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31.12.2022, Berlin: Polizeibeamte stehen hinter explodierendem Feuerwerk. Nach Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht hat die Diskussion um Konsequenzen begonnen.

© dpa / Julius-Christian Schreiner

Bodycams, Böllerverbote, Prävention: Giffey und Spranger planen „konzertierte Aktion“ gegen Gewalt

Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey und Innensenatorin Spranger wollen gezielt auf die Silvesterrandale reagieren. Es soll Maßnahmen in mehreren Bereichen geben.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD) wollen in Reaktion auf die Silvesterrandale am Dienstag im Senat ein Maßnahmenpaket einbringen. Es brauche einen „neuen Schub“ und eine breite Anstrengung in mehreren Bereichen. „Das muss in Schule, in Jugendsozialarbeit, der polizeilichen Präventionsarbeit, aber auch in der Jugendgerichtshilfe eine konzertierte Aktion geben“, sagte Giffey am Mittwoch.

Innensenatorin Spranger kündigte einen Drei-Punkte-Plan an. Sie wolle nicht den Probelauf mit 300 Bodycams für Einsatzkräfte abwarten, sondern so schnell wie möglich 4000 Geräte beschaffen. „Uns würden damit mehr Beweismittel für die Straftaten in der Silvesternacht vorliegen. Die Verzögerung bei den Bodycams geht klar auf Kosten der Rettungs- und Einsatzkräfte. Und das geht gar nicht“, sagte Spranger dem Tagesspiegel.

Ausweitung von Böllerverbotszonen soll geprüft werden

„Es geht nicht darum, überstürzt zu handeln, sondern den Mut zu haben, es schnell umzusetzen. Silvester hat gezeigt, dass es jetzt um die Sicherheit der Einsatzkräfte und der Berlinerinnen und Berliner geht“, sagte die Senatorin. Grünen-Fraktionschef Werner Graf kritisierte: „Jetzt für den Wahlkampf große Zahlen rauszuhauen, halte ich für nicht durchdacht.“ Der von der Koalition vereinbarte Test sei der bessere Weg.

Daneben will Spranger eine Ausweitung von Böllerverbotszonen prüfen. „Das können wir in Berlin selbst umsetzen“, sagte sie. In der Innenministerkonferenz, deren Vorsitz sie in der nächsten Woche übernimmt, will die SPD-Politikerin über eine Öffnungsklausel für die Bundesländer beim Sprengstoffrecht sprechen.

„Jedes Bundesland sollte die Möglichkeit erhalten, auf Einsatzlagen flexibel reagieren zu können, mit kleineren Abweichungen bis hin zu einem Verbot“, sagte Spranger. Von den Menschen, die Silvester in ein Krankenhaus kamen, seien 30 Prozent „von anderen mit Böllern beschossen worden, darunter auch Kinder.“ „Das ist unverantwortlich.“

Kauf von Schreckschusswaffen nur mit kleinem Waffenschein

Zudem will Spranger strengere Regeln für den Verkauf von Schreckschusswaffen. „Das Problem ist, dass jede:r 18-Jährige:r ohne irgendeine weitergehende Prüfung, ohne einen weiteren Nachweis eine Schreckschusswaffe und die dazugehörige Munition erwerben kann. Genau das muss auf den Prüfstand“, sagte Spranger. Sie will für den Kauf den sogenannten kleinen Waffenschein und die dazugehörige Zuverlässigkeitsprüfung vorschreiben.

„Die Kernfrage sollte aber nicht vernachlässigt werden: Weshalb wird die Schreckschusswaffe überhaupt benötigt?“, sagte die Senatorin. Diese Frage sollte als weitere Voraussetzung in einen solchen Prüfprozess einbezogen werden. „Also zwei Schritte: die Prüfung der Zuverlässigkeit und Eignung wie standardgemäß für den kleinen Waffenschein, ergänzt um einen Nachweis eines besonderen Bedürfnisses“, sagte Spranger.

In der Silvesternacht war es in Berlin zu zahlreichen Angriffen auf Polizei und Feuerwehr gekommen, mehr als 30 Mitarbeiter wurden verletzt – Unter anderem war auf Videos zu sehen, wie ein Unbekannter ein Auto der Polizei mit einer Schreckschusswaffe beschoss. Bislang können diese Modelle frei im Laden oder im Internet gekauft werden. Der Käufer muss über 18 Jahre alt sein, andere Voraussetzungen gibt es nicht.

Zentralstelle und Hinweisportal der Polizei

Polizei und Staatsanwaltschaft bündeln die Ermittlungen wegen der Ausschreitungen nun. Die Polizei richtete eine Zentralstelle zur Koordinierung und Auswertung aller Verfahren und ein Hinweisportal im Internet für Fotos und Videos ein. Bei der Staatsanwaltschaft werden die Fälle in der Abteilung für Hooligan-Gewalt gebündelt.

„Auch eine priorisierte Bearbeitung der Verfahren gegen jugendliche und heranwachsende Beschuldigte, bei denen eine schnelle staatliche Reaktion besonders geboten erscheint, soll so ermöglicht werden“, teilten beide Behörden mit.

145
Festnahmen gab es bei den Ausschreitungen.

Laut Polizei wurden bei den Ausschreitungen 145 Menschen festgenommen, 139 davon sind Männer. Alle Verdächtigen seien nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen auf freien Fuß gekommen. 27 Verdächtige sind minderjährig, 67 weitere zwischen 18 und 25 Jahren alt, 21 weitere zwischen 26 und 30 Jahren. Es seien insgesamt 18 verschiedene Nationalitäten erfasst worden. 45 der Verdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit. Danach folgten 27 Verdächtige mit afghanischer Nationalität und 21 Syrer.

Wegen der Krawalle seien insgesamt 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Ermittelt werde unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.

Spranger sagte, etwa 500 Leute hätten alle anderen Berliner, die friedlich Silvester feierten, in Geiselhaft genommen. Berlin sei kein rechtsfreier Raum. „Wir lassen uns auch nicht von außen sagen, es gebe ein Sicherheitsproblem – das ist nicht der Fall“, sagte Spranger.

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