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Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff.

© Foto: dpa/Jan Woitas

Update

Botschaft beim Berliner Presseclub: Ex-Bundespräsident Christian Wulff beklagt Hochnäsigkeit im Journalismus

Christian Wulff schickt Berliner Journalisten eine Videobotschaft. Er wünscht sich die Sensibilität journalistischer Größen wie Marion Gräfin Dönhoff zurück.

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Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat sich bei der Feier zum 70. Geburtstag des Berliner Presseclubs im Museum für Kommunikation besorgt dazu geäußert, dass die Bereitschaft, sich in der Politik für das Gemeinwohl zu engagieren, sinkt: „Ich kenne leider immer mehr, die nicht mehr bereit sind, in die Politik zu gehen, obwohl wir sie dort gerade jetzt dringend bräuchten“, erklärte Wulff bei einer Videoansprache.

Angesichts der wachsenden Herausforderungen wies er auf diejenigen hin, die Unfreiheit erlebt hätten – wie Marion Gräfin Dönhoff, ehemalige Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die Zeit“, Axel Springer, Gründer der heutigen Axel Springer-Verlagsgruppe oder Rudolf Augstein, Gründer des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“.

Wulff warf die Frage auf, ob diese bedeutenden Journalisten bei all ihren großen Differenzen letztlich für die Zerbrechlichkeit der Demokratie einen sensibleren Seismografen gehabt hätten als manche heutige Medienmacher.

Es gebe Journalismus, der leicht als hochnäsig erkennbar sei, wenn er auch vermeintlich investigativ daherkomme, befand Wulff. Nur die Journalisten merkten scheinbar nicht, „dass sie ihre eigene Grube tiefer graben, wenn sie erwarten, dass Menschen den Kakao auch noch bezahlen, durch den sie gezogen werden“, sagte der ehemalige Bundespräsident, der im Jahr 2012 zurücktreten musste.

Das Einende im Blick behalten

Die Einladung, beim Geburtstag die Festrede zu halten, habe er gerne angenommen, da der Berliner Presseclub einen Raum schaffe, „der Ruhe für Hintergrundrecherche und Verifizierung bietet und wo man Gerüchte Gerüchte sein lässt“, sagte er.

Gern wäre er persönlich dabei gewesen, sei zwischenzeitlich aber von der Bundesregierung gebeten worden, zur Trauerfeier für den ehemaligen japanischen Premierminister Shinzo Abe nach Japan zu reisen. Da der heimtückisch ermordete Politiker stets für die Zusammenarbeit mit den Deutschen eingetreten sei, habe er sich dem nicht entziehen wollen.

Er mahnte, die besonderen Herausforderungen der Zeit gemeinsam und verantwortungsvoll zu bewältigen, statt dem Trennenden das Einende im Blick zu behalten und kompromissbereit zu sein.

Die vielfältige und breite Medienlandschaft Deutschlands sei mit wenigen Staaten ein Alleinstellungsmerkmal in dieser Welt. Darauf dürfe man sich aber nicht ausruhen. „Es gilt, uns diesbezüglich auch durchgehend zu hinterfragen und zu prüfen: ermöglichen wir offene, transparente und kritische Debatten ohne Zerstörungswunsch und Effekthascherei?“

Die Demokratie lebe von einer freien Presse, von der Vielstimmigkeit und vor allem aber davon, die Aussöhnung zwischen verschiedenen Lagern zu finden: „ohne Gewalt, weder verbaler noch körperlicher Natur.“

Keine Selbstverständlichkeit

Für die Ausführungen gab es viel Applaus, zumal die Mitglieder es durchaus nicht als selbstverständlich erachteten, dass Christian Wulff sich überhaupt zu dieser Rede bereit erklärt hatte. Das erwähnte in ihrer Eröffnungsansprache die Vorsitzende des Berliner Presseclubs, Juliane Hielscher. Sie erinnerte daran, dass über die Rehabilitierung des zurückgetretenen Bundespräsidenten sehr viel weniger berichtet wurde, als über die Vorwürfe, die zu seinem Rücktritt geführt hatten.

In der anschließenden von Anke Plättner moderierten Podiumsdiskussion wurde über die Ausführungen lebhaft diskutiert. Der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl forderte Ehrlichkeit statt Überheblichkeit und Aufklärung über die wahren Verhältnisse. Für eines der größten Probleme halte er die Tatsache, dass das Biotop der Berliner Medien mit der Realität draußen im Lande sehr wenig zu tun habe. Kritisch setzte er sich auch mit der neuen Macht der Klicks auseinander, die bei den Menschen einen Vertrauensverlust auslöse, weil sie das Gefühl bekämen, dass über manche Themen übertrieben viel berichtet werde.

Nach den vielen ernsten Gedankenanstößen gab es am Ende aber auch noch Gelegenheit zu entspannenden Gesprächen. Vor allem hatte die Direktorin des Museums für Kommunikation, Anja Schaluschke, auf einen besonderen Schatz hingewiesen, den sie an diesem Abend eigens zugänglich gemacht hatte: die blaue Mauritius, eine der bekanntesten und teuersten Briefmarken der Welt. Diese konnte nach diesen Ausführungen wirkungsvoll an die Zeit erinnern, als Kommunikation noch sehr viel bedächtiger vonstatten ging.

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