für den „Schutz von Infrastrukturen“ und „für die Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Funktionen“. Es gehe um den Schutz von Versorgung und Warenlieferungen, der Gesundheit und von Kulturgütern. „Der Fokus allein auf den Katastrophenschutz wird nicht reichen“, sagte der Landeskommandeur.

Karsten Göwecke, lange Zeit Vizechef der Feuerwehr und nun Koordinator für den Aufbau eines Krisenzentrums, sagte, es sei eine neue Herausforderung, mit dem Bevölkerungsschutz auch militärische Planungen zu unterstützen. Das neue Krisenzentrum solle die Zusammenarbeit aller 37 Behörden, die für Katastrophenschutz verantwortlich seien, koordinieren und sei noch im Aufbau.

Göwecke sagte, beim Bevölkerungsschutz habe Berlin noch „große Potenziale“ zu erschließen. Die Verwaltung müsse „schneller aktivierbar sein“, die Bedingungen für ehrenamtliche Helfer müssten besser werden und freiwillige Helfer im Krisenfall koordiniert werden können. Beim Potenzial an Helfern sei Berlin bezogen auf die Einwohnerzahl und im Vergleich zu anderen Bundesländern „bisher nicht ausreichend aufgestellt“.

Das sieht auch Birgitta Sticher, Professorin von der Hochschule für Wirtschaft und Recht, so. Die Behörden und Hilfsorganisationen kämen trotz aller Vorbereitung im Ernstfall „schnell an ihre Grenzen“. Die Bewältigung sei „ohne die Mitwirkung der Bevölkerung überhaupt nicht zu denken“. Nötig seien bessere Kommunikation, Schulungen, der Aufbau von Anlaufpunkten in den Kiezen und die stärkere Einbindung der Bezirke.

Am besten aufgestellt ist nach Darstellung des Landeskommandeurs das Bezirksamt Lichtenberg. Dessen Katastrophenschutzbeauftragter Philipp Cachée forderte mehr kundiges Personal und Geld. Auch in Lichtenberg sei das „noch auf Sparflamme“. Es gebe nicht einmal sichere Kommunikationswege im Ernstfall. Bei den Chlortabletten zur Aufbereitung von Trinkwasser reiche der in Lichtenberg gelagerte Vorrat für ganz Berlin vier Tage. Doch wie sie zu verteilen sind, sei nicht geklärt. Anleitungen zu den Tabletten gebe es nur auf Deutsch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false